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Kämpferin: Maria Corina Machado ist die Anführerin der venezolanischen Opposition.

© dpa/Jeampier Arguinzones

„Die Eiserne Lady Venezuelas“: Wer ist Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado?

Ihren jahrelangen Kampf gegen das Maduro-Regime bezahlt Venezuelas Oppositionsführerin mit einem Leben im Untergrund. Dort erfährt sie vom Friedensnobelpreis – und ist erstmal sprachlos.

María Corina Machado lebt gefährlich – doch ihr Kampf für ein freies, demokratisches Venezuela ist jetzt mit dem Friedensnobelpreis belohnt worden.

Die Nachricht erhielt die Oppositionsführerin am Freitag an einem für die Öffentlichkeit unbekannten Ort, denn Machado lebt aus Angst vor der Verfolgung der autoritären Regierung von Präsident Nicolás Maduro im Untergrund.

„Es macht schon etwas Angst“

„Es macht schon etwas Angst“, gestand sie erst kürzlich in einem TV-Interview. Wie so oft stand die dreifache Mutter dabei vor einer nackten Wand: Kein noch so kleines Detail soll darüber Aufschluss geben, wo sie sich aufhält. In ihrem Versteck beging Machado auch vor wenigen Tagen ihren 58. Geburtstag. Es sei traurig an solchen Tagen, denn dann werde sie sich einer Gewissheit bewusst: „Du weißt, du wirst niemanden berühren können.“

Bereits seit vielen Jahren kämpft María Corina Machado gegen das autoritäre Regime von Nicolás Maduro und dessen Vorgänger Hugo Chávez.

© AFP/FEDERICO PARRA

Welch ein Unterschied zu den ikonischen Bildern, für die Machado sonst in jüngerer Vergangenheit bekannt war: Da stand sie etwa – allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz – auf dem Dach eines Autos oder auf der Ladefläche eines Lastwagens, während ihr eine Menschenmenge inmitten eines Meeres venezolanischer Flaggen zujubelt. Damals, bevor sie untertauchte.

„Die Auszeichnung für María Corina Machado zeigt, dass ihr langer Kampf für Freiheit, Menschenrechte und ein Ende der wirtschaftlichen Misere sich bewährt hat“, sagt Diana Luna, Lateinamerika-Expertin der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, dem Tagesspiegel. Die Friedensnobelpreisträgerin sei eine Ermutigung für die venezolanische Opposition, die immer wieder darum gekämpft habe, mit einer Stimme zu sprechen.

Der Nobelpreis für Machado ist ein Aufruf an die Weltgemeinschaft, sich gemeinsam für die Freiheit Venezuelas einzusetzen.

Diana Luna, Lateinamerika-Expertin

Das ist Luna zufolge insofern wichtig, als das Regime ständig versuche, die Opposition gegeneinander auszuspielen. Zum Beispiel, indem versucht worden sei, „Machados unermüdlichen Einsatz infrage zu stellen und sie systematisch zu diskreditieren“. Der Nobelpreis ist nach Auffassung der Lateinamerika-Expertin daher nicht zuletzt „ein Aufruf an die Weltgemeinschaft, sich gemeinsam für die Freiheit Venezuelas einzusetzen“.

„Die Stimme der Hoffnung“, wird Machado von ihren Anhängern genannt, für viele von ihnen ist sie auch „die Eiserne Lady Venezuelas“. Das Nobelkomitee würdigte sie als „Meisterin des Friedens“. Für ihre Gegner, die Unterstützer der Regierung, hingegen ist sie eine „rechte imperialistische Verschwörerin“.

Drohungen durch Machtapparat

Die Tochter aus gutem Hause – ihr Vater war ein bekannter Unternehmer aus der Metallbranche, ihre Mutter machte sich als Psychologin einen Namen –, die an der renommierten Privatuniversität UCAB in der Hauptstadt Caracas einen Abschluss als Industrieingenieurin machte, ist für ihre Widersacher ein perfektes Feindbild. Sie sehen sie als Inbegriff einer politischen und wirtschaftlichen Elite, die es zu bekämpfen gilt.

Führt sein Land mit äußerst harter Hand: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro.

© AFP/FEDERICO PARRA

Der 2013 gestorbene Präsident und politische Ziehvater Maduros, Hugo Chávez, nannte sie einst eine „kleine, gut aussehende Bourgeoisie“, die intellektuell nicht auf der Höhe sei, mit ihm zu debattieren. Als junge Abgeordnete hielt sie ihm damals vor: „Das anständige Venezuela will nicht in Richtung Kommunismus schreiten.“ Sie bezog sich auf die Enteignungen privater Firmen, die auch ihren Vater trafen.

Jahre später, vor der Präsidentenwahl im Juli 2024, war Machado dann zur Einheitsfigur einer lange zersplitterten Opposition in dem südamerikanischen und an Erdöl reichen Land geworden, das Millionen Menschen angesichts der politischen und wirtschaftlichen Krise mittlerweile verlassen haben. Die Umfragen sagten einen haushohen Sieg der Regierungsgegner voraus.

Sie musste untertauchen

Doch Machado, die sich selbst als Liberale definiert, war wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten aus ihrer Zeit als Abgeordnete die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt worden. Also unterstützte sie ihren heute 76 Jahre alten Parteifreund Edmundo González als Spitzenkandidaten. Trotz der Betrugsvorwürfe erklärte die linientreue Wahlbehörde schließlich jedoch Maduro erneut zum Sieger. González, von vielen Ländern dennoch als gewählter Präsident anerkannt wird, verließ nach Drohungen und Haftbefehl Wochen später Venezuela Richtung Spanien.

Machado und Parteifreund González im Sommer 2024. Damals waren beide noch in Venezuela.

© AFP/YURI CORTEZ

Irgendwann tauchte auch Machado unter. Im Januar dieses Jahres zeigte sie sich noch einmal öffentlich. Bei einer Kundgebung im Mittelklasse-Stadtteil Chacao in Caracas wurde sie begeistert gefeiert, war dann aber plötzlich verschwunden. Sie sei kurzzeitig entführt und dann wieder frei gelassen worden, berichtete sie. Die Regierung wies das zurück. Seither macht Machado aus dem Untergrund gegen Maduro und den nach ihren Worten von ihm geleiteten „narco-kommunistischen Staat“ mobil.

Trump geht leer aus

Der Nobelpreis für die Oppositionelle dürfte indes nicht nur dem autoritären venezolanischen Machtapparat ein Dorn im Auge sein. Auch US-Präsident Donald Trump, der die begehrte Auszeichnung bekanntermaßen selbst haben wollte, wird Machado ihren Ruhm kaum gönnen.

Der Preis versteht sich als Würdigung von Menschen, die einen substanziellen Beitrag zu Versöhnung und friedlicher Konfliktlösung leisten – Trumps Bilanz steht dem diametral entgegen.

Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin

USA-Experte Christian Lammert findet es allerdings plausibel, dass Trump nicht als preiswürdig erachtet wurde. „Die Entwicklungen in den USA unter seiner zweiten Präsidentschaft waren von einer weiteren Erosion demokratischer Normen, der gezielten Schwächung unabhängiger Institutionen und einer bislang beispiellosen gesellschaftlichen Spaltung geprägt“, sagt der Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin.

Hinzu kämen außenpolitische Aktionen, die weniger auf nachhaltige Friedensförderung als auf kurzfristige Machtdemonstration und teils aggressive Alleingänge setzten, wie etwa die militärische Eskalation gegen venezolanische Schmugglerboote. „Der Preis versteht sich als Würdigung von Menschen, die einen substanziellen Beitrag zu Versöhnung und friedlicher Konfliktlösung leisten – Trumps Bilanz steht dem diametral entgegen.“

Eine Preisvergabe an den US-Präsidenten unter diesen Voraussetzungen wäre Lammert zufolge ein beunruhigendes Signal gewesen: „Sie hätte als Legitimation autokratischer Tendenzen und als Verharmlosung von Demokratieabbau und Menschenrechtsverletzungen verstanden werden können“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien. Und: „Die Glaubwürdigkeit des Friedensnobelpreises würde massiv Schaden nehmen, wenn kurzfristige politische Interessen oder mediale Aufmerksamkeit über die eigenen Prinzipien gestellt werden.“

María Corina Machado jedenfalls war sprachlos, als sie von ihrer Auszeichnung erfuhr. „Oh mein Gott! Mir fehlen die Worte“, sagte die Politikerin in einem kurzen Telefonat mit dem Direktor des norwegischen Nobelinstituts, Kristian Berg Harpviken. Nicht sie verdiene den Preis, sondern das venezolanische Volk, für das die Auszeichnung eine riesige Anerkennung sei. (mit dpa)

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