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Hamas und Israel einigen sich auf Geiseldeal: Ein historisches Abkommen ist noch kein Frieden
Darauf haben die Menschen in Gaza und Israel lange gewartet: Die Waffen sollen schweigen, die Geiseln heimkehren. Trumps Deal gibt Anlass zu Hoffnung, aber für Frieden in Nahost braucht es mehr.

Stand:
Es fällt oft schwer, Donald Trump zuzustimmen. Er, der immer nur sich selbst sieht und lobt. Doch dieses Mal hat der US-Präsident recht: Das Zustandekommen eines Geiseldeals sei ein „großartiger Tag für die arabische und muslimische Welt, Israel, alle umliegenden Nationen und die Vereinigten Staaten von Amerika“.
Das Abkommen ist fraglos nach dem fürchterlichen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem verheerenden Krieg in Gaza ein historisches Ereignis.
Noch vor wenigen Wochen schien eine Einigung zwischen den beiden Todfeinden in weiter Ferne zu liegen – jetzt sollen die Gefangenen der Islamisten endlich freikommen.
Mehr als 730 Tage Martyrium liegen hinter den vermutlich noch 20 lebenden Geiseln. Wenn alles gut geht – und das ist im Nahen Osten keinesfalls eine ausgemachte Sache – können sie am Montag endlich zu ihren Liebsten heimkehren.
Das allein ist eine gute Nachricht. Wenngleich sie zu spät kommt. Denn viele der insgesamt 250 vor zwei Jahren Verschleppten sind nicht mehr am Leben.
Ein Tag des Glücks und der Trauer
Für die einen wird der Montag deshalb ein Tag des Glücks sein, der Freude, der Dankbarkeit. Für die anderen ein zutiefst trauriger Tag der Gewissheit, dass sie von ihren Verwandten und Freunden endgültig Abschied nehmen müssen. All ihre Hoffnungen sind zerstört.

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Auch den Zehntausenden Menschen, die durch israelische Angriffe getötet wurden, kann der Deal nicht mehr helfen. Dennoch verheißt das Abkommen für die Palästinenser die seit Langem und mit Abstand größte Chance auf eine ersehnte Waffenruhe, die diesen Namen auch verdient.
Das Sterben, die Zerstörung, die Not und der Hunger könnten ein Ende finden. Es wäre ein Segen nach all dem Leid, das durch den Terrorangriff der Islamisten und dem daraus resultierenden Krieg über sie gekommen ist. Die Dauer-Bombardements, die Vertreibungen, sie würden aufhören. Zumindest bis auf Weiteres.
Niemand kann voraussagen, ob die Waffenruhe Bestand haben wird.
Christian Böhme
Denn niemand kann derzeit mit Sicherheit voraussagen, ob die Feuerpause Bestand haben wird. Sich über die Freilassung der Geiseln zu verständigen, dürfte der Regierung in Jerusalem und der Führungsriege der Hamas vergleichsweise leicht gefallen sein. Die richtig dicken Brocken liegen aber noch vor ihnen.

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Das liegt an Trumps 20-Punkte-Friedensplan, der lediglich bei den Regelungen für die Rückkehr der Entführten halbwegs konkret ist. Die Antworten auf andere gewichtige Fragen bleiben im Ungefähren. Das ist ein wesentliches Manko der Vorschläge des US-Präsidenten und seiner Berater.
Wird sich Israels Armee bis an die Grenzen des Gazastreifens zurückziehen, wie das die Hamas fordert? Oder bleiben die Streitkräfte an Orten, die ihnen strategisch wichtig erscheinen? Werden die extremistischen Kräfte im Kabinett von Benjamin Netanjahu klein beigeben?
Was macht die Hamas?
Ebenso entscheidend für eine Waffenruhe auf Dauer: Lässt sich die Hamas darauf ein, ihre Waffen und damit ihre Macht abzugeben? Stimmt sie ihrem eigenen Ende als „Widerstandsbewegung“ zu? Wer daran glaubt, verkennt, dass die Islamisten Überzeugungstäter sind: Der Hass auf Israel und Juden gehört zu ihrer ideologischen DNA. Daran ändert auch nichts, dass die Hamas den Krieg nun für beendet erklärt.
Ebenso unklar ist, ob die Idee einer Technokraten-Übergangsverwaltung für Gaza funktionieren kann. Dieses Modell mag jetzt als ein gangbarer Weg erscheinen, um Ruhe einkehren zu lassen.
Doch die Menschen im Küstenstreifen dürften protestieren, wenn ihnen ohne jede Mitsprache eine Regierung aufgezwungen wird. Das erhöht nicht gerade die Bereitschaft zur Akzeptanz.

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Dennoch: Der vom US-Präsidenten erzeugte Druck hat immerhin Bewegung in einen völlig festgefahrenen Konflikt gebracht. Das ist sein Verdienst. Es ist Trumps Triumph. Das weiß er und genießt es.
Der Mann mit dem mächtigen Ego ist gedanklich sogar schon einen gewaltigen Schritt weiter. Trump sieht „ewigen Frieden“ am Horizont über dem Nahen Osten aufziehen. Ein goldenes Zeitalter des Wohlstands und Zufriedenheit stehe dank seiner bevor. Was großspurig klingt, ist es auch.
Weder werden die Feinde Israels von ihrem Kampf gegen den die „Zionisten“ ablassen, noch wird der jüdische Staat auf militärische Gefahrenabwehr verzichten. Die vergangenen zwei Jahre mit ihren Kriegen und Konfrontationen haben Netanjahu davon überzeugt, dass allein Waffengewalt die Sicherheit seines Landes gewährleisten kann.
Nach ewigem Frieden klingt das alles nicht. Deshalb wäre schon sehr viel erreicht, wenn die noch lebenden Geiseln heimkehren würden und der Krieg in Gaza wenigstens eine Pause macht. Zumindest diese beiden Hoffnungen haben ihre Berechtigung.
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