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Konservative ÖVP als Juniorpartner der FPÖ?: Österreichs Bundespräsident beauftragt Rechtsaußen Kickl mit Regierungsbildung
Österreichs Bundespräsident erteilt FPÖ-Chef Kickl den Regierungsauftrag. Die ÖVP hatte nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit SPÖ und Neos bereits Offenheit für eine Koalition signalisiert.
Stand:
Nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen in Österreich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen erstmals die rechte FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt. Dies kündigte Van der Bellen am Montag nach einem Gespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl (56) an. Er habe Kickl mit Koalitionsgesprächen mit der konservativen ÖVP beauftragt, sagte Van der Bellen.
Kickl habe ihm zugesagt, dass er sich im Rahmen von Regierungsverhandlungen zutraue, tragfähige Lösungen zu finden – „und er will diese Verantwortung.“ Der FPÖ-Chef werde ihm laufend über den Fortgang von Gesprächen mit der ÖVP berichten, sagte der Bundespräsident. „Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht.“ In Deutschland nimmt die AfD die Entscheidung zum Anlass für einen Appell in Richtung Union.
Zuvor waren Koalitionsverhandlungen zwischen der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ ebenso gescheitert wie Dreier-Gespräche mit den liberalen Neos. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte am Samstag seinen Rücktritt angekündigt.
Die FPÖ war bereits dreimal Juniorpartner
Nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl im September könnte die rechte FPÖ mithilfe der konservativen ÖVP nun erstmals den Kanzler stellen. Grund dafür ist die 180-Grad-Wende der ÖVP.
Die Volkspartei hatte – wie die SPÖ – nach der Wahl eine Zusammenarbeit mit der FPÖ und ihrem umstrittenen Chef Kickl strikt abgelehnt. Doch nach dem Scheitern der Gespräche mit SPÖ und Neos kündigte der neue ÖVP-Chef Christian Stocker am Sonntag an, man sei nun bereit zu Koalitionsgesprächen mit der FPÖ.
Die FPÖ war seit dem Jahr 2000 bereits dreimal als Juniorpartner in einer ÖVP-geführten Bundesregierung vertreten. Kickl selbst war von Dezember 2017 bis zum Zusammenbruch der Koalition im Mai 2019 Bundesinnenminister. Diesmal käme es wohl zu einem Rollentausch – mit den Konservativen als Juniorpartner und der FPÖ als Kanzlerpartei.
Denn die Freiheitlichen legten bei der Wahl im September um fast 13 Prozentpunkte zu und holten mit knapp 29 Prozent die meisten Stimmen. Die ÖVP hingegen verlor gut 11 Prozent und kam nur auf rund 26 Prozent. Die SPÖ erreichte etwas über 21 Prozent.
Söder und Dobrindt sehen Warnsignal für Deutschland
CSU-Chef Markus Söder bewertet die mögliche Bildung einer von der FPÖ geführten Regierung in Österreich als Warnung an die deutsche Politik. „Die Entwicklung ist natürlich nicht gut“, sagte Söder am Montag zum Auftakt der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag im bayerischen Kloster Seeon vor Journalisten.

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Für die anstehende vorgezogene Bundestagswahl in Deutschland sei Österreich ein „grundlegender Impuls zur Bestätigung, dass es einen Richtungswechsel braucht“, erläuterte Söder. „Deutsche Rechtspopulisten sind immer noch mal schlimmer. Die schlimmsten von allen.“
Söder sagte, er habe nach dessen Rücktrittsankündigung mit dem bisherigen österreichischen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer telefoniert. In Österreich sähen viele einen Grund für die aktuelle Entwicklung mit dem Erstarken der FPÖ in der ehemaligen Regierung der ÖVP mit den Grünen.
Söder verwies auch auf den Rechtsruck bei früheren Wahlen in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden und Italien. Dort hätten „Populisten“ besser abgeschnitten als die in der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammengeschlossenen Konservativen. „Und ich habe keine Lust, niemals, dass wir am Ende Steigbügelhalter werden für irgendwelche Populisten. Sondern wir wollen den Richtungswechsel und den Politikwechsel selbst organisieren.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die Situation in Österreich sei ein „mahnendes Signal“ an Deutschland. Die Krisensituation nutze den Populisten. Wer falsche Schlüsse aus einer Krise ziehe, gefährde die politische Stabilität. „Wir sehen gerade in Österreich, unserem Nachbarland, was passiert, wenn ein Politikwechsel nicht möglich ist.“
AfD fordert Ende der Brandmauer
Bei der AfD weckt der Auftrag zur Regierungsbildung für die FPÖ im Nachbarland neue Hoffnungen. Parteichefin Alice Weidel rief in einer Mitteilung die Union dazu auf, ihre Abgrenzung von der AfD aufzugeben.
Die von CDU-Chef Friedrich Merz errichtete Brandmauer werde keinen Bestand haben, sagte Weidel. Die Wähler wollten keine Koalitionen, „in denen wieder linke Parteien den Ton angeben, wenn es auch eine bürgerliche Mehrheit aus Union und AfD gibt“.
„Das letzte Stündlein der „Brandmauer“ wird auch bei uns bald schlagen“, gab sich Weidel überzeugt. Unionskanzlerkandidat Merz hatte eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen. (Reuters/AFP/dpa)
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