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Kein Weihnachtswunder in Frankreich: Lieber kein Budget als eine Reichensteuer
Die Republikaner wollten partout keine minimale Neu-Besteuerung für Superreiche. Damit war die Kompromissbereitschaft des Premiers umsonst. Lehren aus einem Polit-Krimi.

Stand:
Nur wenige Minuten hat die Sitzung des Vermittlungsausschusses im französischen Senat am Freitag gedauert. Dann war klar: Die 14 Parteienvertreter schauen sich den Entwurf für die Steuereinn,ahmen gar nicht mehr an – eigentlich waren zweitägige Diskussionen eingeplant.
Zu unüberbrückbar sind die Differenzen. Vor allem die Republikaner wollten von einer selbst verwässerten höheren Besteuerung Superreicher nichts wissen. Frankreich bekommt also keinen regulären (Spar-)Haushalt für 2026, das Staatsdefizit wird unverändert bei 5,4 Prozent liegen.
Damit war nicht nur die mühsame, oft nächtelange Arbeit der Abgeordneten und Senatoren der vergangenen drei Monate umsonst. Immerhin hatten sie es geschafft, den Teil der Ausgabenseite vergangene Woche im Parlament in zweiter Lesung zu verabschieden.
Der neue Ansatz des Premiers
Gescheitert ist auch der neue Ansatz von Premierminister Sébastien Lecornu, der ausdrücklich den Abgeordneten das Zepter in die Hand gegeben hatte: Schon zu Beginn der Debatten hatte er erklärt, dass er nicht von dem Verfassungsartikel 49.3 Gebrauch machen würde, der ihm erlaubt, ohne Parlamentsbeschluss Haushalte oder Gesetze zu erlassen.
Mit diesem Machtinstrument hatte die damalige Regierungschefin Élisabeth Borne 2023/24 noch durchregiert und auch die verhasste Rentenreform durchgesetzt.

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Lecornue dagegen nahm die Abgeordneten und Senatoren in die Verantwortung, die sich oft genug beschwert hatten, dass sie umgangen wurden. Genutzt haben sie die Chance, den Parlamentarismus in dem französischen Präsidialsystem zu stärken, nicht.
Zudem hat der Premier sich den Mund fusselig geredet mit allen Seiten. Und er war – anders als seine am Budget gescheiterten Vorgänger – auf die Sozialisten zugegangen, um sie erfolgreich aus der unseligen Umarmung des linksradikalen Chefs der „France insoumise“, Jean-Luc Mélenchon, zu lösen.

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Die Rentenreform wurde ausgesetzt und auch im Sozialausgabenteil des Haushalts gab es Zugeständnisse bei der Finanzierung des Gesundheitswesens oder bei der Zuzahlung für Medikamente.
Das zweite Jahr ohne neuen Haushalt
Das war eigentlich schon ein Wunder gewesen, denn bis dahin waren Haushaltsverhandlungen unter den vier Vorgängerregierungen mit den Premiers Borne, Attal, Barnier und Bayrou seit Anfang 2024 bereits an dieser Etappe gescheitert und teilweise gestürzt.
Borne hatte den Haushalt für 2024 ohne Abstimmung durchgeboxt. Dieser wurde per Spezialgesetz für 2025 übernommen, da es keine Einigung gab. Er wird nun voraussichtlich auch für 2026 übernommen werden, damit das Land funktionsfähig bleibt und Staatsbedienstete bezahlen kann.
Premier Lecornue nahm das Scheitern der Haushaltsverhandlungen, das auch sein eigenes ist, am Freitag auf X „zur Kenntnis“. Und fügte hinzu: „Ich bedauere den fehlenden Willen einiger Abgeordneter, zu einer Einigung zu kommen.“
Wer ist schuld?
Wen hat er damit gemeint? Man könnte den Sozialisten vorwerfen, dass sie weiterhin auf einer immer weiter abgespeckten Form der „Reichensteuer“ insistiert hatten. Wissend, dass einige Republikaner, darunter der unnachgiebige Senator und Parteichef Bruno Retailleau, unter einer „Steuer-Phobie“ leiden, wie es die linke Tageszeitung „Liberation“ formulierte. Allerdings sprachen Quellen im Regierungssitz von der „Unnachgiebigkeit einiger republikanischer Senatoren“. Diese waren zuletzt von der Regierung auch offen kritisiert worden.
Die systematische Opposition der extremen Linken und Rechten, der France Insoumise sowie des Rassemblement National unter Marine Le Pen hat es zudem Kompromissbereiten schwer gemacht: Mélenchon hatte bereits seinen Ex-Alliierten, den Sozialisten, Verrat vorgeworfen.
Die Republikaner werden von den Rechtsextremen vor sich hergetrieben. Zudem hatte der RN seine Haltung zur Besteuerung der etwa 1000 reichsten Personen des Landes geändert. Hatte man sich in ersten Lesungen noch enthalten, stimmten sie später gegen eine Reichensteuer.
Der Fluch der Präsidentschaftswahl
Angetrieben in ihrem Beharren auf eigenen Maximalpositionen werden sie dabei von dem Blick auf die Präsidentschaftswahl im Mai 2027: Lieber krachend scheitern, als das eigene Profil verwässern.

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Den Sozialisten muss man zugutehalten, dass sie sich dennoch aus der „Volksfront“ mit Mélenchon gelöst haben – obwohl sie bei den Kommunalwahlen 2026 und bei der Präsidentschaftswahl 2027 auf dessen linke Wähler angewiesen sein werden.
Doch die jetzige Chance der Abgeordneten, die Dominanz der Präsidentschaftswahl, die bereits Jahre zuvor das gesamte politische Taktieren beherrscht, einzudämmen, haben einige politische Gruppierungen nicht nutzen wollen.
Einziger Trost: Die vom konservativen Senat zusätzlich weggestrichenen Steuereinnahmen in der letzten Form des Einnahmenplans hätten für 2025 zu einem Defizit von 5,7 Prozent geführt. Da ist der Haushalt von 2023, der jetzt übernommen wird, noch besser.
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