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„Haben nachrichtendienstliche Belege“: BND-Chef Kahl warnt vor russischem Angriff auf Nato-Staaten
Bruno Kahl ist sich sicher: Russland wird in Osteuropa angreifen, wenn das Bündnis keine Einigkeit und Stärke zeigt. Er ist nicht der Erste, der solch eine Warnung ausspricht.
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Die Stimmen werden lauter. Bruno Kahl, der sonst interviewscheue Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), hat am Montag erneut und eindrücklich vor einem russischen Angriff auf Nato-Territorium gewarnt. Damit reiht Kahl sich in eine lange Liste warnender Stimmen aus dem Westen.
„Wir sind sehr sicher und haben dafür auch nachrichtendienstliche Belege, dass die Ukraine nur ein Schritt auf dem Weg nach Westen ist“, sagte Kahl im Podcast „Table.Today“.
Solch ein Angriff würde in der Theorie den Bündnisfall der Nato (North Atlantic Treaty Organization) bedeuten. Das heißt: Wenn Russland ein Nato-Mitglied angreifen sollte, würden Deutschland und andere Bündnismitglieder nach Artikel 5 des Nato-Vertrags das angegriffene Land militärisch verteidigen müssen.
Nicht nur deutsche Politiker warnen vor einem russischen Angriff
Der BND-Chef steht mit seiner Warnung in Deutschland nicht allein da. Im Sommer 2024 sprach der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) von einem möglichen militärischen Schlag Russlands gegen einen Nato-Staat ab 2029. Die estnische EU-Außenbeauftragte, Kaja Kallas, sagte im Januar, dass „Russland in drei bis fünf Jahren die Verteidigungsbereitschaft der EU testen könnte“. Und der litauische Präsident, Gitanas Nausėda, sagte der „Bild“, Russland würde sich in seinem Expansionsdrang „nicht auf die Ukraine beschränken.“
Sönke Neitzel, Militärhistoriker und Professor an der Universität Potsdam, hat im April gar von einem „letzten Friedenssommer für uns Deutsche“ gesprochen. Laut Neitzel könnte ein russischer Angriff auf Nato-Gebiet also nicht Ende der 2020er Jahre erfolgen, sondern sogar schon innerhalb des kommenden Jahres.
Diesen Sommer will Ralph Tiesler, Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ein Schutzraumkonzept für eine Million Menschen vorstellen, um auf das „Risiko eines großen Angriffskriegs in Europa“ zu reagieren.
Artikel 5 - nur ein Lippenbekenntnis?
Aber warum sollte Russland ein Nato-Mitglied, zum Beispiel Litauen, Lettland oder Estland angreifen? Schließlich würde Artikel 5 des Nato-Vertrags weitere Mitglieder wie Deutschland oder die USA zur militärischen Hilfe der Angegriffenen verpflichten.
BND-Chef Kahl schlussfolgert aus gewonnenen Informationen seines Nachrichtendienstes, dass der Kreml die Kraft des Verteidigungsbündnisses nicht mehr ernst nimmt: „In Moskau gibt es Leute, die glauben nicht mehr, dass Artikel 5 der NATO funktioniert. Und sie würden das gerne testen.“
Für solch einen „Test“ wäre kein groß angelegtes Massenmanöver nötig. Russland müsste „keine großen Bombenangriffe fliegen oder Panzerarmeen in Bewegung setzen“, erklärte Kahl im „Table.Today“-Podcast. Denkbar wäre der Einsatz „kleiner grüner Männchen“, also russischer Militärtruppen ohne Hoheitszeichen ihres Landes, die im angegriffenen Land als „Separatisten“ innenpolitische Unruhe erzeugen. Ein Vorgehen, das sich in der Ukraine ab 2014 als erfolgreich erwiesen hat.
Sollte der Test von Artikel 5 für Russland erfolgreich verlaufen, könne das Ziel der Putinschen Elite weiterverfolgt werden: Laut Kahl ist ihr Ziel, „den Einflussbereich nach Westen auszudehnen“. Weiter mahnt Kahl: „Sie wollen die NATO zurückkatapultieren auf den Stand von Ende der 90er Jahre.“
Um es nicht dazu kommen zu lassen, glaubt Kahl nur an die Lösung der militärischen Abschreckung. Für ihn gibt es „nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Putin an seiner Denke, in seiner aggressiven Art und Weise, dieses Problem zu Ende bringen zu wollen, etwas geändert hat“.
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