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Charlie Kirk wurde am Mittwoch erschossen.

© dpa/Rajanish Kakade

Nach der Ermordung von Charlie Kirk : Die politische Spaltung Amerikas wird sich weiter vertiefen

Was ändert sich durch Kirks Ermordung? Nichts. Und wenn doch, dann zum Schlechteren. Der Bürgerkrieg zwischen Linken und Rechten wird noch intensiver ausgetragen werden als bisher schon.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Wenn etwas Schlimmes geschieht oder getan wird, lautet die erste Frage: Was ändert sich? So auch jetzt, nach der Ermordung des rechtskonservativen amerikanischen Aktivisten, Charlie Kirk. Er wurde erschossen, auf dem Campus einer Universität im Bundesstaat Utah.

Kirk hatte es geliebt, sich mit „woken, linken Studenten“, wie er sie nannte, rhetorisch zu duellieren. Er machte Videoaufnahmen von diesen Debatten und stellte sie ins Netz. Natürlich wurden die Aufnahmen so geschnitten, dass er stets als Sieger aus den Debatten hervorging. Das schmerzte die Unterlegenen.

Kirk war ein enger politischer Verbündeter und Freund der Familie Trump. Im studentischen Milieu hatte er erfolgreich um Stimmen für den Republikaner geworben. Der reagierte auf dessen Ermordung entsprechend entsetzt, sei voller Trauer und Wut über die abscheuliche Tat.

„Seit Jahren“, erklärte Trump weiter, „vergleichen radikale Linke wunderbare Amerikaner wie Charlie mit Nazis und mit den weltweit größten Massenmördern und Kriminellen.“ Trump selbst war am Tag zuvor bei einem Restaurantbesuch in Washington D.C. als „Hitler unserer Zeit“ beschimpft worden.

Kirk wird von Trump zum Märtyrer gemacht werden

Was also ändert sich durch Kirks Ermordung? Die Antwort lautet: nichts – und wenn doch, dann zum Schlechteren. Die politische Spaltung Amerikas wird sich weiter vertiefen. Der Bürgerkrieg – man kann es kaum anders nennen – zwischen Linken und Rechten wird noch intensiver ausgetragen als bisher schon. Die Wölfe werden nicht zu Schafen, sondern ihre Zähne fletschen.

„Schlimmer geht‘s nimmer“, sagt der Optimist, wenn ein Tiefpunkt und die Grenze des Erträglichen erreicht wurden. „Schlimmer geht’s immer“, sagt der Pessimist, wenn er an den Hass denkt, der die gesellschaftlichen Lager in den USA prägt und den sie kultivieren. In diesem Fall ist ein Pessimist nichts anderes als ein gut informierter Realist.

Sympathisanten von Charlie Kirk versammeln sich vor dem Krankenhaus, in das er nach dem Attentat eingeliefert worden war.

© IMAGO/Anadolu Agency/IMAGO/Tayfun Coskun

Kirk wird von Trump und seinen Getreuen zum Märtyrer gemacht werden. Es gehört zum rechten rhetorischen Repertoire, sich von „intoleranten Linken“ verfolgt und diffamiert zu fühlen, von der „Lügenpresse“, der „Elite“, dem „Establishment“, den Vertretern einer „political correctness“. Auch das Attentat auf ihn selbst hatte Trump in diesem Sinne instrumentalisiert.

Die derart Angegriffenen und ihrerseits Diffamierten wären gut beraten, solchen Vorhaltungen nicht neue Nahrung zu geben. Die Spitze der Demokratischen Partei in den USA hat die Ermordung Kirks klipp und klar verurteilt. Das war richtig, geboten und klug. Leider braucht es nur wenig Fantasie, um zu ahnen, dass demnächst auch ein Gegner Kirks ihm dessen Zitate vorhält, mit der unterschwelligen Botschaft: selbst schuld. Das wäre niederträchtig.

Wer die Verrohung des öffentlichen Debattenraumes beklagt, sollte selbst nicht unnötig aufrüsten.

Malte Lehming

Aus Deutschland ist solche Niedertracht bekannt. Anfang Juni 2019 war der Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke, von einem Rechtsextremisten per Kopfschuss ermordet worden. Zuvor war Lübcke wegen seiner toleranten Flüchtlingspolitik als „Volksverräter“ beschimpft worden. Nach dessen Ermordung jubelten diese Kreise und riefen zu weiteren Attentaten auf.

Wer die Verrohung des öffentlichen Debattenraumes beklagt, sollte selbst nicht unnötig aufrüsten. Wer gegen Hass und Hetze auf die Straße geht, sollte kein Schild mit der Aufschrift tragen „Ich hasse Nazis“. Überhaupt: Wem nützen – ob in den USA oder in Deutschland – im Umgang mit den Vertretern rechter Ideologien die Hitler-Vergleiche, Nazi-Analogien und Faschismus-Parallelen? Wird der Gegner durch solche Titulierungen nicht eher dämonisiert als entlarvt?

Gegen Nazis gibt es, das lehrt die deutsche Geschichte, ein Widerstandsrecht, das bis zur Legitimation des Tyrannenmordes reicht. Handeln, ehe es zu spät ist: Von diesem Willen war womöglich auch Kirks Attentäter angetrieben worden. Widerstanden werden sollte vor allem solch endzeitlichen Dystopien.

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