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Am Treffen der Asean-Verteidigungsminister in Kambodscha Ende November nahmen auch US-Minister Lloyd Austin (3.v.r.) und Russlands Vizeminister Alexander Fomin (2.vl.) teil.

© dpa/Heng Sinith

Nah am Stillstand: Europa und Südostasien brauchen einander – und kommen kaum voran

Russlands Krieg und die Spannungen zwischen den USA und China zeigen: Die EU und die Asean-Staaten brauchen engere Beziehungen. Doch der Prozess ist miserabel langsam. Ein Gastbeitrag.

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Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU am Mittwoch in Brüssel mit ihren Amtskollegen aus einer Gruppe asiatischer Länder zusammentreffen, sollte das ein Grund zum Feiern sein – und eine Chance. Der EU-Asean-Gedenkgipfel markiert das 45-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen.

Die zehn Länder, die im Verband Südostasiatischer Nationen (Asean) zusammengeschlossen sind – Brunei, Myanmar, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam –, sind zusammengenommen eine der acht größten Wirtschaftsmächte der Welt. Als Gruppe sind sie der drittgrößte Handelspartner der EU außerhalb Europas nach den Vereinigten Staaten und China.

Die Asean-Staaten wollen nicht Partei gegen Russland oder China ergreifen

Das Gipfeltreffen wird sich jedoch nicht auf die wachsenden Handelsbeziehungen stützen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich nicht einmal mit drängenden Fragen wie Menschenrechten, Klimawandel oder Geopolitik in der Lieferkette befassen. So viel zur strategischen Partnerschaft, die 2020 zwischen EU und Asean unterzeichnet wurde.

Ziel des Abkommen war ein Bekenntnis zu einer regelbasierten internationalen Ordnung auf Basis gemeinsamer Werte. Doch Corona, der Putsch 2021 in Myanmar und die politische Unsicherheit auf den Philippinen und in Thailand haben verhindert, dass die Partnerschaft vorankommt. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine, der autoritäre Kurs Chinas und die wachsenden Handelsstreitigkeiten zwischen Washington und Peking sind Themen, die der Gipfel vermeiden wird. Asean will bei keinem dieser Themen Partei ergreifen.

Protest gegen den Militärputsch 2021 in Myanmar. Der Staatsstreich ist eines der großen Hindernisse dafür, dass die Asean-Partnerschaft mit der EU vorankommt.

© Reuters/Stringer

Doch werden auf dem Gipfel nicht einmal Handelsfragen zur Sprache kommen. Die Fortschritte beim Abschluss von Handelsabkommen zwischen Brüssel und Asean sind miserabel langsam. Die EU hat nur mit Singapur und Vietnam ein Abkommen geschlossen. Bemühungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen liegen auf Eis. Angesichts der zunehmenden Rolle Chinas in der Region, in Europa und weltweit sehnen sich die Asean-Länder nach viel engeren Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Europa.

EU und Asean haben ein gemeinsames Dilemma

Was China betrifft, so stehen die EU und die Asean-Staaten vor einem ähnlichen Dilemma. Die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China bedeuten, dass die Europäer und die Asean-Länder von Washington unter Druck gesetzt werden, eine härtere Haltung gegenüber Peking einzunehmen.

Man erinnere sich nur daran, wie mehrere EU-Mitgliedstaaten von den Vereinigten Staaten dazu gedrängt wurden, die Investitionen von Huawei in Europa zu zügeln. Es waren nicht nur die Investitionen, die Washington einschränken wollte, sondern es ging um ihre sicherheits- und geheimdienstlichen Auswirkungen.

Die Präsenz von Huawei in Europa und die Notwendigkeit mehrerer Mitgliedstaaten, Abkommen mit dem Unternehmen zu schließen, zeigten auch, dass Europa nicht in der Lage ist, eine eigene starke technologische Infrastruktur zu entwickeln, die es ihm ermöglichen würde, chinesische Technologie abzulehnen. Aufgrund der Abhängigkeit Europas von China in Bezug auf Handel und Exporte wollen die Europäer nicht gezwungen werden, sich auf die Seite der Amerikaner im Handelskrieg mit China zu stellen.

Die Fortschritte beim Abschluss von Handelsabkommen zwischen Brüssel und Asean sind miserabel langsam.

Judy Dempsey

Da sich China jedoch zunehmend in eine autoritäre Richtung bewegt, überdenken mehrere EU-Staaten ihre Handelsbeziehungen mit China und schränken Pekings Investitionen ein. In Deutschland scheut der einflussreiche Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nicht mehr davor zurück, die Regierung Scholz auf die Gefahren einer noch stärkeren Abhängigkeit der Wirtschaft und der Exporte vom chinesischen Markt hinzuweisen. Bislang zeigt der Bundeskanzler jedoch wenig Anzeichen für eine Diversifizierung des deutschen Handels. Sein jüngster Besuch in Peking, begleitet von einer großen Wirtschaftsdelegation, bestätigte die Kontinuität dieser Politik.

Auch die Asean-Länder befinden sich in einem Dilemma. Sie sind gegenüber dem amerikanischen Druck verwundbar. Aufgrund ihrer geografischen Lage sind sie jedoch viel stärker von chinesischen Investitionen und Handel berührt – und Chinas wachsenden Verteidigungs- und Sicherheitsambitionen ausgesetzt, insbesondere im Südchinesischen Meer.

Pekings zunehmend aggressives Auftreten gegenüber Taipeh, das sich in die polemische Dynamik zwischen Peking und Washington einfügt, bereitet den Asean-Ländern ebenfalls große Sorgen. Die Angst, dass die Spannungen in einen militärischen Konflikt umschlagen könnten, ist bei ihnen ebenso groß wie bei den Europäern. Beide wollen nicht Partei ergreifen. Umso mehr sollten Europa und die Asean-Staaten ihren Handel und ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen ausbauen. Beide Seiten brauchen verlässliche Partner.

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