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Ein ukrainischer Soldat sitzt am 16. August in der Region Sumy in einem militärischen Fahrzeug.

© REUTERS/Viacheslav Ratynskyi

Jetzt sollen die geflüchteten Ukrainer an die Front: Wie Kiew Tausende Soldaten rekrutieren will

Die Ukraine bereitet das Kriegsjahr 2025 vor. Militärbeobachter berichten über die Aufstellung neuer Brigaden aus Männern, die ins Ausland geflohen sind. Doch ihre Einberufung ist schwierig.

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Beinahe täglich sind aus der Ukraine die Rufe nach mehr materieller Unterstützung zu hören. Die Personalprobleme der Armee werden von offizieller Stelle dagegen seltener öffentlich thematisiert. Doch im dritten Kriegsjahr zeichnet sich ab, dass die Truppen dringend neues Personal brauchen. Zumal der Kampf nun auch noch auf russischem Boden in Kursk geführt wird.

Jetzt hat offenbar die Formierung neuer Brigaden begonnen, berichtet der aufs ukrainische Militär spezialisierte Blog „militaryland.net“. Zum Verständnis: Eine Brigade ist ein militärischer Großverband von bis zu 5.000 Soldaten. Sie kann – so wie es offenbar für die neuen ukrainischen Truppen geplant ist – auch Panzer enthalten.

Der Plan: Geflohene Ukrainer sollen an die Front

Die neuen Brigaden, deren Zahl unklar ist, sollen dem Bericht nach in westlichen Kasernen trainiert werden. Voraussichtlich 2025 sollen sie in den Verteidigungskrieg gegen Russland geschickt werden. Es geht also um die Planung des vierten Kriegsjahres seit russischen Invasion im Februar 2022. Die Ausrüstung der Truppen kommt dem Bericht nach von den westlichen Unterstützern der Ukraine. Die Besonderheit betrifft dagegen das Personal. Es soll aus wehrfähigen Ukrainern aus dem Ausland rekrutiert werden, schreibt „militaryland.net“.

28.08.2024

Der Pool an ukrainischen Männern, die seit Kriegsbeginn in die EU geflüchtet sind, ist groß. Allein in Deutschland hielten sich Ende Juni 268.176 Ukrainer im wehrfähigen Alter auf. Wenn man der Schätzung von „Forbes“-Autor David Axe folgt, benötigt die Ukraine für die neuen Brigaden mindestens 10.000 Rekruten. Dieser Bedarf könnte also aus Deutschland gefüllt werden – zumindest theoretisch. 

Problem 1: Die Ukrainer im Ausland sind schwierig zu erreichen

Faktisch aber genießen Flüchtlinge aus der Ukraine hier noch bis 4. März 2026 Schutz. Grundlage ist eine kürzlich verlängerte Richtlinie der EU. Wohl auch deswegen macht die ukrainische Regierung Druck auf wehrfähige Männer. Das Mindesteinberufungsalter wurde von 27 auf 25 Jahre gesenkt, es gibt Geldstrafen für Kriegsdienstverweigerer. Wer seinen Reisepass verlängern will, muss in der Ukraine bei den zuständigen Behörden vorstellig werden, Deutschland stellt keine Ersatzpässe aus.

Aus Deutschland wird man niemanden einberufen können.

Gustav C. Gressel, Politikwissenschaftler

Ob es damit gelingen wird, genug ukrainische Männer aus dem Ausland zu holen, bleibt offen. „Aus Deutschland wird man niemanden einberufen können“, sagte Militärexperte Gustav C. Gressel dem Tagesspiegel. In anderen Staaten sei die rechtliche Lage jedoch weniger streng. Gressel gibt zu bedenken: „Die neuen Brigaden sollen in Polen trainiert werden. Aus Polen und dem Baltikum dürften auch die Leute kommen.“

Problem 2: Die neuen Brigaden verschlechtern die Lage für die alten

Doch der Experte sieht die ukrainische Armee mit einem anderen Problem konfrontiert, das nun verschärft wird. Viele der bestehenden Brigaden seien unter ihrer Sollstärke und bräuchten dringend neues Personal. „Dies führt man ihnen aber nicht zu, weil man es in neu aufgestellte Brigaden steckt.“

Problem 3: Schlechte Führung

Gleichzeitig mehre sich der Frust vieler Soldaten über schlechte Führung. Seit Kriegsbeginn fehle es der Ukraine an qualifizierten Stabsoffizieren für die vielen neu aufgestellten Brigaden. Häufig habe das Führungspersonal schlicht die falsche Ausbildung, oder es fehle die Erfahrung. Dieses Problem „wird nicht besser, wenn man mehr Brigaden aufstellt.“

Klar ist: Die Personalfrage wird bedeutsamer werden, je länger der Krieg dauert. Bei aller Hilfe aus dem Westen ist die Ukraine an dieser Stelle auf sich allein gestellt. (mit epd)

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