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Bundeskanzler Friedrich Merz (r, CDU) begrüßt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei dessen Ankunft im Garten des Bundeskanzleramtes in Berlin.

© dpa/JOHN MACDOUGALL

Merz kritisiert US-Motive : Die Ukraine-Diplomatie verträgt keine Querschläge

Das muss der Kanzler noch lernen: Die Trump-Regierung zu reizen oder gar zu verprellen, kann nicht in deutschem Interesse sein.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

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Er inszeniert sich gern als Klartext-Kanzler. Einer, der sagt, was ist. Einer, der nicht um den heißen Brei herumredet. Mit diesem Image ist Friedrich Merz Bundeskanzler geworden.

In diesem Amt muss er noch viel lernen. Eine der Lektionen heißt: Klartext zu reden, ist keine Tugend an sich. Ein Bundeskanzler, der in der internationalen Diplomatie ernst genommen werden will, muss wissen, wann er was sagt.

Ein Höchstmaß an Fingerspitzengefühl

Das gilt besonders in den Gesprächen über einen Waffenstillstand in der Ukraine. Gerade weil zwei der Hauptakteure – Donald Trump und Wladimir Putin – rhetorisch oft übers Ziel hinausschießen, muss Merz ein Höchstmaß an Fingerspitzengefühl an den Tag legen.

Das aber lässt er fatalerweise vermissen. In der Fraktionssitzung der Union soll er laut „Bild“-Zeitung am Dienstag gesagt haben: „Es ist für die Amerikaner keine Verhandlung über Krieg und Frieden, sondern ein Business-Case.“

Ähnlich abfällig äußerte sich Merz über die amerikanischen Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner in einer Telefonkonferenz europäischer Spitzenpolitiker, an der auch der ukrainische Präsident teilnahm. Dem „Spiegel“ zufolge sagte der Bundeskanzler zu Selenskyj: „Sie spielen Spielchen, sowohl mit euch als auch mit uns.“

Wirtschaftliche Verflechtungen können stabilisieren

Vielleicht hat Merz in der Sache recht. Das „Wall Street Journal“ berichtet über intensive geschäftliche Verhandlungen zwischen amerikanischen und russischen Großkonzernen.

Wäre ein Waffenstillstand durch amerikanisch-russische Geschäftsbeziehungen kontaminiert? Wohl kaum.

Malte Lehming

Trump hätte sicher nichts dagegen, wenn ein Friedens-Deal auch Profite für die USA abwerfen würde. Deshalb sollen die Europäer möglichst viele Waffen, die sie an die Ukraine liefern wollen, bei amerikanischen Rüstungskonzernen kaufen.

Aber wäre ein Waffenstillstand durch amerikanisch-russische Geschäftsbeziehungen kontaminiert? Wäre es in dem Fall besser, es käme gar nicht erst zu einem Waffenstillstand? Wohl kaum. Wechselseitige wirtschaftliche Verflechtungen können stabilisierend wirken.

Augenmaß und Weitblick sind gefragt

Wenn Diplomatie erfolgreich sein soll, müssen sämtliche Interessen und Realitäten in Betracht gezogen werden. Die russische Aggression darf nicht belohnt werden, sagt Merz. Das wird schwierig, weil davon ausgegangen werden muss, dass Russland bei einem Waffenstillstand beträchtliche Teile der Ukraine weiterhin besetzt halten wird.

Russland darf einen Waffenstillstand nicht nutzen, um erneut aufzurüsten, sagt Merz. Auch das wird schwierig. Wer sollte Putin daran hindern?

Augenmaß und Weitblick sind gefragt, auch bei Erörterungen im kleinen, vertraulichen Kreis. Es ist nicht an Deutschland, mit Maximalforderungen vom Seitenaus ins Spiel einzugreifen.

Auch Mutmaßungen über die „wahren Motive“ amerikanischer Verhandler sollte Merz nicht anstellen. Er sollte wissen: Europas Sicherheit lässt sich ohne die USA auf absehbare Zeit nicht gewährleisten. Die Trump-Regierung zu reizen oder gar zu verprellen, kann nicht in deutschem Interesse sein.

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