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Mutmaßlicher Attentäter von Charlie Kirk: Verraten die vier eingravierten Sätze auf den Kugeln das Motiv des Täters?
Er war ein exzellenter Schüler, ging auf die Jagd und liebte Video-Games; er war lustig und gleichzeitig schüchtern: Das berichten Bekannte über Tyler R. Die Botschaften auf den Kugeln geben derweil Rätsel auf.
Stand:
Es ist eine Tat, die Amerika aufwühlt: Am Mittwoch wurde der rechte Influencer und Trump-Vertraute Charlie Kirk bei einer Universitätsveranstaltung im Bundesstaat Utah erschossen. Ein Schuss traf ihn vor 3000 Zuhörern in den Hals. Nach einigen Ermittlungspannen wurde ein Verdächtiger am späten Donnerstagabend Ortszeit gefasst.
Der Festgenommene ist 22 Jahre alt, heißt Tyler R. und kommt aus dem US-Bundesstaat Utah. US-Medien veröffentlichten den vollständigen Namen des Verdächtigen und ein Polizeifoto. Darauf ist ein junger weißer Mann mit dunklen Haaren zu sehen.
Der Verdächtige soll demnach die Tat gegenüber einem Familienmitglied „gestanden oder angedeutet (haben), dass er die Tat begangen habe“, sagte Utahs Gouverneur Spencer Cox. Laut eigener Aussage erkannte der Onkel von Tyler R. den Verdächtigen auf den Ermittlungsfotos und zeigte sie Tyler R.s Vater. Tyler R. soll dann gegenüber seinem Vater zugegeben haben, dass er Kirk erschossen habe. Er soll seinem Vater laut Medienberichten gesagt haben, dass er sich lieber umbringen als der Polizei stellen wolle. Der Vater kontaktierte daraufhin einen Geistlichen, der die Polizei informierte.

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Zwar ist vieles über den mutmaßlichen Schützen noch unklar. Aber aus Berichten von US-Medien lässt sich ein Bild des mutmaßlichen Täters zeichnen. Nach allem, was bisher bekannt ist, handelt es sich um einen jungen Mann, bei dem nichts darauf hindeutete, dass er in dieser Woche ein schweres politisches Verbrechen begehen würde.
Tyler R. lebte als ältester von drei Brüdern mit seiner Familie in der Stadt St. George rund 250 Kilometer südwestlich des Tatorts. Seine Eltern sind als konservative Wähler registriert. Laut US-Medien ist er nicht vorbestraft und hat eine weiterführende Schule besucht.
R.s Vater verkauft Küchen-Arbeitsplatten aus Granit, seine Mutter arbeitet im Gesundheitswesen. Wie viele Bewohner Utahs gehört die Familie der Glaubensgemeinschaft der Mormonen an, praktiziert ihren Glauben allerdings offenbar nicht mehr aktiv.
Nach Angaben der staatlichen Universität Utah hat er während der Corona-Pandemie 2021 ein Semester dort studiert. Wegen seiner guten Schulnoten bekam er ein Stipendium von 32.000 Dollar für die Hochschule. Aktuell studierte er Elektrotechnik an einem College. Laut seiner Mutter und ehemaligen Mitschülern war er ein exzellenter, äußerst zuverlässiger Schüler. Nach seinem High-School-Abschluss schrieb Tyler R.s Mutter auf Facebook, er sei ein „Genie“ und dass ihm alle Möglichkeiten offen stünden.

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Utahs republikanischer Gouverneur sagte bei der Pressekonferenz, Tyler R. sei in den vergangenen Jahren „politischer geworden“. Ein Mitglied seiner Familie habe ausgesagt, dass er sich kritisch über den bevorstehenden Auftritt von Aktivist Kirk in Utah und dessen ultrakonservative Ansichten geäußert habe. Tyler R. war demnach als Wähler in Utah registriert, jedoch für keine bestimmte Partei. Bisher hat er laut den Behörden bei keiner Wahl abgestimmt.
R. hat als Jugendlicher in seiner Freizeit gejagt, auch auf Schießplätzen war er häufiger. Fotos zeigen ihn und seine Geschwister, wie sie mit Waffen posieren, auch mit Maschinengewehren und Maschinenpistolen. Wie die „New York Times“ berichtet, beschreiben ihn Bekannte als Computer-Nerd, der viel Zeit mit Videospielen und Comics verbrachte. Call of Duty und Minecraft sollen zu seinen Lieblingsspielen gehört haben. Ein Freund von ihm verwies auch auf seine Begeisterung für sogenannte „Muscle Cars“, also für leistungsstarke Sportwagen.
Intelligent sei er gewesen und auch lustig. R. sei in der Schulzeit und in Gamer-Kreisen sehr beliebt gewesen. Ehemalige Mitschüler, Kommilitonen und Bekannte beschreiben ihn gleichzeitig aber auch als schüchternen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Nachbarn beschreiben R. als „zurückgezogen“. Er habe nie etwas gesagt und laut Musik gehört.

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Eine ehemalige Klassenkameradin erinnert sich in der „NYT“ daran, dass er sich schon früh für politische Ereignisse interessiert habe. So habe er als 14-Jähriger bei einer Diskussion in der Schulmensa alles über den Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Benghazi im Jahr 2012 gewusst.
Ein 11-Jähriger aus St. George, mit dem die Reporter der „NYT“ gesprochen haben, beschreibt eine Begegnung in der vergangenen Woche, die erahnen lässt, dass R. die Tat im Vorfeld plante. Der Junge hatte an der Tür von R. geklingelt, um zu fragen, ob er Hilfsjobs erledigen könne, um sich etwas Taschengeld zu verdienen. R. habe nervös und ängstlich gewirkt. „Er hat sich ziemlich komisch benommen“, erklärt der 11-Jährige gegenüber der „NYT“, R. habe immer wieder hinter sich in die Wohnung geblickt.
Nach der Tat postete R. wohl auf der Online-Plattform Discord Hinweise auf eine Waffe, die in einem Busch versteckt sei und Angaben über Patronen mit Gravuren. Aus dem Bekanntenkreis ist bisher nichts bekannt, was auf ein Motiv hindeuten könnte. „Ich habe keine Ahnung, warum er die Tat begangen haben könnte“ erklärte der Onkel von Tyler R. gegen dem „Wall Street Journal“.
In die Kugeln gravierte Sprüche: Erste Hinweise auf ein Motiv?
Allerdings nannte der Gouverneur von Utah auf einer Pressekonferenz erste Hinweise. Auf unbenutzten Patronenhülsen, die in der Nähe des Tatorts entdeckt worden seien, seien antifaschistische Parolen gefunden worden.
Gegenüber dem „Wall Street Journal“ sagte Gouverneur Cox: „Es ist für uns ziemlich klar, dass das eine Person ist, die stark mit linker Ideologie indoktriniert wurde.“
Andere Beobachter sind mit ihren Schlüssen zurückhaltender, denn die antifaschistischen Sprüche kommen auch aus der Gamer-Kultur, sind Internet-Memes und Anspielungen auf die Gamer-Community. „Die Nachrichten des mutmaßlichen Schützen wirken chaotisch und scheinen von Online-Diskussionen beeinflusst zu sein“, schreibt das auf Games und Gamer-Kultur spezialisierte US-Newsportal „Polygon“.
Auf einer Patrone sei „Hey Faschist, fang“ (die Original-Gravur zeigt: „Hey, fascist! Catch! ↑ → ↓↓↓“) zu lesen gewesen, gab Cox bekannt. Die Folge von Pfeilen ist die Tastaturkombination, um im Spiel „Helldivers 2“ Bomben abzuwerfen. Das Spiel wird von Nutzern als eine Faschismus-Satire gesehen.
Auf einer anderen Patrone stand „Oh bella ciao, bella ciao, ciao, ciao“, offensichtlich eine Anspielung auf die bekannte Hymne italienischer Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Lied war aber auch Teil einer Challenge, die sich vor einigen Monaten auf TikTok millionenfach verbreitete.
Auf einer anderen Kugel stand: „Wenn du das liest, bist du schwul Ichlachmichschlapp“ (im Original: „If you read this, you are gay LMAO“ - LMAO steht für „laughing my ass off“).
Ermittler fanden auch den Satz „Notices bulges OwO what’s this?“ (zu Deutsch in etwa: „Sieht Ausstülpungen, um Himmels willen, was ist das denn?“). OwO ist die Tastaturkombination für ein überraschtes Smiley-Emoji, das vor allem in der Furry-Community gebraucht wird, also von Menschen, die Rollenspiele als Tiere oder tierähnliche Kreaturen machen. „Bulges“ kann die Ausstülpung im Schritt eines Mannes sein.
Der Satz hatte wohl auch dazu geführt, dass es vor der Verhaftung hieß, auf den Kugeln des Schützen seien Anspielungen an Transgender-Ideologie zu finden. Damit hat der Spruch allerdings nichts zu tun. Als Internet-Meme wird der Satz zusammen mit einem beliebigen Bild verwendet, um Überraschung auszudrücken und sich über jemanden oder etwas lustig zu machen. Auch als selbstironische Referenz ist er inzwischen gebräuchlich.
Dass R. diese Sätze auf die Kugeln gravierte, zeigt, dass er wohl damit rechnete, dass sie von jemanden gefunden werden. Eine eindeutige Botschaft enthalten sie aber nicht. Vielmehr sind es Referenzen für die Internet-Community, in der er sich bewegte.

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Die US-Polizei hatte seit dem Attentat mit Hochdruck nach dem Schützen gefahndet – unter anderem mit Foto- und Videoaufnahmen des Verdächtigen. Das FBI setzte zudem eine Belohnung von 100.000 Dollar (gut 85.000 Euro) für Hinweise zur Ergreifung des Täters aus.

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Die Ermittler fanden zunächst aber nur einen Handabdruck und die mutmaßliche Tatwaffe. Es handele sich um ein „Hochleistungs-Bolzengewehr“, sagte der zuständige FBI-Agent Robert Bohls. Solche Waffen werden bei der Jagd auf Großwild eingesetzt oder als Präzisionswaffe von Scharfschützen des Militärs. Sie ermöglichen es, Ziele aus großer Distanz zu treffen. Die Ermittler gehen davon aus, dass Kirk aus einer Entfernung von rund 180 Metern mit einem einzigen Schuss tödlich am Hals verletzt wurde.
Kirk war Mitgründer der Organisation Turning Point USA (etwa: Wendepunkt USA) und galt als Trumps Sprachrohr für die Jugend. In Interviews, als Podcaster und bei Diskussionsveranstaltungen verbreitete er rechte Thesen und schreckte dabei auch vor Lügen und Falschinformationen nicht zurück.
Tyler R. sitzt derzeit in Haft. Er soll am Dienstag einem Richter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft will für den Verdächtigen, sollte er verurteilt werden, die Todesstrafe beantragen. (mit Agenturen)
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