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„Für die Raketenproduktion unersetzbar“: Wie deutsche Siemens-Bauteile trotz Sanktionen in Russlands Rüstungsindustrie landen
In Sibirien stellt Russland einen hochexplosiven und giftigen Sprengstoff her. Für die Fertigung werden wohl Komponenten des deutschen Konzerns Siemens genutzt. Wie gelangen sie trotz Sanktionen dorthin?
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Ein russischer, staatlicher Sprengstoffhersteller soll offenbar gezielt westliche Sanktionen umgangen haben und Militärausrüstung des deutschen Herstellers Siemens (konkret SIEGn.DE) erworben haben. Das berichtete die Londoner Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Beschaffungs- und Zollunterlagen, die der Agentur vorliegen.
Demnach habe der südsibirische Sprengstoffhersteller „BOZ“ (Biysk Oleum Factory) Industrietechnologie für die Herstellung automatisierter Werkzeugmaschinen über den russischen Zwischenhändler „Techpribor“ bezogen, heißt es weiter.
Aus den Ausschreibungsunterlagen in der Beschaffungsdatenbank geht hervor, dass „Techpribor“ seine Waren normalerweise von chinesischen Großhändlern und Wiederverkäufern bezieht, berichtet Reuters. Weitere Zollunterlagen würden indes belegen, dass der Zwischenhändler mehrere industrielle Automatisierungsgeräte des Herstellers Siemens über den Handelskonzern „Huizhou Funn Tek“ mit Sitz in der chinesischen Provinz Guangdong bezogen habe.
Ohne diese Komponenten wäre Russlands Fähigkeit, den Krieg aufrechtzuerhalten oder auszuweiten, zeitaufwendiger und teurer.
Konrad Muzyka, Rüstungsexperte
Reuters konnte durch einen Abgleich der Siemens-Produktcodes mit den Zoll-Codes zwei von „Huizhou Funn Tek“ gelieferte Leistungsregler zweifelsfrei als Siemens-Produkte identifizieren, heißt es weiter. Die Teile aus deutscher Herstellung stimmen demnach mit den von „BOZ“ bestellten Modellen überein.
Was sagt Siemens zu der Sanktionsumgehung?
Siemens teilte Reuters auf Nachfrage mit, dass man von den Lieferungen an den russischen Sprengstoffhersteller nichts wisse. Ein Siemens-Sprecher betonte, dass das Unternehmen sich strikt an internationale Sanktionen halte und dies auch von seinen Kunden und Abnehmern verlange. Allerdings gab der Sprecher zu bedenken, dass einige Siemens-Waren ohne Wissen des Konzerns nach Russland gelangt sein könnten.
Weder der sibirische Sprengstoffhersteller „BOZ“ noch der russische Zwischenhändler „Techpribor“ reagierten auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur.
Rüstungsexperte: Komponenten sind „oft unersetzbar“
Reuters berichtet, dass der Kauf automatisierter Werkzeugmaschinen für das russische Verteidigungsministerium von enormer Bedeutung sei, um seinen Bestrebungen nach einer Erhöhung der Munitionsproduktion nachzukommen.
Der polnische Rüstungsexperte und Direktor der Militärberatungsfirma „Rochan“, Konrad Muzyka, berichtete der Nachrichtenagentur, dass derartige Lieferungen westlicher Bauteile nach Russland den anhaltenden Ukrainekrieg durchaus verlängern könnten. Immerhin unterstützten die Waren Moskaus Aufrüstungsbestrebungen in nicht unerheblichem Maße.
„Diese hochpräzisen Komponenten sind in fortschrittlichen Fertigungsprozessen, darunter Raketenproduktion, Drohnenmontage und Panzerüberholung, oft unersetzbar“, betonte Muzyka. „Ohne sie wäre Russlands Fähigkeit, den Krieg aufrechtzuerhalten oder auszuweiten, zeitaufwendiger, teurer und würde den Arbeitsmarkt stärker belasten.“
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