
© AFP/OMAR HAJ KADOUR
Hinweise für Völkermord an Alawiten : Syriens Übergangspräsident will Verantwortliche von Massaker bestrafen
Seit Tagen kommt es zu Kämpfen zwischen Assad-treuen Milizen und Einsatzkräften der syrischen Übergangsregierung. Dabei wurden offenbar auch hunderte Zivilisten der alawitischen Minderheit getötet.
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Der syrische Interimspräsident und ehemalige Milizen-Chef Ahmed al-Scharaa will die Verantwortlichen für das Massaker an Zivilisten in den vergangenen Tagen zur Rechenschaft ziehen. „Syrien ist ein Rechtsstaat. Das Gesetz wird seinen Lauf nehmen“, sagte Scharaa am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Massentötungen von Angehörigen der Minderheit des gestürzten Präsidenten Baschar Al-Assad seien eine Bedrohung für sein Vorhaben, das Land wieder zu vereinen. Für den Ausbruch der Gewalt in den vergangenen Tagen machte Scharaa eine ehemalige, Assads Bruder treu ergebene Militäreinheit und eine nicht näher bezeichnete ausländische Macht verantwortlich, räumte jedoch ein, dass als Reaktion darauf „viele Parteien an die syrische Küste vorgedrungen sind und es zu zahlreichen Verletzungen gekommen ist“. „Es wurde zu einer Gelegenheit für Rache“ für jahrelang aufgestauten Unmut, sagte er.
„Wir haben gekämpft, um die Unterdrückten zu verteidigen, und wir werden nicht hinnehmen, dass ungerechtfertigt Blut vergossen wird oder dass Menschen, die uns am nächsten stehen, ungestraft bleiben oder nicht zur Rechenschaft gezogen werden“, fügte Scharaa hinzu. Er sagte, dass 200 Mitglieder der Sicherheitskräfte bei den Unruhen getötet worden seien, lehnte es jedoch ab, die Gesamtzahl der Todesopfer zu nennen, da eine Untersuchung von einem unabhängigen Gremium noch ausstehe.
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Neue Regierung beendet Militäreinsatz
Das Verteidigungsministerium der syrischen Übergangsregierung hat derweil am Montag das Ende des Militäreinsatzes in der Küstenregion im Westen des Landes verkündet, bei dem Einsatzkräfte Aktivisten und Augenzeugen zufolge Massakern mit hunderten Toten verübt hatten. Der Einsatz sei „erfolgreich“ verlaufen, teilte Ministeriumssprecher Hassan Abel nach Angaben der staatlichen Nachrichtenangentur Sana mit. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hingegen sieht Hinweise auf einen Völkermord an der alawitischen Minderheit in Syrien.
Ministeriumssprecher Abel erklärte weiter, die Kräfte hätten „alle Sicherheitszellen und Regimeüberbleibsel“ in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus „neutralisiert“.
Im an der Mittelmeerküste gelegenen Landesteil Syriens war die Gewalt in den vergangenen Tagen eskaliert. Zunächst hatten Anhänger des im Dezember gestürzten Machthabers Baschar al-Assad Einsatzkräfte attackiert. Daraufhin töteten Einsatzkräfte der neuen Machthaber dutzende der Assad-treuen Kämpfer. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden aber auch mindestens 973 Zivilisten, insbesondere Angehörige der alawitischen Minderheit ermordet.
Zielten die Massaker auf Auslöschung alawitischer Gemeinden?
In Syrien würden alle Alawiten als Anhänger des ehemaligen Präsidenten Baschar al-Assad dargestellt, sagte der Nahostreferent der Menschenrechtsorganisation, Kamal Sido, am Montag in Göttingen. Das Muster ist dem Historiker zufolge bei jedem Völkermord gleich: Eine Gruppe werde als Opfer gebrandmarkt und entmenschlicht, dann werde ihre Vernichtung geplant. Die Bundesregierung müsse alles tun, einen Genozid zu verhindern.
„Unter dem Vorwand, Anhänger des alten Assad-Regimes zu verhaften, werden von den neuen islamistischen Machthabern in Syrien Razzien durchgeführt, bei denen Angehörige der alawitischen Minderheit öffentlich hingerichtet werden“, sagte Sido, der selbst in Nordsyrien geboren wurde. Vor allem Frauen und Kinder seien Opfer dieser Hinrichtungen. Ziel der Massaker sei die Auslöschung der alawitischen Gemeinschaft.
Die Alawiten sind eine religiöse Sondergemeinschaft, die im 9. Jahrhundert im Irak entstanden ist und zum schiitischen Spektrum des Islam gehört. Auch der frühere Präsident Assad und viele ehemalige Führungspersonen in Syrien gehörten zu dieser Gemeinschaft. (Trf, epd, AFP)
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