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Macron und der zweite Wahlgang: Frankreichs Präsident ist vielleicht doch kein Zocker
Hätte Macron den Niedergang erleiden sollen? Nein, dann doch lieber Wagemut. Der französische Staatschef zieht die Parlamentswahl vor – sein Schröder-Moment. Und womöglich verliert er nicht komplett.

Stand:
Selten ist ein Politiker öffentlich so niedergemacht worden wie Emmanuel Macron. Der französische Staatspräsident: nicht stolzer Hahn, sondern gerupfter Gockel.
Aus Eitelkeit, Überheblichkeit, Selbstherrlichkeit, Arroganz habe Macron sein Land mit der vorgezogenen Parlamentswahl den Rechtsnationalen ausgeliefert. Damit löse er in ganz Europa einen Rechtsruck aus. Ein unverantwortlicher Zocker – das ist das Bild, das von ihm gezeichnet wird.
Aber stimmt das überhaupt? Das wäre die Alternative gewesen: sich der drohenden Niederlage kampflos zu ergeben, dem Niedergang hinzugeben, kraft- und leidenschaftslos hinzunehmen, was sich länger schon abgezeichnet hat.
Macron hat in zurückliegender Zeit viele enttäuscht, mit vielem provoziert. Innenpolitisch, europapolitisch. Das hat die Skepsis noch gefördert, gegen ihn und gegen Europa. Er wird um seine Verantwortung für das Zurückliegende wissen.
Und doch: Eben weil das so ist, durfte Macron als Präsident die Entwicklung nicht erleiden, sondern musste sie gestalten, sich ihr entgegenstellen, entgegenstemmen. Sein Schröder-Moment.
Damit wäre das Bild schon ein anderes: die Parlamentswahl als paradoxe Invention, ein Husarenstück in höchst bedrängter Lage, kühn, wagemutig. Musketier Macron, gewissermaßen. Die Richelieus dieser Welt sollten staunen.
Ja doch, es gibt Hoffnung für den zweiten Wahlgang
Tatsächlich kann es gelingen, das Husarenstück. Es gibt Hoffnung für den zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag. Kooperieren die Macronisten und die Anhänger der neuen Linken, können sie es schaffen, dass die Rechtsaußen um Marine Le Pen in der Nationalversammlung nicht die absolute Mehrheit der Sitze erreichen.
Der Rassemblement National wird in erheblich mehr Stichwahlen gezwungen als erwartet – und damit als Gefahr vielleicht bezwungen. Behaupten Meinungsforscher.
Es ist noch nicht vorbei. Allerdings so und so nicht. Denn nach der Wahl muss der Präsident erst recht große Politik machen. Er muss entweder die Spannungen mit den Rechtsnationalen überbrücken, oder die mit den Linksnationalen von La France insoumise (LFI), den Sozialisten, den Grünen und den Kommunisten. Und dann noch einen Premier Jean-Luc Mélenchon verhindern, der antisemitisch und euroskeptisch ist.
Emmanuel Macron kennt seine Karten. Aber er wird jetzt auch um seine Verantwortung für die kommende Zeit wissen. Und ist dabei für vieles gut, nicht zuletzt für Überraschungen.
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