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Nehammer beendet die Gespräche mit der SPÖ

© Helmut Fohringer/APA/dpa

Update

Koalitionsverhandlungen gescheitert: Österreichs Bundeskanzler Nehammer kündigt Rücktritt an

In Österreich sind Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ geplatzt. Karl Nehammer kündigte in einer Videobotschaft seinen Rücktritt als Regierungschef und Vorsitzender der ÖVP an.

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Österreichs Kanzler Karl Nehammer will als Regierungschef und als Chef der konservativen ÖVP zurücktreten. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen werde er sich in den kommenden Tagen von diesen Posten zurückziehen, sagte er in einer Videobotschaft.

Wer Nehammer nachfolgen wird, war vorerst ebenso unklar wie die Frage, ob die ÖVP nun als möglicher Juniorpartner mir der FPÖ verhandelt, oder ob Neuwahlen ausgerufen werden.

Zuvor wurde bekannt, dass die Verhandlungen über eine Mitte-Regierung ohne die rechte FPÖ gescheitert sind. Die konservative ÖVP habe ihre Gespräche mit der sozialdemokratischen SPÖ beendet, bestätigten Parteikreise. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur APA über das Aus der Verhandlungen berichtet. „Eine Einigung ist in wesentlichen Kernmaterien nicht möglich“, hieß es aus der Partei.

Erst am Freitag waren die liberalen Neos nach wochenlangem Ringen überraschend aus Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ über eine Ampel-Koalition ausgestiegen. Danach setzten die zwei verbliebenen Parteien Gespräche am Samstagnachmittag fort. Bereits am Abend waren die Gespräche jedoch schon wieder zu Ende.

Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten.

Karl Nehammer, österreichischer Bundeskanzler

„Es ist augenscheinlich, dass die destruktiven Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewonnen haben“, sagte Nehammer in einer Videobotschaft. Die ÖVP werde keinem wirtschafts- und leistungsfeindlichen Programm zustimmen, betonte er.

Gleichzeitig machte Nehammer klar, dass er weiterhin nicht bereit sei, mit der rechten FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl Koalitionsgespräche zu führen. „Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten“, sagte Nehammer.

Der Kanzler hatte die FPÖ unter der Führung Kickls unter anderem wegen dessen Russland-freundlicher Haltung und wegen mangelnder Abgrenzung von rechtsextremen Gruppen wie den Identitären abgelehnt. Der Wirtschaftsflügel seiner Partei bevorzugt hingegen eine Koalition mit der FPÖ statt mit den Sozialdemokraten.

SPÖ-Chef warnt vor „rechtsextremem Kanzler“

SPÖ-Chef Andreas Babler machte in einer Stellungnahme diese Kräfte unter den Konservativen für das Scheitern einer möglichen Großen Koalition verantwortlich. „Jener Flügel hat sich durchgesetzt, der von Anfang an mit den Blauen geliebäugelt hat“, sagte er unter Verweis auf die Parteifarbe der FPÖ. Jetzt drohe „ein rechtsextremer Kanzler“, sagte Babler.

Die FPÖ hatte die Wahl Ende September gewonnen. Die drei Mitte-Parteien hatten danach versucht, eine Koalition zu schmieden und die Rechten von der Macht fernzuhalten. Auch Van der Bellen hätte solch eine Regierung bevorzugt.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern.

Nun liege der Ball bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sagte FPÖ-Chef Kickl mit Blick auf einen möglichen Regierungsauftrag, der ihm bisher verwehrt worden war. „Er ist nach den Ereignissen des heutigen Tages unter Zugzwang“, sagte Kickl.

Die Verhandlungen der Mitte-Parteien waren auch ein Versuch, die rechte FPÖ nach ihrem Wahlsieg Ende September von der Macht fernzuhalten. ÖVP und SPÖ hätten im Parlament jedoch nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme gehabt.

SPÖ und ÖVP konnten in verschiedenen Bereichen nicht zueinanderfinden. Die SPÖ forderte unter anderem, dass der defizitäre Staatshaushalt auf den Schultern reicherer Bevölkerungsschichten saniert werden müsse; die ÖVP war strikt gegen zusätzliche Steuern. (dpa)

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