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Macrons umstrittene Rentenreform: Frankreichs neuer Premier muss sich Misstrauensvotum stellen
Die Regierung in Paris steht nach nur einem Monat schon wieder unter Druck. Erwartet wird allerdings, dass Bayrou im Amt bleiben kann.
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In Frankreich steuert auch die frisch ernannte Regierung schon wieder auf ein Misstrauensvotum zu. Der erst vor gut einem Monat angetretene Ministerpräsident Francois Bayrou dürfte Beobachtern zufolge die für Donnerstagabend erwartete Abstimmung zwar überstehen.
Sollte der Zentrumspolitiker aber im Streit über die Rentenreform den Rückhalt der Sozialisten verlieren, wäre er ähnlich wie sein Vorgänger Michel Barnier von der Gunst der rechten Partei Rassemblement National (RN) – früher Front National – abhängig. Die Präsidentin der französischen Nationalversammlung, Yael Braun-Pivet, warnte vor den Folgen eines erneuten Regierungssturzes vor allem auf Entscheidungen über den Staatshaushalt.
Der Etat habe oberste Priorität, sagte Braun-Pivet am Donnerstag dem Fernsehsender TF1. „Heute müssen wir alle zusammen unsere Differenzen überwinden, um das Land voranbringen und auf wichtige Entwicklungen reagieren zu können.“ Die Debatte über das Misstrauensvotum soll um 15.00 Uhr (MEZ) beginnen.
Bayrou lässt Rentenreform in Frankreich überprüfen
Zuvor hatte Bayrou in einer Regierungserklärung angekündigt, dass die gegen massiven Widerstand durchgedrückte Rentenreform von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf den Prüfstand kommt. Die Sozialpartner erhielten drei Monate Zeit, eine sozial gerechtere Ausgestaltung der Rentenreform ohne Mehrkosten auszuarbeiten, sagte er.
Auch die erfolgte Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre könne dabei angefasst werden. Wenn keine Einigung auf eine Alternative gelinge, bleibe die Rentenreform von 2023 in Kraft, sagte der Premier.
Die im Frühjahr 2023 ohne Abstimmung durchs Parlament geboxte Rentenreform hatte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Begründet wurde das Schlüsselvorhaben von Macrons zweiter Amtszeit mit einem Loch in der Rentenkasse.
Mit dem Angebot, die Rentenreform zu überarbeiten, geht der Premier auf die Sozialisten zu, mit deren Hilfe er sein politisches Überleben und das der Regierung sichern will. Diese hat in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit, und die Linkspartei hat bereits ein Misstrauensvotum im Anschluss an die Regierungserklärung angekündigt. Im Fall von Zugeständnissen bei der Rente hatten die Sozialisten signalisiert, das Misstrauensvotum nicht zu unterstützen.
Der 73-Jährige Bayrou war Mitte Dezember zum Chef einer Minderheitsregierung ernannt worden. Allein 2024 war er der vierte Ministerpräsident unter Macron, seit dessen Amtsantritt 2017 hatte es zuvor bereits zwei weitere Regierungschefs gegeben.
Die Mitte-Rechts-Regierung von Bayrous Vorgänger Barnier war erst vor rund sechs Wochen im Streit über den Haushalt durch ein Misstrauensvotum linker Parteien gestürzt worden, hinter das sich Marine Le Pens RN gestellt hatte.
Le Pen hat Macron bereits wiederholt zum Rücktritt aufgefordert. Sie selbst hätte laut Umfragen gute Chancen auf dessen Nachfolge. 2017 und 2022 verlor sie jeweils in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen gegen Macron.
Für Ende März 2025 ist aber ein Urteil im Prozess gegen Le Pen und ihre Partei wegen Veruntreuung von EU-Geldern angekündigt, das weit reichende Folgen haben könnte: Die Staatsanwälte haben gefordert, dass Le Pen für fünf Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden darf. Der Ausgang ist offen.
Die politische Krise hat zu Verunsicherung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone geführt. Sie fällt zudem in eine Zeit, in der sich Deutschland auf eine vorgezogene Bundestagswahl vorbereitet und die USA auf die Amtsübernahme des Republikaners Donald Trump. (Reuters, dpa)
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