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Der ehemalige US-Präsident Donald Trump.

© dpa/Andrew Harnik

Ex-Präsident in Handschellen?: Trumps Tricks sind durchschaut und entzaubert

Donald Trump beherrscht die Inszenierung. Er soll Opfer, sein Gegner übermächtig sein. Einer gegen alle. Ob ihm das noch nutzen kann, ist fraglich.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Ein wenig seltsam ist das schon: Donald Trump zahlte einer Pornodarstellerin 130.000 Dollar, damit sie nichts über eine Affäre mit ihm sagt, die es, das beteuert Trump, gar nicht gab. Das geschah noch vor der Präsidentschaftswahl 2016, liegt also sehr lange zurück. Nun wird ermittelt, ob die Schweigegeldzahlung gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstieß.

Das klingt eher technisch und wirkt – gemessen etwa am Aufruf Trumps zur Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 – wie eine Lappalie. Fast so, als würde gegen einen Berliner Clan-Chef wegen Falschparkens ermittelt. Trotzdem richten sich in den USA sämtliche Scheinwerfer auf den Fall. Was ist da los?

Wieder einmal stellt Trump unter Beweis, dass er ein Meister in der Inszenierung von Dramen ist. Erneut ist er Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person. Die Rolle, in die der abgewählte Ex-Präsident schlüpft, ist auf den ersten Blick widersprüchlich: Einerseits spielt er das angegriffene, schwache Opfer, das Hilfe braucht, weil es von bösen Kräften – der New Yorker Justiz, den Demokraten, den Medien, dem Establishment – gejagt wird. Andererseits spielt er den Unbesiegbaren, der seinen Widersachern eine Nase dreht.

Wäre eine Verhaftung möglich?

In Trumps Erzählung ermittelt ein New Yorker Bezirksstaatsanwalt aus niederen Motiven gegen ihn wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Gesetz zur Wahlkampffinanzierung. Um die Sache noch stärker aufzuladen, entwirft der Ex-Präsident ein Bild von sich in Handschellen und Gefängniskleidung.

Am vergangenen Dienstag fiel allerdings die von ihm prognostizierte Verhaftung aus. Das Thema ist trotzdem gesetzt. Trump hinter Gittern: Diese Vision soll seine Anhänger empören und seine Partei zum Schulterschluss zwingen. Dann, das ist die Verheißung, würden sie am glücklichen Ausgang der Affäre teilhaben. Es wäre nicht das erste Mal.

Denn was hat er nicht alles überlebt. Als Präsident wurden ihm weder seine Lügen zum Verhängnis noch seine rassistischen und frauenverachtenden Sprüche. Zwei Amtsenthebungsverfahren hat er überstanden sowie die Ermittlungen von Robert Mueller zur sogenannten Russland-Affäre.

Er hat versucht, in die Auszählung der letzten Präsidentschaftswahlen einzugreifen, verbreitet den Unsinn von einer „gestohlenen Wahl“, rief zur Erstürmung des Kapitols auf, in seinem Privat-Domizil in Mar-a-Lago werden Geheimdokumente gefunden.

Trump macht aus dem Tadel ein Lob

Trotzdem führt Trump in Umfragen das Feld der republikanischen Bewerber an, die der nächste Präsidentschaftskandidat werden wollen. Wenn Joe Biden verächtlich von den Maga-Republikanern spricht (Make America Great Again), dreht Trump den Spieß einfach um und macht aus dem Tadel ein Lob.

Einer gegen alle: Da schwingen biblische Motive mit (David gegen Goliath, Noah und die Sintflut, Jesus gegen die Pharisäer) und auch kulturelle Analogien (High Noon, Rocky, Rambo). Stets ist da eine intrigante, machtversessene Meute, die ihr Opfer, das nichts als Gutes im Sinn hat, zur Strecke bringen will. Doch er, Trump, nimmt es mit dieser Meute mutig und unbeirrt auf, um am Ende als Sieger dazustehen.

Aus dem Opfer, das mit seinen Botschaften zuverlässig mediale Reiz-Reaktions-Mechanismen auslöst, wird auf diese Weise der Triumphator, der keine Angst kennt und es mit jedem Gegner aufnimmt. Trump verhöhnt seine Feinde als feige und skrupellos, weil sie das offene Feld mieden und sich hinter Justiz-Manövern versteckten. Das aber illustriere vor allem, wie verzweifelt sie seien. Der Kreis schließt sich.

So war es meist, so ist es jetzt. Tröstlich ist allein, dass die Amerikaner diese Nummer in den vergangenen Jahren schon oft gesehen haben. Ein Déjà-vu stellt sich ein. Trumps Tricks sind durchschaut und entzaubert. Deshalb ist offen, ob ihm die jüngste Wendung in einem seiner vielen Verfahren nützt oder schadet. Szenenapplaus gibt’s jedenfalls nicht.

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