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Kampf gegen Captagon: Assads Kartelle nutzen im Drogenkrieg gegen Syriens neue Regierung ein Machtvakuum
Mit dem Sturz des Diktators endete in Syrien der staatlich organisierte Handel mit der Droge Captagon. Die vom Präsidenten ausgerufene „Säuberung“ zeigte erste Erfolge – doch nun stößt sie an ihre Grenzen.
Stand:
„Syrien ist zu einer zentralen Fabrik für Captagon verkommen. Mit Gottes Hilfe werden wir Syrien jetzt davon säubern“, kündigte der neue Präsident Ahmed al-Sharaa kurz nach dem Sturz von Diktator Bashar al-Assad an an. Als fromme Muslime lehnen Al-Shaara und seine Bewegung Drogen ab. So begann im Dezember 2024 ein neuer Drogenkrieg, der das gesamte Narco-Imperium, das Assad zurückließ, zerstören soll.
Captagon ist eine hochgradig abhängig machende, stimulierende Droge mit dem Wirkstoff Fenetyllin, der eine aufputschende und euphorisierende Wirkung hat. Zunächst vor allem von Partygängern und Schichtarbeitern in den Golfstaaten genutzt (und in den 1980er Jahren auch im deutschen Fußball, etwa von Toni Schumacher), wurde sie in den 2010er Jahren zu einer verbreiteten Substanz bei Kämpfern im syrischen Bürgerkrieg, die mit der enthemmenden Droge leichter töten und Hunger und Müdigkeit unterdrücken konnten. Doch auch außerhalb der Region wurde Captagon immer gefragter: Selbst in Hongkong und Venezuela wurden Schiffsladungen beschlagnahmt.
Zugleich finanzierte das international vielerorts sanktionierte Assad-Regime seine Macht und den Krieg gegen das eigene Volk mit dem Captagon-Handel. Die Droge wurde zum wichtigsten Exportgut des Landes. Das brachte rund fünf Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr ein und machte Syrien zu einem der bedeutendsten und korruptesten Narco-Staaten der Welt. 80 Prozent des weltweit gehandelten Captagons wurden laut Schätzung der britischen Regierung in Syrien hergestellt. Assads Bruder Maher wurde zu einer zentralen Figur des Drogengeschäfts, in der Armee und in Pro-Assad-Milizen agierten Offiziere als Dealer.
Machtvakuum in Syriens Hinterland
Nun der radikale Kurswechsel. Und er wirkt: Produktion und Handel sind laut einer Recherche der „Financial Times“ um 80 Prozent gesunken. Behörden ließen in groß angelegten Razzien mehrere Großlabore hochgehen, etwa auf dem Luftwaffenstützpunkt Mezzeh in Damaskus und in Villen der Assad-Familie. 200 Millionen Pillen wurden beschlagnahmt und zerstört, Händler verhaftet. Im Juni gelang es sogar, Assads Cousin Wassim festzunehmen, der zeitweise Zuflucht im Libanon gesucht hatte, aber nach Syrien zurückkehrte, um große Mengen an zurückgelassenem Bargeld und Goldbarren einzusammeln.
Doch nach den ersten Erfolgen spürt auch Al-Shaaras Regierung, wie schwer es ist, einen Drogenkrieg auch zu gewinnen. Denn Produzenten, Dealer und Schmuggler schlagen zurück und nutzen ein Machtvakuum in Syriens Hinterland – speziell in Grenzgebieten, in denen die neue Regierung sich mit ihren Institutionen noch nicht ausreichend etablieren konnte. Insbesondere die libanesische Hisbollah, die im Drogenhandel eng mit den Assad-Schergen zusammenarbeitete, will ihre Einnahmequelle nicht einfach so versiegen lassen und bekommt dabei regelmäßig Hilfe von korrupten Drogenfahndern, die sie vor Razzien warnen.

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Auch in der östlichen Deir-Ez-zor-Provinz ist der grenzüberschreitende Drogenhandel in Richtung Irak weiter in vollem Gange – dort wiederum vor allem von schiitischen Milizen betrieben. Hier fanden die Ermittler laut syrischem Innenministerium in allen hochgenommen Captagon-Produktionsstätten auch eine große Anzahl an Waffen.
Drogenschmuggel mit Drohnen und Ballons
In der südlichen, ärmlichen Sweida-Provinz, in dem die neue Regierung noch gar keine Kontrolle hat, halten wiederum Beduinenstämme den Drogenschmuggel nach Jordanien am Laufen, etwa mit Drohnen, ausrangierten Raketen ohne Sprengstoff und ferngesteuerten Ballons. Auch, weil von jordanischer Seite zunehmend Gewalt gegen Schmuggler angewendet wird. „Früher haben sie uns nie getötet, aber jetzt schießen sie auf alles und jeden, der sich in der Nacht der Grenze nähert“, zitiert die „FT“ einen ehemaligen Dealer.
Außerdem bleibt das grundsätzliche Problem des Kampfes gegen Drogen: die Nachfrage. Syrien verfügt im gesamten Land nur über vier Suchtzentren, ein nachhaltiger Entzug ist schwer. Angesichts des sinkenden Angebots und steigender Preise steigen Süchtige vielfach auf Crystal Meth um, berichtet der Direktor des „Ibn Rushd“-Krankenhauses in Damaskus.
Zugleich bleibt Captagon auch international gefragt: Im Juli wurden in Sachsen-Anhalt in einer Olivenpalette 2,1 Millionen Captagon-Tabletten entdeckt. Die deutschen Behörden gingen aber davon aus, dass die Drogen nicht für den hiesigen Markt bestimmt waren, sondern vielmehr für den Transit.
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