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Langer Weg zur Aufklärung. Schon im Jahr 2018 gab es in Polen den Baby-Schuh-Protest gegen Pädophilie und Missbrauch in der Katholischen Kirche.

© Macie Luczniewski/imago/ZUMA Press

Katholische Kirche in Polen: 84 Anzeigen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs in einem Jahr

Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1965 bis 2022, wie Primas Erzbischof Wojciech Polak am Dienstag in Warschau sagte. Eine Studie ist geplant.

Stand:

Bei der katholischen Kirche in Polen sind 2022 nach eigenen Angaben 84 Anzeigen wegen sexuellen Kindesmissbrauch eingegangen. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1965 bis 2022, wie Primas Erzbischof Wojciech Polak am Dienstag in Warschau sagte. Das kirchliche Statistikinstitut habe die Daten bei den Bistümern und Ordensgemeinschaften erhoben. Elf Prozent der Anzeigen stufte die Kirche demnach als unglaubwürdig ein.

Von den 80 des Kindesmissbrauchs beschuldigten Priestern und Ordensbrüdern wurden laut Polak vier zweimal angezeigt. 2021 hatte die Kirche nach eigenen Angaben 155 Anzeigen erhalten. Polak ist in der Kirche für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig.

48 der mutmaßlich von sexualisierter Gewalt betroffenen Minderjährigen, die 2022 gemeldet wurden, seien weiblich, 31 männlich, so der Erzbischof von Gniezno (Gnesen). In den übrigen fünf Fällen fehlten Angaben zum Geschlecht. Fast zwei Drittel der Missbrauchsmeldungen betreffen die Jahre 1965 bis 2018.

48
der Minderjährigen,
die mutmaßlich von sexualisierter Gewalt betroffen sind und 2022 gemeldet wurden, seien weiblich, 31 männlich.

Die Vorgesetzten hätten 40 Prozent der Beschuldigten suspendiert, hieß es. Je 30 Prozent untersagten sie den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen oder verfügten, dass sie sich an einem bestimmten Ort aufhalten müssen.

Angesichts des heftigen Streits in Polen um den Umgang von Papst Johannes Paul II. mit Missbrauchsfällen in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau sprachen sich die Bischöfe auf ihrer am Dienstag zu Ende gegangenen Vollversammlung in Warschau für eine Untersuchung aus.

Es ist eine Richtungsentscheidung.

Wojciech Polak, Erzbischof

Die Bischofskonferenz habe einstimmig entschieden, „ein Team unabhängiger Spezialisten zu berufen, das die staatlichen und kirchlichen Archive untersuchen soll, um die Fälle von Sexualverbrechen einiger Geistlicher an Minderjährigen aufzuklären“, so Polak. Er drückte die Hoffnung aus, dass die Aufarbeitung durch das Team „eine echte Hilfe für die Geschädigten sein wird“. Die Betroffenen bräuchten Wahrheit. „Es ist eine Richtungsentscheidung“, so der Erzbischof.

Dem Untersuchungsteam sollen laut Polak Historiker, Juristen und Psychologen angehören. Namen nannte er nicht. Es gehe nicht nur um Krakau und Johannes Paul II., sondern um alle Bistümer und Ordensgemeinschaften. Bislang wurden die Kirchenakten in Polen weitgehend unter Verschluss gehalten.

Ärger nach einer TV-Doku über Johannes Paul II.

Die aktuell hitzige Debatte über Johannes Paul II. in Polen wurde durch eine TV-Doku ausgelöst. Darin wird ihm vorgeworfen, er habe als Erzbischof von Krakau vor seiner Papstwahl von Anschuldigungen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen drei Geistliche gewusst, habe sie aber trotzdem weiter in Pfarreien arbeiten lassen.

Für einen Priester schrieb Johannes Paul II. der Doku zufolge 1972 ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Kardinal Franz König, um ihn in eine österreichische Kirchengemeinde schicken zu können. Über die Vorwürfe gegen den Priester habe er König nicht informiert.

Polens Bischöfe sprachen in der Abschlusserklärung ihrer Vollversammlung von „noch nie dagewesenen“ Versuchen, „die Person und das Werk des heiligen Johannes Paul II. zu diskreditieren“. Die Bischöfe appellierten „an alle, das Andenken an einen unserer bedeutendsten Landsleute zu achten“. Sie dankten jenen, die den „guten Namen“ Johannes Pauls II. verteidigten. (KNA)

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