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Kamala Harris bei der TV-Debatte,

© REUTERS/ELIZABETH FRANTZ

Nach dem Sieg von Harris über Trump: Ab jetzt wird der Wahlkampf richtig brutal

Kamala Harris hat das TV-Duell gegen Donald Trump klar gewonnen. Die Reaktion der Republikaner wird nicht lange auf sich warten lassen. Es könnte schmutzig werden.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Wo Donald Trump recht hat, hat er recht. Die Inflation in den USA ist ein Problem. Seit dem Amtsantritt von Joe Biden sind Produkte um 20 Prozent teurer geworden. Mehrere Millionen Migranten sind unkontrolliert ins Land gekommen. Der Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan war ein Debakel. Und Kamala Harris ist als Vizepräsidentin mitverantwortlich für den Zustand des Landes.

Was aber tun? Eine Antwort auf diese Frage blieb der Ex-Präsident in der TV-Debatte schuldig. Kein Plan, keine Vision. Er polterte, lamentierte und spottete – wirkte aber nicht angriffslustig, sondern verbohrt und verbittert.

Selbst die Stellen, an denen der 78-jährige Kandidat der Republikaner hätte punkten können, entwertete er durch rhetorische Maßlosigkeiten. Harris, die „Marxistin“, die das Unternehmertum hasst und Erfolg bestrafen will. Biden, der kein Präsident mehr ist, sondern Mittagsschlaf hält. Migranten, die Haustiere stehlen und dann essen. Das mag Lacher bringen, qualifiziert aber nicht für eine erneute Amtszeit als Präsident im Weißen Haus.

Vieles lässt auf eine Wechselstimmung schließen

Amerikanische Meinungsforscher fragen regelmäßig danach, ob sich das Land in die richtige oder falsche Richtung bewegt. Seit langer Zeit antworten zwei Drittel der Befragten, es gehe in die falsche Richtung. Rund 90 Prozent der Trump-Wähler empfinden das und immerhin 60 Prozent der Harris-Wähler. Diese negative Grundeinstellung lässt auf eine Wechselstimmung schließen.

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Doch wer steht für den Wandel? Im Jahr 2016 war das Trump. Da trat einer ins Rampenlicht, dem die institutionellen Traditionen egal waren, der klare Reden hielt, furchtlos, durchsetzungsfähig und authentisch erschien und einem „deep state“ den Kampf erklärte. In den sozialen Netzwerken schuf er sich eine Gegenöffentlichkeit an den etablierten Medien vorbei. Diese Unerschrockenheit faszinierte viele Wähler.

Der Trump des Jahres 2024, acht Jahre später also, wirkt wie eine schlechte Kopie seiner selbst. Man hört ihn laut sprechen und wild gestikulieren und hat das Gefühl, diesen Film schon sehr oft gesehen zu haben. Der ewige Rebell hat weiße, schüttere Haare, wiederholt sich, schließt beim Zuhören die Augen. Ein alter, weißer, wütender Mann.

Es gibt keinen stärkeren Kontrast dazu als Kamala Harris. Auch sie hat Schwächen und weicht heiklen Themen gelegentlich aus. Doch im Gegensatz zu Hillary Clinton, die 2016 gegen Trump verlor, hat sie keine Skrupel, nahbar und persönlich zu sein, Biografisches mit Programmatischem zu verbinden. Eine scharfzüngige Wahlkämpferin von präsidialer Statur.

Auch Pop-Ikone Taylor Swift will für Harris stimmen

Es fällt leicht, sich lustig zu machen über die „Kamala-mania“, die nach Bidens Rückzug als Kandidat der Demokraten und der Nominierung von Harris ausgebrochen ist. Dass unmittelbar nach der Debatte auch Pop-Ikone Taylor Swift ankündigte, für Harris stimmen zu wollen, wird die Griesgrame noch bestätigen.

Außerdem ist das Rennen noch nicht gelaufen. Sowohl der direkte Vergleich zwischen Harris und Trump als auch die Umfragezahlen in den wahlentscheidenden Bundesstaaten auf der Kippe erlauben keine Vorhersage, wer am Ende Präsident wird.

Hinzu kommt: Trump wird notorisch unterschätzt. Seine „heimliche Wählerschaft“ lässt sich ermitteln, wenn nicht nach der eigenen politischen Präferenz gefragt wird, sondern nach der des Nachbarn. Dann steht es derzeit 43 zu 39 Prozent für Trump.

Harris hat das TV-Duell klar gewonnen. Es gelang ihr, das Gefühl zu vermitteln, dass das Geschick des Landes bei ihr sowohl aus politstrategischen als auch aus menschlichen Gründen in guter Hand wäre. Freilich wird ihr Sieg aller Voraussicht nach die Anstrengungen der Republikaner verstärken, sie charakterlich zu denunzieren. US-Wahlkämpfe sind brutal.

Die Kennenlernphase der Kandidaten ist seit der TV-Debatte vorbei. Nun wissen die Amerikaner, was die Alternative ist. Das Duell hatte eine Siegerin, aber es ist nichts entschieden. Bis zur Wahl am 5. November sind es noch knapp acht Wochen. Das ist eine lange Zeit.

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