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Katalanischer Separatistenführer Carles Puigdemont in Barcelona.

© REUTERS/Nacho Doce

Update

Großfahndung nach Puigdemont: Katalanischer Separatistenchef soll wieder in Belgien sein

Der katalanische Separatistenchef Puigdemont wird wegen eines Abspaltungsversuch 2017 mit Haftbefehl gesucht. Jetzt taucht er nach sieben Jahren im Exil auf, hält eine Rede – und taucht wieder im Ausland unter.

Stand:

Der per Haftbefehl gesuchte katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont hat sich nach Worten des Generalsekretärs seiner Partei Junts nach seinem Blitzbesuch am Donnerstag in Barcelona schon wieder Richtung Belgien abgesetzt.

Sein Plan sei, weiterhin von Waterloo aus zu arbeiten, sagte Generalsekretär Jordi Turull dem katalanischen Radiosender RAC1. Puigdemont sei bereits seit Dienstagabend in Barcelona gewesen. Die katalanische Polizei warb bei einer Pressekonferenz um Verständnis für den Fehlschlag bei der geplanten Festnahme Puigdemonts.

Wichtigste Ziele seien am Donnerstag die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Absicherung der Neuwahl eines katalanischen Ministerpräsidenten im Parlament in Barcelona gewesen, sagte Chefkommissar Eduard Sallent. Diese Aufgaben seien erfüllt worden. Warum die Festnahme Puigdemonts nicht gelungen sei, müsse noch eingehender analysiert werden.

Zuvor hatte schon Puigdemonts Rechtsanwalt Gonzalo Boye betont, sein Mandant befinde sich wieder außerhalb Spaniens. Puigdemont hatte die meiste Zeit seit seiner Flucht ins Ausland am 30. Oktober 2017 nach der von ihm betriebenen gescheiterten Abspaltung Kataloniens von Spanien in Belgien gelebt. Zuletzt hatte er sich auch zeitweise in Südfrankreich aufgehalten.

Großfahndung „Käfig“

Die spanische Polizei hat in Barcelona eine Großfahndung unter dem Codenamen „Käfig“ zur Ergreifung des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont eingeleitet. An allen größeren Ausfallstraßen aus der Millionenmetropole am Mittelmeer wurden Straßensperren errichtet.

Am frühen Nachmittag wurde bekannt, dass die spanische Polizei einen ihrer Kollegen unter dem Verdacht festgenommen hat, Puigdemont beim Untertauchen geholfen zu haben. Der Beamte habe das weiße Auto zur Verfügung gestellt, mit dem Puigdemont nach einer kurzen Rede vor Anhängern im Zentrum der Stadt entkommen sein soll, schrieben die Zeitungen „El País“ und „La Vanguardia“ unter Berufung auf Polizeiquellen. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

Polizisten kontrollierten jedes Fahrzeug, das aus der Stadt herauswollte, wie im staatlichen TV-Sender RTVE zu sehen war. In einigen Fällen wurden die Kofferräume kontrolliert, Motorradfahrer mussten den Helm abnehmen. Die Zeitung „El País“ spricht von surrealen Szenen.

Straßensperre der spanischen Polizei.

© AFP/Manaure Quintero

Puigdemont war am Donnerstagmorgen nach fast sieben Jahren im Exil im Zentrum Barcelonas aufgetaucht. Umringt von führenden Politikern seiner Partei Junts ging er unbehelligt zu Fuß durch die Straßen und grüßte links und rechts. Die Polizei, die mit starken Sicherheitskräften vor Ort war, griff nicht ein, obwohl ein Haftbefehl gegen den 61-Jährigen besteht.

Puigdemont war nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 und der anschließenden gescheiterten Abspaltung heimlich in einem Auto außer Landes geflohen.

Die zuständigen Sicherheitskräfte hätten sich auf alle möglichen Entwicklungen vorbereitet, nur nicht auf eine erneute Flucht Puigdemonts, nachdem er ja freiwillig nach Spanien eingereist war, schrieb „La Vanguardia“ unter Berufung auf Polizeiquellen. Alle Mitglieder der katalanischen Polizeieinheit Mossos d’Esquadra, einer Art Landespolizei, die für die Festnahme Puigdemonts zuständig war, seien erschüttert über das Versagen.

Puigdemont hält kurze Ansprache vor Anhängern

Im Anschluss an seinen Spaziergang durch die Straßen Barcelonas hielt Puigdemont eine kurze Ansprache vor einigen Tausend Anhängern in unmittelbarer Nähe des Regionalparlaments, wo die Wahl des Sozialisten Salvador Illa zum neuen Ministerpräsidenten Kataloniens anstand. „Heute bin ich hierhergekommen, um Sie daran zu erinnern, dass wir immer noch da sind, weil wir kein Recht haben, aufzugeben“, sagte er und bezog sich auf seinen Kampf für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien.

„Wir haben kein Interesse daran, in einem Land zu leben, in dem die Amnestiegesetze nicht amnestieren“, fügte Puigdemont hinzu. Er bezog sich auf die Weigerung der Justiz, die beschlossene Amnestie für Separatisten auch auf ihn anzuwenden.

Carles Puigdemont bei seiner Ansprache an Anhänger in Barcelona.

© Imago/David Zorrakino

Unterdessen begann im Parlament die Sitzung zur Wahl Illas. Illas wäre seit Jahren der erste regionale Regierungschef Kataloniens, der für einen Verbleib der wohlhabenden Region bei Spanien eintritt.

Puigdemont hatte angekündigt, er wolle an der Parlamentssitzung teilnehmen. Das sei sein demokratisches Recht als gewählter Abgeordneter. Aber statt nach seiner Rede zum Parlament zu ziehen, tauchte er in der Menge unter. Die Polizei hatte sich Medienberichten zufolge darauf konzentriert, ein Vordringen von Puigdemont ins Parlament zu verhindern. Sogar Tunnel unter dem Parlamentsgebäude seien kontrolliert worden.

Rätselraten nach Verbleib Puigdemonts

Auf Fernsehbildern war Puigdemont jedoch kurz nach der Rede nicht mehr zu sehen und spanische Medien rätselten, wo er abgeblieben sein könne. Die führenden Mitglieder seiner Partei schritten in aller Ruhe und wortlos durch die Menschenmenge Richtung Parlament, aber Puigdemont war da schon untergetaucht. Dass ihm trotz eines Amnestiegesetzes für Separatisten die Festnahme droht, liegt an der umstrittenen Auslegung des Gesetzes durch die Justiz.

Das Amnestiegesetz schließt Fälle persönlicher Bereicherung von einer Strafverschonung aus. Obwohl Puigdemont nicht vorgeworfen wird, öffentliche Gelder in die eigene Tasche gesteckt zu haben, wirft ihm der Ermittlungsrichter Pablo Llarena persönliche Bereicherung vor. Denn für seine illegalen politischen Ziele bei dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 habe er statt eigenen Geldes öffentliche Mittel verwendet und das komme einer persönlichen Bereicherung gleich, lautet die Argumentation.

Schwere Kritik an der spanischen Justiz übte Kataloniens Innenminister, Joan Ignasi Elena. Es gebe eine „unnormale Situation“, in der sich ein Richter weigere, ein Amnestiegesetz auf die Personen anzuwenden, für die es gemacht wurde, sagte der Minister bei der Pressekonferenz.

Illas Partei war aus der vorgezogenen Wahl im Mai als stärkste Kraft hervorgegangen, benötigt aber die Unterstützung der linken Separatistenpartei ERC, die durch Zugeständnisse bei Finanzfragen und der Förderung der katalanischen Sprache erreicht wurde. Wenn es jedoch bis zum 25. August keine neue Regierung gibt, müsste erneut gewählt werden.

Bei seiner Bewerbungsrede im Parlament versprach er eine Stärkung Kataloniens und setzte sich für eine vollständige Anwendung der Amnestie auf Separatisten ein.

Unterstützer sorgen für Verwirrung

Während die spanische Polizei bisher erfolglos nach dem katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont fahndet, stiften Unterstützter eher Verwirrung. Puigdemont habe ihn gebeten mitzuteilen, es sei „gesund, sicher und vor allem frei“, schrieb der katalanische Liedermacher und Chef der separatistischen Bürgerbewegung ANC auf der Plattform X. Aber kein Wort dazu, wo der 61-Jährige ist und was er mit der erneuten Flucht bezweckt.

Puigdemonts Rechtsanwalt Gonzalo Boye schien sich über die Aufregung eher lustig machen zu wollen. Die Rückkehr seines Mandanten am Vortag aus fast sieben Jahren Exil nach Barcelona, seine kurze Kampfrede vor Tausenden Anhängern und sein anschließendes Verschwinden unter den Augen der Polizei stellte er als normalen Arbeitsalltag dar. „Er hat seine politische Arbeit erledigt und ist nach getaner Arbeit nach Hause gegangen, wie das jeder tut“, sagte er Journalisten. Wo dieses Zuhause sei, werde er nicht preisgeben. Auf jeden Fall werde sich Puigdemont „niemals stellen“.

Puigdemont hatte die meiste Zeit seines Exils in Belgien verbracht, sich zuletzt aber auch in Südfrankreich aufgehalten. Vor der Flucht 2017 lebte er in Girona.(dpa, Tsp)

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