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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. (Archivbild)

© Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Update

Kriegsparteien werfen sich Bruch der Waffenruhe vor: Berichte über israelische Luftangriffe im Gazastreifen

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Armee angewiesen, sofort „intensive Angriffe“ im Gazastreifen auszuführen. Mittlerweile soll es zu Beschuss kommen.

Stand:

Die israelische Luftwaffe hat nach Medienberichten intensive Angriffe im Gazastreifen gestartet. Es seien Ziele in der Stadt Gaza sowie an anderen Orten in dem Küstenstreifen beschossen worden, berichteten israelische Medien. 

Augenzeugen berichteten, es komme etwa zu Angriffen aus der Luft auf ein Gebiet in der Nähe des größten noch funktionierenden Krankenhauses im Norden von Gaza-Stadt. Im Viertel Sabra südlich der Stadt sollen dem Zivilschutz, der unter Kontrolle der Hamas steht, mindestens zwei Menschen getötet und vier weitere verletzt worden sein.

Auch in Chan Junis im Süden des Küstenstreifens seien nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes fünf Menschen getötet worden. Ein Sprecher sagte, darunter seien auch Kinder. In der Stadt sei ein Fahrzeug gezielt angegriffen worden. Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe den Bericht. 

Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministers Israel Katz handelt es sich um eine Reaktion auf einen Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf israelische Soldaten sowie auf die Verzögerung bei der vereinbarten Übergabe getöteter Geiseln.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Armee zuvor angewiesen, sofort „intensive Angriffe“ im Gazastreifen auszuführen. Dies teilte das Büro Netanjahus nach einer Sicherheitsberatung des Regierungschefs mit. Über die genauen Gründe informierte das Büro nicht.

Am Nachmittag war es im südlichen Gazastreifen ungeachtet der Waffenruhe zu einem Feuergefecht gekommen. Der israelische Armeesender meldete, bewaffnete Mitglieder der Terrororganisation Hamas hätten auf israelische Soldaten geschossen. Nach Angaben palästinensischer Augenzeugen kam es anschließend zu Artilleriebeschuss und israelischen Luftangriffen mehrerer Gebiete im Bereich von Rafah. Laut israelischen Medienberichten wurden auch Tunnel der Hamas angegriffen.

Israel wertete den Vorfall schon am Nachmittag als Bruch der Waffenruhe. Immer wieder hatte Israels Regierung auch zuvor schon gesagt, die schleppende Übergabe der Hamas von toten israelischen Geiseln sei ein Bruch des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump.

Am Montagabend hatte die Hamas die Leichenteile eines schon vor zwei Jahren beigesetzten Israelis übergeben. Zuvor hatte sie ein fingiertes Grab ausgehoben, um Mitarbeiter des Roten Kreuzes zu täuschen.

Medienberichten zufolge könnte Israel das Gebiet ausweiten, das es in dem Küstenstreifen noch kontrolliert. Dabei würde die sogenannte „gelben Linie“, hinter die sich die israelische Armee als Teil der vereinbarten Waffenruhe zurückgezogen hatte, weiter westlich verschoben. 

Verteidigungsminister Katz drohte, die Hamas werde einen „hohen Preis zahlen für den Angriff auf israelische Soldaten in Gaza und für die Verletzung des Abkommens über die Rückgabe der getöteten Geiseln“. Mit dem Angriff habe die Hamas eine „rote Linie“ überschritten.

Minister der israelischen Regierung forderten Netanjahu am Dienstag auf, die Hamas zu „zerstören“. „Die Tatsache, dass die Hamas weiterhin Spielchen spielt und nicht sofort alle Leichen unserer Gefallenen übergibt, ist an sich schon ein Beweis dafür, dass die Terrororganisation noch immer existiert“, erklärt der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir. 

Finanzminister Bezalel Smotrich forderte: Wir brauchen ein „Paket entschlossener und entschiedener Maßnahmen, um sicherzustellen, dass wir an dem zentralen Ziel des Krieges festhalten: die Zerschlagung der Hamas und die Beseitigung der von Gaza ausgehenden Bedrohung für die Bürger Israels.“

Die Hamas wiederum beschuldigte Israel, das nötige Gerät für die Bergung der Leichen zurückzuhalten. Die Hamas rief die arabischen Staaten auf, Israel unter Druck zu setzen, seinen Teil der Zusagen für die Waffenruhe einzuhalten. Zudem erklärt die Hamas, nicht zu wissen, wo sich die Leichen der noch fehlenden 13 Geiseln befinden. Israel bezeichnete das als Lüge.

Der bewaffnete Teil der Hamas teilte kurz nach Netanjahus Angriffsbefehl mit, die für Dienstag geplante Übergabe der entdeckten sterblichen Überreste einer Geisel werde verschoben. Zur Begründung hieß es, Israel habe gegen die Waffenruhe verstoßen.

Seit Beginn einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas am 10. Oktober im Rahmen des Friedensplans von Trump gab es immer wieder tödliche Zwischenfälle. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bereits mehr als 90 Palästinenser getötet. Vor gut einer Woche wurden zwei israelische Soldaten bei einem Angriff mit einer Panzerfaust getötet. 

Steht die Waffenruhe jetzt endgültig vor dem Scheitern? Nach Einschätzung von Simon Wolfgang Fuchs lässt sich diese Frage derzeit nicht mit Sicherheit beantworten. Der Unmut in Israel über die Hamas sei allerdings groß, sagt der Professor für Nahost-Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem dem Tagesspiegel. Er verweist sowohl auf die Täuschungsmanöver bei der Übergabe der toten Geiseln als auch auf das Feuergefecht am Dienstagnachmittag, dessen Ausmaß bislang unklar sei.

Ich sehe momentan nicht, dass Amerika der Regierung in Jerusalem die Freigabe erteilt, den Krieg wieder aufzunehmen.

Simon Wolfgang Fuchs, Professor für Nahost-Studien

„Trotzdem ist klar: Die USA achten sehr darauf, was Israel tut“, sagt Fuchs. Ohne Zustimmung aus Washington seien zum Beispiel Truppenbewegungen oder der Stopp von Hilfslieferungen schwerlich zu machen. „Ich sehe momentan nicht, dass Amerika der Regierung in Jerusalem die Freigabe erteilt, den Krieg wieder aufzunehmen. Das ist wohl noch nicht das Ende der Feuerpause.“ (ben, Ch.B. mit Agenturen)

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