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Geleaktes Telefonat: Wer sind die beiden Russen, die den USA die Wunschliste von Putin unterjubelten?
Ein enthülltes Telefon legt nahe, dass Trumps Gesandter Witkoff die Russen ermunterte, ihren eigenen „Friedensplan“ zu entwerfen. Das dürften vor allem zwei Männer ausgenutzt haben.
Stand:
Die Aufregung um Donald Trumps sogenannten 28-Punkte-Plan für ein Kriegsende in der Ukraine reißt nicht ab. Zwar scheint das heftig kritisierte Dokument, das der US-Präsident dem von Russland angegriffenen Land eigentlich bis zu diesem Donnerstag aufzwingen wollte, zumindest in seiner Ursprungsform wieder vom Tisch zu sein. Ein Alternativplan, in den auch ukrainische Positionen einflossen, wird aktuell verhandelt – Ausgang ungewiss.
Doch auch eine Woche, nachdem die 28 teils sehr russlandfreundlichen Punkte plötzlich in US-Medien aufgetaucht waren, kommen immer neue Details ans Licht, die erahnen lassen, wie knapp die Ukraine einem riesigen Desaster entkommen sein könnte. Denn allem Anschein nach handelte es sich bei dem Plan um das Ergebnis eines abgekarteten Spiels zwischen Moskau und dem besonders russlandnahen Flügel der Trump-Administration.
Darauf lässt unter anderem ein geleaktes Telefonat zwischen dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem russischen Präsidentenberater Juri Uschakow schließen, das die Nachrichtenagentur Bloomberg Mittwoch veröffentlichte.
In der rund fünf Minuten langen Konversation gibt Witkoff seinem russischen Gesprächspartner Tipps, wie Kremlchef Wladimir Putin seine eigenen Waffenruhe-Bedingungen gegenüber Trump am besten verkaufen könne – nämlich, indem er sie als russisch-ukrainisches Äquivalent für den Gaza-Friedensplan darstellen soll.
Trumps Verhandler und Golf-Buddy erklärt euphorisch, dass man „das Russland-Ukraine-Ding“ auf diesem Weg schon irgendwie „gelöst“ bekomme – so gut sogar, dass „jeder vor Freude in die Luft springen wird“. Uschakow bedankt sich mehrmals für die Ratschläge („Super, super. Vielen Dank. Danke.“) und verspricht, alle Informationen an seinen „Boss“ weiterzuleiten. Das Gespräch ist auf den 14. Oktober datiert. Rund fünf Wochen später war der 28-Punkte-Plan in der Welt.
Die Spur führt nach Moskau
Geleakt wurde er möglicherweise von einem anderen Mitglied der russischen Machtelite, sein Name ist Kirill Dmitrijew. Offiziell trägt seine Position den Titel „Sonderbeauftragter des Präsidenten der Russischen Föderation für Investitions- und Wirtschaftszusammenarbeit mit ausländischen Staaten“. Inoffiziell besteht seine Hauptaufgabe seit Monaten darin, die Beziehungen zur Trump-Administration zu verbessern.
Den Verdacht, dass es Dmitrijew war, der den Plan Mitte November an das US-Medium Axios durchstach, setzte Witkoff höchstpersönlich in die Welt – wenn wohl auch versehentlich.
Der Amerikaner, der allem Anschein nach die Social-Media-Plattform X mit einem privaten Nachrichtenchat verwechselte, schrieb damals unter der Enthüllungsartikel-Ankündigung eines Axios-Reporters: „Er muss das von K. bekommen haben.“ Mit K., so waren sich viele Beobachter einig, war Kirill Dmitrijew gemeint.
Kurz darauf war der Tweet wieder gelöscht. Die Screenshots jedoch, die im Internet kursieren, sind nicht mehr rückgängig zu machen.
Ebenso wenig wie die Häme, die Witkoff traf. Denn es war nicht das erste Mal, dass der 68-Jährige sich in aller Öffentlichkeit blamierte. Erst im Sommer hatte Trumps Gesandter für die verschiedenen Krisenherde der Welt für große Verwirrung gesorgt, weil er bei einem Gespräch mit Putin im Kreml inhaltlich offenbar so wenig verstanden hatte, dass die Europäer im Anschluss mehrfach nachfragen mussten.
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Viele Experten führen den dilettantischen Umgang mit anderen politischen Schwergewichten darauf zurück, dass der 68 Jahre alte Immobilieninvestor bis vor einigen Monaten auf internationalem Diplomatie-Parkett komplett unerfahren war.
Diese Schwäche, so scheint es, haben sich nun Juri Uschakow und Kirill Dmitrijew zunutze gemacht – indem sie den Amerikanern Putins Wunschliste für ein Waffenruhe-Abkommen unterjubelten und es ihnen als vermeintlichen Friedensplan verkauften. Doch wer sind die beiden Russen überhaupt?
Uschakow: Putins loyaler Helfer
Juri Uschakow, 1947 in Moskau geboren, ist seit 2012 außenpolitischer Berater des russischen Präsidenten. Bis 2008 war der Absolvent des Moskauer Staatlichen Instituts für internationale Beziehungen Botschafter in Washington, anschließend kehrte er in seine Heimat zurück.
Auf Reisen sieht man Uschakow oft an Putins Seite, er unterstützt den Kremlchef vor und während Treffen mit ausländischen Staats- und Regierungschefs. Uschakow war im August beim russisch-amerikanischen Gipfeltreffen in Alaska dabei, ebenso Anfang des Jahres bei Verhandlungen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad.

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Er gilt als extrem loyal, wenn auch nur bedingt charismatisch. Eine Weile lang gab es in russischen Medien Gerüchte, er könne bald in Rente gehen, seines Alters wegen. Doch das ist mittlerweile einige Jahre her – und der 78-Jährige mit den grau melierten Haaren ist immer noch da.
„Uschakow ist für Putin ein sicherer Mann, jemand, mit dem er Erfahrung hat“, sagt Alexander Gabuev, der früher für die russische Tageszeitung „Kommersant“ direkt aus dem Kreml-Umfeld berichtete und heute aus dem Berliner Exil heraus die Denkfabrik Carnegie Russia Eurasia Center leitet. „Putin mag es nicht, die Mitglieder seines Teams allzu häufig auszuwechseln – erst recht nicht diejenigen, die im Bereich der nationalen Sicherheit tätig sind.“
Außerdem kenne Uschakow das russische Außenministerium gut – auch das mache ihn aus Putins Sicht wertvoll, fügt Gabuev hinzu. „Er versteht, wie die Behörde funktioniert“, sagt der Politologe. „Es besteht keinerlei nennenswerte Rivalität oder gar Feindseligkeit zwischen ihm und Außenminister Sergej Lawrow.“
„Gerissener Finanzmann“ Dmitrijew
Kirill Dmitrijew wiederum, 28 Jahre jünger als Uschakow, ist eine deutlich schillerndere Figur. Auf seinem Account auf der Social-Media-Plattform X heißt es auf Englisch, es gebe dort nur „positive Einblicke“, dahinter hat Dmitrijew einen Friedenstauben-Emoji platziert.
Dmitrijew ist jemand, der viele Leute in der Elite kennt, vor allem aus der zweiten Generation: Putins Kinder, die Kinder des ehemaligen FSB-Chefs Nikolai Patruschew und so weiter.
Alexander Gabuev, Kreml-Experte
Mitte der 1970er-Jahre wurde der heute 50-Jährige in Kyjiw geboren – allerdings, wie es ihm einst in einem Interview wichtig zu betonen war: „nicht in der Ukraine, sondern in der UdSSR“.
Dmitrijew spricht fließend Englisch, hat an der US-Elite-Universität Stanford Wirtschaft studiert und später einen weiteren Abschluss in Harvard gemacht. Er arbeitete als Investmentbanker bei Goldman Sachs, war Berater bei McKinsey und kehrte um die Jahrtausendwende nach Moskau zurück.

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Wann genau er in die obersten Ränge des russischen Machtzirkels aufstieg, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass er 2011 zum Chef des neu gegründeten nationalen Fonds für Direktinvestitionen ernannt wurde, der wiederum Jahre später großflächig in die Entwicklung und Vermarktung des russischen Covid-Impfstoffs Sputnik investierte.
Seit Trumps Amtsantritt macht Dmitrijew sich zunehmend auch als internationaler Verhandler einen Namen – insbesondere, wenn es darum geht, die Gesprächskanäle ins Weiße Haus auszubauen. Ebenso wie Uschakow war auch er in Alaska mit dabei, Ende Oktober traf er Medienberichten zufolge außerdem Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner.
„Dmitrijew ist ein ziemlich gerissener, kompetenter Finanzmann – und zugleich jemand, der von seiner eigenen PR besessen ist“, sagt Alexander Gabuev. „Er ist ziemlich mediengewandt und weiß, wie man Journalisten manipuliert.“
Dass er mit einer Freundin von Putins Tochter Katerina Tichonowa verheiratet ist, habe seinen Beziehungen zum Präsidenten sicher genutzt, ist der Kreml-Experte sicher. „Er ist jemand, der viele Leute in der Elite kennt, vor allem aus der zweiten Generation: also Putins Kinder, die Kinder des ehemaligen FSB-Chefs Nikolai Patruschew und so weiter.“
Sich einen Zugang zu Witkoff und anderen Mitgliedern der Trump-Administration zu verschaffen, sei für Dmitrijew wohl ebenfalls ein Leichtes gewesen, da er schnell verstanden habe, dass dort vor allem Geld und persönliche Kontakte zählen. „Diese Öffnung und dieser Kontakt“, sagt Gabuev, „wurden vom Kreml seither ausgenutzt“.
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