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Kanzler Friedrich Merz (L) and Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva.

© AFP/MAURO PIMENTEL

Update

Linke-Chef van Aken kritisiert „kolonialen Spruch“: Merz will sich nicht für abschätzige Äußerung über Belém entschuldigen

Einmal mehr erzürnt der Kanzler mit einer Aussage viele Menschen. Diesmal äußerte er sich abschätzig über die arme Metropole Belém. Nicht nur in Brasilien ist der Ärger groß.

Stand:

Bundeskanzler Friedrich Merz will sich für seine viel kritisierte Äußerung über die brasilianische Stadt Bélem nicht entschuldigen und sieht dadurch auch keinen Schaden für die Beziehungen zu dem Land. Das sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius auf einer Pressekonferenz in Berlin auf die Frage eines Journalisten. 

Er widersprach der Lesart, dass sich der Kanzler „missfallend“ oder gar „angewidert“ über die Stadt am Amazonas geäußert habe. „Er hat gesagt, wir leben in einem der schönsten Länder der Welt und das hat er auf Deutschland bezogen“, erläuterte Kornelius. Brasilien gehöre zwar sicherlich auch zu den schönsten Ländern der Welt. „Aber, dass der deutsche Bundeskanzler hier eine kleine Hierarchisierung vornimmt, ist, glaube ich, jetzt nicht verwerflich.“

Merz hatte sich nach einem Kurztrip zur COP30 nach Brasilien auf einem Handelskongress negativ über Belém geäußert – eine auch für brasilianische Verhältnisse arme Stadt mit vielen verfallenen Häusern, kaputten Straßen und einigen Elendsvierteln.

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„Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben“, sagte er. „Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“ Man lebe in Deutschland, „in einem der schönsten Länder der Welt“.

Dafür erntete der Kanzler massive Kritik. Linken-Chef Jan van Aken äußerte sich empört über das Auftreten von Merz. „Merz ist echt ein Elefant im Porzellanladen, diplomatisch hat er ganz offenbar null Fingerspitzengefühl“, sagt van Aken dem „Spiegel“.

Die abfällige Äußerung offenbare, dass Merz in einer Traumwelt von vorgestern lebt, so van Aken. „Das ist so ein kolonialer Spruch, den würde man von einem Bismarck erwarten, aber doch nicht von einem Kanzler im Jahre 2025“, sagte er. Demnach sollte sich Merz „umgehend bei Brasilien für seine Entgleisung entschuldigen“.

Jan van Aken, Bundesvorsitzender der Linkspartei, kritisiert die Aussagen von Kanzler Merz nach dessen Brasilien-Reise.

© dpa/Michael Kappeler

Zuvor hatte bereits der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva empört auf die Aussagen des Kanzlers reagiert.

Merz hätte in eine Bar gehen, dort tanzen und die lokale Küche probieren sollen, „denn dann hätte er gemerkt, dass Berlin ihm nicht einmal zehn Prozent der Qualität bietet, die der Bundesstaat Pará und die Stadt Belém bieten“, sagte Lula. Jeder wisse, dass die Stadt arm sei, aber „ein so großzügiges Volk“ habe „wie kaum ein anderer Ort auf der Welt“.

Rückendeckung erhielt Merz indes von seinem Vizekanzler Lars Klingbeil. „Ich glaube, insgesamt muss man sagen, war das ein sehr guter Besuch, den der Bundeskanzler auch in Belém hatte“, sagte der SPD-Politiker bei einer Reise in China.

Man sei auch dabei, mit Brasilien Projekte auf den Weg zu bringen. „Und insofern, ich habe auch wahrgenommen, dass es diese Irritation gibt, aber die werden wir sehr schnell ausräumen.“ Auf die Frage, ob man sich als Kanzler so äußern sollte, sagte Klingbeil: „Ich bin immer dafür, dass Politiker auch mal frei reden dürfen.“

Lula hatte Belém bewusst als Gastgeberstadt ausgewählt, trotz großer logistischer Probleme wie zu wenig Hotelbetten. Dem linken Politiker geht es darum, der Welt die Klimakrise am Amazonas vor Augen zu führen, und zugleich die harte soziale Realität in einer Millionenmetropole im Globalen Süden. 

„Unglücklich, arrogant und voreingenommen“

Die Bemerkung des Kanzlers griffen etliche brasilianische Medien auf. Das Nachrichtenportal „Diário do Centro do Mundo“ schrieb von einem „unverschämten Vergleich“. Auch der Bürgermeister der Stadt reagierte auf Merz´Aussagen und bezeichnete diese als „unglücklich, arrogant und voreingenommen“. 

Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, postete Berichten zufolge auf X, er sei „nicht so höflich“ wie seine Freunde in Pará, und schrieb zu Merz: „Sohn von Hitler! Mistkerl! Nazi!“ Den Post löschte er kurz darauf wieder und schrieb stattdessen: „Das war mein heutiger Frustabbau. Bleibt ruhig im Außenministerium. Es lebe die Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland.“

Auch viele Brasilianer machten ihrem Ärger in sozialen Medien Luft. Unter Instagram-Beiträgen von Merz finden sich zahlreiche Kommentare wie „Respect Brazil“ („Respektiere Brasilien“) oder brasilianische Flaggen. 

Die Sprecherin für Klimagerechtigkeit der Linken im Bundestag, Violetta Bock, verlangte eine Entschuldigung des Kanzlers. „Merz’ Aussagen zu Brasilien sind respektlos, von oben herab und vorurteilsvoll. Deutschland blamiert sich damit auf internationaler Bühne. Man könnte meinen, dass er in Trump-Manier von Deutschlands fehlendem Einsatz für den Klimaschutz ablenken will.“

„Merz muss sich entschuldigen“

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace, Martin Kaiser, schloss sich an. „Friedrich Merz muss sich bei den Menschen von Belém entschuldigen“, sagte er. Dem Bundeskanzler habe offenbar die Zeit gefehlt, die große Gastfreundschaft der Menschen in Belém kennenzulernen, die in einem der Kipppunkte des globalen Klimas leben.

„Damit stößt der Bundeskanzler auch Präsident Lula vor den Kopf, auf dessen Initiative die Weltklimakonferenz in Belém stattfindet, wo die Welt die Pracht und die Verwundbarkeit des Regenwaldes direkt vor Augen hat.“

Umweltminister Carsten Schneider hatte Belém am Vortag ausdrücklich als „großartige Stadt“ gelobt. „Ich habe extrem viel Engagement gesehen, tolle Menschen, aber auch viel Armut“, sagte der SPD-Politiker. „Dieser Ort, er weist nicht nur auf die überragende Bedeutung der Regenwälder hin, er bringt die Weltgemeinschaft auch dazu, die soziale Frage zu sehen, die Klimafrage und die soziale Frage zusammen zu denken.“ 

Für die Klimakonferenz ist viel Geld in die Stadt geflossen, in verschiedenen Vierteln ist vieles neu gebaut und renoviert worden, unter anderem mehrere Parks.

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