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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

© AFP/FREDERICK FLORIN

Mit breiter Mehrheit: EU-Parlament gibt grünes Licht für die neue Kommission

Wie erwartet, kann die neue EU-Kommission am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen. Von der Leyen versprach, sie werde mit allen „pro-europäischen Kräften“ zusammenarbeiten.

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In Sachen Glanzlosigkeit ist die Europäische Union einsame Weltspitze. Keine Minute dauerte am Mittwoch die Abstimmung über die neue EU-Kommission, es folgte eine kurze Gratulation der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola an die alte und neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Dann mahnte Metsola die Abgeordneten in Straßburg zur Ruhe und ging zur Tagesordnung über. Die nächste Abstimmung stand an, über Maßnahmen zum Schutz von Delfinen in der Biscaya.

Der stets eher unterkühlt wirkenden Ursula von der Leyen war die große Erleichterung allerdings anzusehen, als über ihrem Kopf auf der großen Anzeigetafel im Plenum vor der Zahl 370 ein grünes Pluszeichen aufleuchtete.

Überraschend große Zustimmung

282 Abgeordnete haben gegen die deutsche CDU-Politikerin gestimmt, 36 sich enthalten. Nach den bisweilen sehr harsch geführten Debatten der vergangenen Wochen über die Qualitäten und politischen Ausrichtungen der designierten Kommissare war diese große Zustimmung dann doch eine kleine Überraschung. Allerdings ist es auch eine Warnung an Ursula von der Leyen, denn das Abstimmungsergebnis bedeutet ein deutlich schlechteres Votum als ihr erstes Kollegium 2019 und das ihrer vier Vorgänger.

Zu einiger Wortakrobatik gezwungen sahen sich danach die deutschen Sozialdemokraten, die im Vorfeld immer wieder gegen Ursula von der Leyen Stimmung gemacht hatten. Sie fühlen sich politisch aufs Abstellgleis geschoben, weil in den vergangenen Wochen die konservative Mehrheit im Parlament einige Male mit den Parteien der extremen Rechten gestimmt hatte und auf diese Weise umstrittene Sachthemen durchdrückte. Vergrößert wurde ihre Empörung dadurch, dass Ursula von der Leyen den Italiener Raffaele Fitto von der postfaschistischen Fratelli d’Italia zu einem ihrer Stellvertreter machte.  

Ich selbst habe mich bewusst enthalten, weil ich einer handlungsfähigen Kommission nicht im Wege stehen will, aber auch zeigen will, dass es so nicht weitergehen darf.

René Repasi, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten

Zerknirschung bei den Sozialdemokraten

Nach der Abstimmung musste vor allem René Repasi, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, erklären, warum die deutschen Sozialdemokraten nach all den wuchtigen Worten im Vorfeld nicht gegen die Kommission votiert, sondern sich enthalten haben. Sehr viele Sozialisten aus anderen Ländern stimmten sogar für die Kommission. Sichtlich zerknirscht erklärte der SPD-Politiker in Straßburg, dass in diesen schwierigen Zeiten eine stabile Europäische Kommission notwendig sei. „Ich selbst habe mich bewusst enthalten, weil ich einer handlungsfähigen Kommission nicht im Wege stehen will, aber auch zeigen will, dass es so nicht weitergehen darf“, sagte Repasi nach der Abstimmung. Mit einem ähnlichen Appell an die staatsbürgerliche Verantwortung argumentierten die Vertreter der Grünen, von denen viele, trotz massiver Kritik an Ursula von der Leyen, für die Kommission gestimmt hatten.

Zu einem Stimmungsumschwung im linken Lager trug wohl auch die versöhnliche Rede des EVP-Vorsitzenden Manfred Weber vor der Abstimmung bei. Er lobte auffallend die Verdienste von Sozialdemokraten und Grünen beim Aufbau eines stabilen und prosperierenden Europas. Im selben Atemzug verortete er den „politischen Feind“ etwa bei der deutschen AfD.

Der SPD-Politiker Repasi vernahm diese Sätze natürlich gerne, doch mahnte er in Straßburg, dass den Worten Manfred Webers im politischen Alltag auch Taten folgen müssten und die Konservativen in Zukunft nicht ständig Mehrheiten mit den extremen Rechten bilden dürften. Ähnlich klang auf Ursula von der Leyen, die in ihrer Rede vor den Abgeordneten versichert, die neue Kommission werde „mit allen demokratischen, pro-europäischen Kräften“ des Parlaments zusammenarbeiten.

Das Überleben der Autoindustrie hat Priorität

War bei Ursula von der Leyens erstem Amtsantritt 2019 die Klimakrise eines der treibenden Themen, rücken nun andere Probleme in den Fokus. Als eine ihrer Prioritäten für die nächsten fünf Jahre nannte sie den Kampf um das Überleben der Autoindustrie in Europa. Dazu soll es zunächst unter ihrer Leitung einen strategischen Dialog geben. „Die europäische Automobilindustrie ist ein Stolz Europas. Millionen von Arbeitsplätzen hängen von ihr ab“, sagte die CDU-Politikerin.

Gemeinsam müsse man sicherstellen, dass die Zukunft des Autos weiterhin in Europa gestaltet werde. Auch die Bedrohung Europas durch Russland wird die neue Kommission zentral beschäftigen. Aus diesem Grund wurde von Ursula von der Leyen der neue Posten eines Verteidigungskommissars geschaffen. Europa soll militärisch unabhängiger werden und mehr in europäische Rüstungsprojekte investieren. 

Nach der Zustimmung am Mittwoch durch das Parlament kann die Kommission wie geplant im Dezember ihre Arbeit aufnehmen. Für die künftige EU-Politik ist dieser Schritt entscheidend: Als einzige Institution der Europäischen Union kann die Kommission Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlagen. Außerdem überwacht sie die Einhaltung des EU-Rechts. 

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