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Protest gegen Korruption: Wie Bulgariens Gen Z den Haushaltsplan der Regierung stoppte
Was als Kritik am Staatsetat 2026 begann, hat sich zu einem der größten Proteste der jüngeren Geschichte Bulgariens entwickelt. Besonders präsent ist dabei die junge Generation.
Stand:
Dreieck der Macht – so nennen die Bulgaren den Platz zwischen Nationalversammlung, Ministerrat und Präsidentenpalast in Sofia. Diese Woche wurde er zum Schauplatz eines politischen Kampfes um die Zukunft des Landes. Am Montagabend versammelten sich Zehntausende, um gegen die Regierung und die allgegenwärtige Korruption zu protestieren.
Auslöser der Massenproteste war ein umstrittener Haushaltsplan für 2026. Bulgarien tritt am 1. Januar 2026 der Eurozone bei und steht vor der Verabschiedung seines ersten Staatshaushalts in Euro. Das pro-europäische Oppositionsbündnis „Wir setzen den Wandel fort – Demokratisches Bulgarien“ (PP-DB) kritisierte den Entwurf scharf. Er biete – unabhängig von der Währung – Spielraum für Korruption, während er den Mittelstand finanziell unverhältnismäßig belaste. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen rief das Bündnis in den vergangenen Wochen daher mehrfach zu Protesten auf.
Im Korruptionswahrnehmungsindex der Organisation Transparency International landete Bulgarien neben Ungarn und Rumänien auf dem letzten Platz unter den EU-Mitgliedstaaten.

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Was als Demonstration gegen den Haushalt begann, wurde nun zu einem tiefergehenden und grundsätzlichen Ausdruck von Unzufriedenheit. Schätzungen zufolge gingen am Montag allein in Sofia 20.000 Menschen auf die Straße, laut Veranstaltern waren es 50.000. Auch in anderen Städten Bulgariens fanden Kundgebungen statt. Manche Beobachter sprachen vom größten Protest seit den 1990er Jahren. Demonstranten hielten Schilder mit Aufschriften wie „Rücktritt“ oder „Die Gen Z kommt“ in die Höhe. In sozialen Netzwerken wurde die Bewegung wegen der starken Beteiligung junger Menschen als „Gen Z“-Protest bezeichnet.
Assen, 26, Mitglied der Organisation „Active Politics“, berichtete dem Tagesspiegel, dass vor allem junge Menschen eine „transparente und ehrliche Politik“ forderten. Die Gruppe, die sich selbst als überparteilich und unabhängig bezeichnet, organisierte die Demonstranten über Signal-Gruppen und informierte im Vorfeld in den sozialen Netzwerken über den geplanten Haushaltsentwurf. Assen sagte, der Protest zeige, dass die junge Generation in Bulgarien interessiert daran sei, Politik mitzugestalten. In der Vergangenheit war die junge Generation immer wieder als apolitisch und desinteressiert kritisiert worden.

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Die zunächst friedliche Kundgebung eskalierte in der Nacht zu Dienstag vor zwei Parteizentralen in Sofia. Maskierte warfen Knallkörper, Flaschen und Dosen auf die Polizei, die mit Tränengas und Pfefferspray reagierte. Es gab Verletzte auf beiden Seiten. Laut Innenministerium nahm die Polizei 71 Personen wegen Vandalismus fest. Das Oppositionsbündnis PP-DB machte „Provokateure“ für die Ausschreitungen verantwortlich. Assen von „Active Politics“ bedauerte die Gewalt: „Es gab Aggressionen, aber die Mehrheit blieb friedlich und reformorientiert. “
Der umstrittene Haushaltsplan
Nach den Protesten zog das Parlament den umstrittenen Haushaltsentwurf zurück. Am Mittwoch stimmten 201 von 240 Abgeordneten für einen entsprechenden Antrag einer der drei Regierungsparteien. Das Oppositionsbündnis PP-DB forderte daraufhin einen Rücktritt der Regierung und kündigte an, ein Misstrauensvotum anzustoßen. Ex-Premier und Vorsitzender der Regierungspartei Gerb, Bojko Borissow, schloss einen freiwilligen Rücktritt während eines Pressestatements am Mittwoch kategorisch aus.
Der ursprüngliche Haushaltsplan hatte unter anderem eine Erhöhung der Sozial- und Rentenbeiträge um zwei Prozentpunkte sowie eine Verdopplung der Dividendensteuer vorgesehen. Gleichzeitig sollten Gehälter für Staatsbedienstete steigen, darunter für Mitarbeiter des Innenministeriums, der Justiz und der Sicherheitsbehörden.
Vertreter des Oppositionsbündnisses PP-DB, darunter der ehemalige Finanzminister Assen Wassilew, kritisierten, dass der Haushalt eine unzumutbare Belastung für den bulgarischen Steuerzahler und den Mittelstand darstelle. Das Plus im Haushalt würde dafür genutzt werden, die Gehälter von Staatsbediensteten aufzustocken, statt in soziale Infrastruktur zu investieren.
Aufgrund des Drucks der Opposition hatte Gerb-Vorsitzender Bojko Borissow eine Überarbeitung des Haushaltsplans versprochen, dann aber einen Rückzieher gemacht. Dieser Wortbruch löste schließlich den breiten Unmut aus, der in Massenprotesten vom Montag mündete. Eine Anfrage des Tagesspiegel ließ Borissows Partei unbeantwortet.
Bulgarien wird seit Januar 2025 von einer Dreierkoalition aus Konservativen, Sozialisten und Populisten regiert. Nach massiven Anti-Korruptions-Protesten im Jahr 2020 gegen die damalige Regierung unter Premier Bojko Borissow hat das Land innerhalb von dreieinhalb Jahren sieben Parlamentswahlen abgehalten. Die aktuelle Minderheitenregierung gilt als Notlösung und ist auf die Unterstützung der Partei DPS angewiesen, deren Parteichef Deljan Peewski wegen Korruption von den USA und Großbritannien sanktioniert wurde. Viele Slogans und Plakate der Demonstranten richteten sich am Montag auch gegen ihn.
„Diese Regierung wird von Deljan Peewski kontrolliert. Ihr Rücktritt ist der einzige Weg zu einem prosperierenden, freien und europäischen Bulgarien“, sagte Oppositionspolitiker Wassilew dem Tagesspiegel.
Welche Rolle spielt die Einführung des Euro?
Die Einführung des Euro sorgt in Bulgarien für zusätzliche Unsicherheit, doch der Protest am Montag richtete sich nicht dagegen. Die Gruppe der Demonstrierenden sei zwar heterogen gewesen. „Ich habe in Sofia aber keine Schilder oder Forderungen gegen den Euro gesehen“, sagte Asen von „Active Politics“.
Die Bevölkerung ist in der Euro-Frage gespalten: Etwa die Hälfte der Bulgaren befürwortet die Einführung, die andere Hälfte lehnt sie ab. Gegner fürchten Preissteigerungen durch Inflation oder Händler, die die Umstellung ausnutzen könnten. Rechte und pro-russische Parteien wie die Partei „Wiedergeburt“ riefen in der Vergangenheit zu Anti-Euro-Protesten auf. Sie warnen vor einem Verlust der bulgarischen Identität.
Befürworter sehen hingegen Chancen: Der Euro könnte die europäische Integration vertiefen und kleinen sowie mittelständischen Unternehmen Vorteile bringen. Sie müssen künftig keine Umrechnungsgebühren mehr zahlen, wenn sie mit anderen Ländern der Eurozone handeln.
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