
© Imago/Depositphotos (Symbolbild)
„Ich bin seit fünf Tagen angekettet“ : Russischer Soldat setzt während Disziplinarstrafe „Birkenumarmung“ Notruf ab
Ein russischer Soldat berichtet von einer brutalen Bestrafungsmethode an der Front – durchgeführt von den eigenen Männern. Ob der Mann immer noch an den Baum gekettet ist, bleibt unklar.
Stand:
Ein russischer Unteroffizier soll nahe der ukrainischen Stadt Awdijiwka in der Oblast Donezk durch einen Oberst mit einer höchst umstrittenen Disziplinarmaßnahme malträtiert worden sein. Das geht aus einem Bericht des russischen Medienprojektes „Sibir.Realii“ hervor, der am 30. August veröffentlicht wurde.
Demnach soll der 37-jährige russische Soldat durchgehend fünf Tage lang an einen Baum gekettet worden sein. Mithilfe eines Mobiltelefons, das dem Mann aus Nowosibirsk dem Bericht zufolge von einem anderen Kameraden zugesteckt wurde, soll der Angekettete schließlich einen Notruf abgesetzt haben.
„Hilfe! Ich bin seit fünf Tagen angekettet. Sie schlagen uns und drohen, uns umzubringen“, soll der 37-Jährige zunächst via Nachricht an seine Frau und einen Freund geschrieben haben. Der Soldat habe von weiteren Misshandlungen berichtet, heißt es weiter. Die Frau habe „Sibir.Realii“ zufolge schließlich den russischen Inlandsgeheimdienst FSB kontaktiert und dort „eine Beschwerde über die Schläge, Folter und Todesdrohungen“ eingereicht, allerdings bis heute keine Antwort erhalten. Später soll auch ein Journalist von „Sibir.Realii“ Kontakt zu dem Soldaten gehabt haben.
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Unabhängig überprüfen ließ sich der Bericht bislang nicht. „Sibir.Realii“ habe sich dazu entschlossen, den Namen des Verfassers nicht zu veröffentlichen, da dem Medienprojekt sonst „eine strafrechtliche Verfolgung nach dem Gesetz zur Bekämpfung unerwünschter Organisationen in Russland“ drohe, heißt es in der Reportage.
Der 37-Jährige soll ein mobilisierter Mann aus Nowosibirsk sein, berichtet „Sibir.Realii“ unter Berufung auf ein Telefongespräch, dass der russische Soldat heimlich mit einem der Journalisten geführt haben soll. Der Unteroffizier habe außerdem Fotos geschickt, die ihn selbst angekettet an einem Baum zeigen sollen. Die Bilder seien von Kameraden aufgenommen worden.
Russischer Soldat offenbar wegen Behördenfehler an der Front
Der Mann sei seit dem 26. August auf Befehl seines Kommandanten nahe der Kleinstadt Awdijiwka an einem Baum angekettet. Bereits 2022 wurde der Nowosibirsker mobilisiert und an die Front in die Region Luhansk geschickt, wo er „heftige Angriffe“ überlebte.
Du wirst bei dem Angriff sterben oder wir werden dich erschießen und dich als Gefechtsopfer abschreiben.
Vorgesetzte zu dem russischen Soldaten (Quelle: „Sibir.Realii“)
Im Juli 2024 durfte der Russe in seine Heimat zurückkehren. Aufgrund eines bürokratischen Fehlers sei er allerdings als Deserteur geführt und vom den russischen Behörden zurück in die Ukraine geschickt worden, heißt es in dem Bericht. „Es stellte sich heraus, dass mein altes Regiment aufgelöst wurde, ich einer neuen Truppe zugeteilt wurde und auf der Fahndungsliste stand“, so der Soldat.
Am Stützpunkt in der Nähe von Awdijiwka angekommen, sei der Nowosibirsker „entsetzt über die dortigen Zustände“ gewesen. „Das Kommando läuft betrunken herum, pöbelt Soldaten an und behandelt uns Neulinge wie Scheiße“, heißt es in der Reportage. Als der 37-Jährige „zunächst höflich“ an seinen Oberst appelliert habe, ihn besser zu behandeln, habe dieser befohlen, ihn an die Kette zu legen. Ob der Soldat immer noch am Baum festgekettet ist und wie sein derzeitiger Zustand ist, ließ der Bericht bislang offen (Stand: 5. September).
Baumankettung als Zuchtmaßnahme offenbar „normal“
Dem Bericht zufolge bestätige die Frau eines anderen mobilisierten Soldaten desselben Regiments die fragwürdigen Zustände und Disziplinarmaßnahmen vor Ort. „Solche Praktiken sind dort normal“, so die Angehörige.
Die Soldaten haben oft mehr Angst vor ihren eigenen Befehlshabern als vor dem Feind.
Militärblogger „ChrisO_wiki“
„Man schlägt einen Menschen, legt ihn an eine Kette und wirft ihn in eine Grube. Dann droht man, ihn zu töten und schreibt seinen Tod als Gefechtstod ab.“ Die Frau beklagt: „Die Leute werden wirklich umgebracht. Da hilft keine Staatsanwaltschaft.“
Militärblogger: „Brutalität in russischer Armee hat lange Tradition“
Dem Militärblogger und Autor „ChrisO_wiki“ zufolge handele es sich bei der militärischen Disziplinarmaßnahme, die auch als „Birkenumarmung“ bezeichnet wird, um eine „illegale Art der Bestrafung“. Der Militärblogger kommentierte den Bericht der „Sibir.Realii“ am vergangenen Montag via X mit den Worten: „Die Soldaten haben oft mehr Angst vor ihren eigenen Befehlshabern als vor dem Feind.“
Allerdings habe „Brutalität in der russischen Armee eine lange Tradition, die bis in die Zarenzeit zurückreicht“. Demnach seien „prophylaktische Schläge“ durch Vorgesetzte auch heute noch an der Tagesordnung, so der Militärblogger.
Während des Zarismus hätten Offiziere ihre Soldaten „wie eine Art Vieh“ betrachtet, die man beliebig für Arbeitsleistungen einsetzen könne und die nur „nur wenig Ruhe, Nahrung oder Kleidung“ benötigen würden. „Seitdem scheint sich nicht viel geändert zu haben“, resümiert der Militärblogger hinsichtlich des jüngsten Berichtes auf „Sibir.Realii“.
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