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Jeffrey Goldberg, Chefredakteur „The Atlantic“

© Getty Images for The Atlantic/Tasos Katopodis

Trumps Intimfeind landete in Geheim-Chat der US-Regierung: Wer ist Jeffrey Goldberg?

Die US-Regierung hat einen prominenten Journalisten, den Chefredakteur von „The Atlantic“, versehentlich in einen geheimen Gruppenchat eingeladen. Wer ist der Mann?

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Es ist eine Geschichte, die heftige, durchaus verschiedene Reaktionen auslöst: Spott, Unglaube, Fassungslosigkeit, Entsetzen. In voller Länge nachlesen lässt sie sich seit Montag in der Zeitschrift „The Atlantic“. Geschildert wird sie im Detail von deren Chefredakteur, Jeffrey Goldberg. Seine Geschichte beginnt so:

„Am 15. März, kurz vor 14 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, erfuhr die Welt, dass die Vereinigten Staaten Ziele der Huthi im Jemen bombardieren. Ich hingegen wusste bereits zwei Stunden vor der Explosion der ersten Bomben, dass der Angriff bevorstehen könnte. Der Grund dafür war, dass mir Verteidigungsminister Pete Hegseth um 11 Uhr 44 den Kriegsplan per SMS geschickt hatte. Der Plan enthielt genaue Informationen über Waffensysteme, die Ziele und den Zeitplan.“

Nun überschlagen sich die Berichte. Skandal! Wahnsinn! Inkompetenz! – Das steht in den Schlagzeilen. Offenbar hatte die US-Regierung einen prominenten Journalisten versehentlich in einen streng geheimen Gruppenchat eingeladen. Darin besprachen 18 hochrangige Regierungsmitglieder konkrete Angriffspläne gegen die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen.

Inzwischen hat der „Atlantic“ das gesamte Chat-Protokoll veröffentlicht, als Reaktion darauf, dass die US-Regierung behauptete, es habe sich nicht um vertrauliche Informationen gehandelt.

Goldberg ist ein Intimfeind von Präsident Donald Trump

Zu den Teilnehmern des Chats gehörten Vizepräsident J. D.  Vance, Außenminister Marco Rubio, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Geheimdienstchefin Tulsi Gabbard, Sicherheitsberater Mike Waltz, CIA-Chef John Ratcliffe und andere.

Aufgedeckt hat die Affäre Jeffrey Goldberg selbst. Ausgerechnet der. Denn Goldberg ist ein Intimfeind von Präsident Donald Trump. Im September 2020, mitten im Wahlkampf, publizierte Goldberg einen Bericht, demzufolge sich der damalige US-Präsident zwei Jahre zuvor abfällig über gefallene amerikanische Soldaten geäußert haben sollte. Die seien „loser“ und „sucker“. Trump tobte.

Im Oktober 2024, wieder kurz vor der Präsidentschaftswahl, hieß es in „The Atlantic“, Trump hätte gegenüber seinem damaligen Stabschef John Kelly den Wunsch geäußert, er brauche „Generäle, wie Hitler sie hatte“. Trump tobte erneut.

Goldberg schreibt, was wehtut. Auch diesmal holen Mitglieder der Trump-Administration zum Gegenschlag aus. Verteidigungsminister Hegseth nennt den „Atlantic“-Chefredakteur „einen betrügerischen und hochgradig diskreditierten sogenannten Journalisten“. Der habe es sich zur Aufgabe gemacht, „immer wieder mit Falschmeldungen hausieren zu gehen“.

Doch Beschimpfungen schaffen die Panne nicht aus der Welt. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates bestätigte, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Zu genau sind Goldbergs Schilderungen, es gibt Screenshots von einigen Chat-Nachrichten.

Verachtung gegenüber Europa

Besonders brisant sind – aus deutscher und europäischer Sicht – jene Passagen, in denen sich US-Regierungsvertreter abfällig über Europa äußern. Vance wird mit der Äußerung zitiert, nur drei Prozent des amerikanischen, aber 40 Prozent des europäischen Schiffsverkehrs gingen durch den Suezkanal. Er hasse es, wieder einmal für die Europäer tätig zu werden.

Diskutiert wird, ob etwa Ägypten und Europa für die US-Intervention zur Kasse gebeten werden sollen. Hegseth meint, die USA seien die einzigen auf der Welt, die einen solchen Angriff durchführen könnten. Waltz reagiert im Chat gelegentlich mit Emojis wie Faust, US-Flagge, Feuer.

Goldberg gilt als einer der einflussreichsten amerikanischen Journalisten. Unter seiner Leitung hat „The Atlantic“ die Abonnentenzahlen gesteigert und die ersten Pulitzer-Preise gewonnen. Er selbst wurde 2020 zum Redakteur des Jahres gekürt. Nicht weniger als fünf Interviews führte er allein mit Barack Obama.

Für die Opposition ist der Skandal ein Weckruf

Geboren wurde Goldberg 1965 in Brooklyn, New York, als Sohn von „sehr linken“, jüdischen Eltern, wie er sie einst beschrieb. Nach dem Studium zog es ihn nach Israel, wo er in der Armee diente – unter anderem während der ersten Intifada als Wärter in einem Gefängnis für Palästinenser, die an dem bewaffneten Aufstand teilgenommen hatten.

Zurück in den USA lief Goldbergs journalistische Karriere über die „Washington Post“, das „New York Times Magazine“, „The New Yorker“ bis zu „The Atlantic“. Dort arbeitet er seit neun Jahren als Chefredakteur. Auch ist er ehemaliger Stipendiat der „American Academy“ in Berlin.

Für die Opposition in den USA ist der Chat-Skandal ein Weckruf. Endlich rührt sich wieder was. Chuck Schumer, der Minderheitsführer im Senat, fordert eine umfassende Untersuchung des Vorfalls und spricht von einem „der krassesten Verstöße gegen die militärische Geheimhaltung“.

Senatorin Tammy Duckworth, eine Veteranin des Irakkrieges, richtete ihre Kritik gegen Hegseth. Der ehemalige Fox-News-Moderator sei der „unqualifizierteste Verteidigungsminister in der Geschichte“. Er demonstriere seine Inkompetenz, „indem er buchstäblich geheime Kriegspläne im Gruppenchat durchsickern lässt“.

Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt steht die Trump-Administration erheblich unter Druck. Auch wenn die Einbeziehung von Goldberg in den Gruppenchat ein Versehen war: Gewisse Pannen darf sich eine Supermacht einfach nicht erlauben.

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