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Mit Stacheldraht und Soldaten: Panama sperrt Darién-Dschungel als Fluchtroute
Panamas Präsident Mulino versprach, die Route Richtung USA zu „schließen“. Die Zahl der Geflüchteten soll dadurch deutlich gesunken sein. Was heißt das für die Menschen?
Stand:
Mit einem Satz im Wahlkampf um die panamaische Präsidentschaft im April 2023 erregte José Raúl Mulino großes Aufsehen: „Wir werden den Darién schließen.“
Der Darién ist ein dichter Dschungel an der Grenze zwischen Panama und Kolumbien. Er ist die einzige Unterbrechung der Panamericana, jener Straße, die Alaska ganz im Norden mit Feuerland ganz im Süden des amerikanischen Kontinents verbindet. Zu schwierig war es, dort eine Straße zu bauen.
Sie werden auf der Flucht festgehalten, erpresst, physisch und sexuell missbraucht
Alethia Fernández de la Reguera Ahedo, Rechtswissenschaftlerin und Migrationsexpertin
Mittlerweile durchqueren ihn jährlich Hunderttausende Menschen, in sieben bis zehn Tagen legen sie gut 100 Kilometer per Boot oder zu Fuß zurück.
41 Prozent weniger Geflüchtete im Darién
Sie flüchten aus Ländern wie Venezuela, Haiti und Kuba, und sie wollen Richtung Norden, in die USA. Mulino, der Panama seit Juli regiert, möchte ihnen Einhalt gebieten.
Es scheint, als halte er sein Versprechen. Laut den panamaischen Behörden ist die Zahl der Geflüchteten, die den Darién durchqueren, 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent zurückgegangen.
„Gleich am ersten Tag im Amt unterschrieb Mulino ein Abkommen mit den USA, dass diese die Flüge finanzieren, mit denen Panama Geflüchtete in ihr Herkunftsland zurückschickt“, sagt Angélica Rodríguez, Professorin für Politik und Internationale Beziehungen an der Universidad del Norte in Kolumbien.
„Das Rote Kreuz berichtet außerdem, dass mittlerweile sechs der sieben Grenzübergänge zwischen Kolumbien und Panama mit Stacheldraht versperrt und die Militärpräsenz verstärkt wurde.“ Nach den Wahlen in Venezuela Ende Juli ließ Mulino per Dekret die gesamte Grenze schließen.
Laut Umfragen hatten Millionen Venezolaner angegeben, ausreisen zu wollen, sollte der autokratisch herrschende Präsident Nicolás Maduro an der Macht bleiben. Am 10. Januar hat sich dieser für eine dritte Amtszeit vereidigen lassen, obwohl es erhebliche Zweifel an seinem vermeintlichen Wahlsieg gibt.
Mulino selbst nennt das Abkommen mit den USA als Hauptgrund dafür, dass die Flüchtlingszahlen so stark zurückgegangen sind. Mitte Dezember forderte er deshalb den künftigen Präsidenten Donald Trump auf, das Abkommen aufrechtzuerhalten.
Humanitäre Organisationen und Migrationsexperten sind von der Politik des panamaischen Präsidenten alarmiert. „Diese Maßnahmen machen die Route durch den Darién-Dschungel noch gefährlicher, als sie es ohnehin schon ist“, sagt Expertin Rodríguez.
„Sie führen zwar dazu, dass weniger Menschen den Darién als Fluchtroute Richtung USA nutzen – aber nicht dazu, dass weniger Menschen flüchten.“

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Stattdessen würden Geflüchtete nun vor allem den gefährlichen Seeweg wählen, um an die mittelamerikanische Küste zu kommen und sich von dort aus den Fußkarawanen anschließen, die unterwegs in die USA sind. Dafür heuern sie Bootsführer an – viele davon bei Schleusern und kriminellen Banden.
Alethia Fernández de la Reguera Ahedo, Rechtswissenschaftlerin und Migrationsexpertin, sagt: „Barrieren wie Mauern, Stacheldraht und Patrouillen schrecken von der Durchquerung stark bewachter Routen ab und vertreiben die Menschen auf noch gefährlichere Wege, auf denen ihnen noch mehr Missbrauch widerfährt.“ An der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala sei das bereits der Fall.
Die Migrationsexpertin hat in den vergangenen Jahren Interviews mit Geflüchteten geführt, die durch den Darién nach Mexiko kamen. Natur und Klima nennen sie dabei nur als zwei von vielen Gefahren, die auf der gesamten Fluchtroute Richtung USA, besonders aber im Darién-Dschungel, lauern.

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„Die Menschen erzählen von schweren Traumata. Sie werden auf der Flucht festgehalten, erpresst, physisch und sexuell missbraucht“, sagt sie dem Tagesspiegel.
Viele leiden Hunger. Laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz starben zwischen 2018 und 2023 insgesamt 258 Menschen auf der Fluchtroute.
Maßnahmen wie die von Panamas Präsident Mulino, sagt auch Angélica Rodríguez, erhöhen nur die Verletzlichkeit der Geflüchteten. „Das ist keine Migrationspolitik, die auf Menschenrechten basiert.“
Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass Regierungen in Mittelamerika versuchen, die Flucht Richtung Norden möglichst schwierig zu gestalten, sagt Rossella Bottone, stellvertretende Landesdirektorin des Welternährungsprogramm (WFP) in Kolumbien. Migration haben sie bisher nie verhindert. „Die Menschen suchen sich immer andere Routen. Auch durch den Darién.“
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