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Ukrainische Rekruten trainieren im Gebiet Donezk (Archivbild).

© via REUTERS/UKRAINIAN ARMED FORCES

Illegale Absetzung vom Kriegsdienst: Zahl der ukrainischen Fahnenflüchtigen ist drastisch gestiegen

Nach fast drei Jahren im Krieg verzeichnet die Ukraine hohe Verluste an der Front. Trotz verschärfter Gesetze rekrutiert sie nicht genügend Nachschub. Zudem sind Desertion und Fahnenflucht offenbar große Probleme.

Stand:

Im dritten Kriegsjahr ist die Zahl der ukrainischen Fahnenflüchtigen massiv angestiegen. Statistiken der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden 2024 mehr als 22.000 Fälle von Desertion registriert. Hinzu kommen noch mehr als 62.000 Fälle von eigenmächtigen Fernbleiben von der Truppe.

Gegenüber dem Vorjahr stellt dies bei Deserteuren fast eine Verdreifachung und beim eigenmächtigen Fernbleiben beinahe eine Vervierfachung dar. 

Im Vergleich zum ersten Jahr des Krieges gegen Russland 2022 sind die Steigerungsraten mit einer Versiebenfachung bei Desertionen und einer mehr als Verzehnfachung beim eigenmächtigen Fernbleiben noch drastischer.

In Summe wurden seit Kriegsausbruch fast 120.000 Fälle von Fahnenflucht registriert. Beobachter gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. 

Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zwar in einem kürzlichen Interview von einem Rückgang dieser Fälle im Oktober und November berichtet. In den Daten der Generalstaatsanwaltschaft wird jedoch ein massiver Anstieg im Dezember verzeichnet.

Und eine Verringerung wurde für die genannten Monate nur für die Desertionen verzeichnet. Selenskyj zufolge seien in der ukrainischen Armee gerade 980.000 Soldaten. 

Desertion und eigenmächtiges Fernbleiben von der Truppe sind zwei verschiedene Straftaten. Beide werden daher unterschiedlich stark sanktioniert. Die Strafe für Fernbleiben ist nicht so streng wie für Desertion, da erstere grundsätzlich eine Rückkehr zur Truppe berücksichtigt.

Aufsehenerregende Fälle von Desertion in Vorzeigebrigade

Erst zu Beginn dieses Jahres war bekannt geworden, dass Dutzende ukrainische Soldaten während ihrer Ausbildung in Frankreich desertierten. Den Angaben der französischen Armee zufolge handelte es sich um Mitglieder der 155. mechanisierten Brigade „Anne von Kiew“.

Die Brigade gilt als Vorzeigeprojekt für ukrainische Soldaten, die seit Oktober von Frankreich auf französischem Territorium ausgebildet und ausgerüstet werden sollen. Sie umfasst insgesamt 2300 Rekruten.

Ukrainische Soldaten im Dezember an der Front in der Region Charkiw (Symbolbild).

© REUTERS/Vyacheslav Madiyevskyy/File

Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte das Onlineportal Censor.net berichtet, dass 1700 Soldaten aus der Brigade geflohen seien. Die meisten von ihnen seien desertiert, bevor ihre Einheit überhaupt an die Front geschickt wurde.

Mehr als eine Million Wehrpflichtiger illegal ins Ausland geflohen

Täglich kursieren in sozialen Netzwerken neue Videos mit Jagdszenen nach Wehrpflichtigen und Prügeleien mit Rekrutierern in ukrainischen Städten.

Einem Bericht der „Washington Post“ zufolge konnte die ukrainische Armee trotz verschärfter Gesetze und allgegenwärtiger Werbung für den Militärdienst nur gut 200.000 neue Soldaten im Vorjahr einziehen. Die russische Seite soll zur gleichen Zeit mehr als das Doppelte neuer Soldaten gezogen haben.

Schätzungen der Parlamentsabgeordneten Anna Skorochod zufolge sind seit der Mobilmachung rund 1,2 Millionen wehrpflichtiger ukrainischer Männer illegal ins Ausland geflohen.

Seit der Verhängung des Kriegsrechts können Wehrpflichtige nur noch in Ausnahmefällen das Land verlassen. Viele versuchen die Flucht daher mit gefälschten Dokumenten oder über die grüne Grenze. Weit verbreitet ist auch der Freikauf vom Militärdienst.

Ukraine verzeichnet hohe Verluste auf dem Schlachtfeld

Die Ukraine wehrt sich mit westlicher Hilfe seit fast drei Jahren gegen eine russische Invasion. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte Anfang Dezember erstmals eine Gesamtzahl der ukrainischen Verluste bekanntgegeben.

43.000 ukrainische Soldaten wurden diesen offiziellen Angaben zufolge seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 getötet. Beobachter halten allerdings höhere Toten- und Verletztenzahlen in der ukrainischen Armee für wahrscheinlich.

Zudem habe es 370.000 Fälle gegeben, in denen Verletzten Hilfe geleistet worden sei, teilte er mit. Etwa die Hälfte der Verletzten sei aber in den Kriegsdienst zurückgekehrt.

Auf russischer Seite ist laut Schätzungen die Zahl der gefallenen Soldaten weit größer als bei der ukrainischen Truppe. Recherchen des russischsprachigen Dienstes der britischen Rundfunkanstalt BBC und des unabhängigen russischen Nachrichtenportals „Mediazona“ zufolge liegt sie bei mehr als 82.000. Russland gibt dazu keine offiziellen Zahlen bekannt. (cst, dpa, AFP)

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