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Italien und Katargate: Scham über die eigenen Abgeordneten
Italien nutzt den Korruptionsskandal im Europäischen Parlament zum Blick nach innen. Warum sind so viele Landsleute verwickelt – was tut die Regierung?
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In Italien ist der Korruptionsskandal im Europäischen Parlament seit seiner Entdeckung Ende vergangener Woche immer wieder Aufmacher der großen Zeitungen und wichtigsten Nachrichtensendungen. Doch der Fall um die griechische Vizepräsidentin Eva Kaili rückt dabei in die zweite Reihe.
„Die Pro-Katar-Lobby. EU-Massenverhaftung von Italienern” titelte schon am Samstag Il fatto quotidiano, das Blatt, das sich seit seiner Gründung schwerpunktmäßig der Aufdeckung und Analyse heimischer Korruptionsskandale widmet.
Auch im Corriere della sera, wo inzwischen lesbar vor allem Freude darüber herrscht, dass sich lauter Linke als korrupt herausstellen, war zunächst nur Landsmann Pierantonio Panzeri Thema. Der ist Abgeordneter einer gemäßigt linken Kleinpartei und neben Kaili Hauptbeschuldigter.
Auch Gewerkschaftsführer im Visier der Justiz
Enrico Mentana, Moderator der vielgesehenen Hauptnachrichtensendung des Senders LaSette, sprach am Dienstagabend von einem „Katar-Italien-Gate”. Die Ermittlungen weiteten sich auf immer mehr Verdächtige aus, „die in irgendeiner Weise mit Italien verbunden sind”. Neben Kailis Lebensgefährten Francesco Giorgi und Panzeri sind die belgische Abgeordnete aus italienischer Familie Marie Arena bekannt und Niccolò Figà Talamanca, Chef einer Menschenrechtsintiative namens „No Peace Without Justice“.
Ebenfalls im Visier der belgischen Fahndung ist Luca Visentini. Er führt seit kurzem den weltgrößten Gewerkschaftsdachverband International Trade Union Confederation. Auch der Name des ehemaligen Premiers Massimo D’Alema wird im Zusammenhang erwähnt – obwohl er nicht in die Brüsseler Untersuchungen verwickelt ist. Medienberichten zufolge berät er aktuell katarische Unternehmen, die eine Ölraffinerie auf Sizilien kaufen wollen. Panzeri gilt als einer von D’Alemas treuesten Parteifreunden.
In ihrer Berichterstattung über Brüssel zieht „Il Fatto“ die Linie zu den ersten Vorhaben der Regierung Meloni. Sie will die Abhörmöglichkeiten von Justiz und Polizei auch im Falle schwerster (Finanz-)Kriminalität einschränken und mehr Barzahlung erlauben, was unter anderem Italiens Zentralbank, die Banca d’Italia, heftig kritisiert. Nachdem in dieser Woche auch die EU-Kommission intervenierte, soll dieser Teil des Haushaltsgesetzes jetzt abgemildert werden.
Wenn die Steuerhinterziehung bis 2024 nicht um 15 Milliarden Euro kleiner wird, sind die Milliarden aus Brüssel in Gefahr.
Milena Gabanelli, Datenjournalistin
„Belgien – Italien 10:0” lobte der Kommentar in FQ: Was in Italien „Angriff der Justiz auf politische Gegner” heiße, nenne man im Rest der Welt „Korruptionsvermittlungen”. Und die seien nun einmal verbunden mit Durchsuchungen, Festnahmen, Abhörmaßnahmen.
Kurz vor der Explosion von „Katargate“ hatten die Datenjournalistinnen Milena Gabanelli und Rita Querzè im Corriere den engen Zusammenhang zwischen Bargeld und Steuerhinterziehung aufgezeigt.
Deren Größenordnung ist in Italien enorm: 2019 – neuere Zahlen gibt es nicht – entgingen Italiens Fiskus 99,24 Milliarden Euro, fast ein Fünftel dessen, was der Staatskasse zustand. Viel mehr als in Deutschland sind Steuerkriminalität und Korruption aber auch Gegenstand großer öffentlicher Debatten und Medien-Recherchen.
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