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Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, im Präsidentenpalast in Kiew (Archivbild vom 18.04.2024).

© dpa/Kay Nietfeld

„Naive Vorstellung“ im Westen: Selenskyj sieht Russlands „rote Linien“ als Bluff – der entlarvt ist

Die Angst vor einer Eskalation des Krieges sei unbegründet, sagt der ukrainische Präsident. Als Beleg führt er die Offensive in Kursk an.

Stand:

Wenn Wladimir Putin zu sehr provoziert wird, erklärt er der Nato den Krieg oder lässt Atomraketen abfeuern: Diese Sorge bestimmt seit Beginn der russischen Vollinvasion die Debatte im Westen darüber, welche Waffen an die Ukraine geliefert werden dürfen – und wohin damit geschossen werden darf. Doch der Vorstoß der Ukraine in die russische Oblast Kursk zeige nach Darstellung von Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass russische Drohungen mit Vergeltung leer seien.

Selenskyj verweist vor ukrainischen Diplomaten darauf, dass einige Partner die von Russland ausgerufenen „roten Linien“ als Begründung für Einschränkungen beim Einsatz ihrer Waffen genannt hätten.

Die „naive, illusorische Vorstellung“ derartiger Linien, die die Analysen einiger Partner beherrscht habe, sei in diesen Tagen in sich zusammengestürzt. Wenn diese Partner den Einsatz ihrer Langstreckenwaffen nicht beschränkt hätten, wäre der Vorstoß nach Russland hinein gar nicht nötig gewesen, sagt Selenskyj. Der Erfolg der Kursk-Offensive habe aber zu einem Umdenken im Westen geführt.

Die Ukraine hat das Problem, von Russland aus mit Raketen und Drohnen beschossen zu werden, ohne die Abschussstellungen erreichen zu können.

Selenskyj: Ukraine kontrolliert mehr als 1000 Quadratkilometer in Russland

Nach Darstellung von Selenskyj kontrolliert sein Land inzwischen mehr als 1250 Quadratkilometer in Russland. Es seien 92 Ortschaften eingenommen worden, erklärt er weiter. Eine Stellungnahme Russlands liegt zunächst nicht vor. Die genannte Fläche entspricht etwa der Hälfte des Saarlandes.

Ein taktisches Ziel, die Gefahr für die ukrainische Grenzregion Sumy zu verringern, sei damit erreicht. Zudem sei die Offensive der größte Erfolg bezüglich der Gefangennahme russischer Soldaten seit Kriegsbeginn, sagte Selenskyj. Seinen Angaben nach sollen die Russen später gegen kriegsgefangene Ukrainer ausgetauscht werden.

Allerdings gehen Selenskyjs Angaben zu dem Vorstoß über die meisten bisherigen Schätzungen von Militärbeobachtern hinaus. So hatte vor wenigen Tagen das unabhängige Internetportal „Meduza“ auf Grundlage von Foto- und Videomaterial im umkämpften Gebiet Kursk die Geländegewinne auf 862 Quadratkilometer geschätzt. Allerdings räumen die meisten Experten selbst die Ungenauigkeit ihrer Schätzungen ein. Vor allem die ukrainischen Streitkräfte veröffentlichen sehr wenig, um ihren Vormarsch nicht zu gefährden.

Nach Einschätzung des Militäranalysten Jan Matwejew laufen die russischen Truppen südlich des Flusses Sejm zudem Gefahr, eingekesselt zu werden. Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben zwei Brücken über den Fluss zerstört oder zumindest schwer beschädigt. Zudem gibt es bislang offiziell noch unbestätigte Berichte über eine dritte zerstörte Brücke. Solche Schäden würden die Versorgung der russischen Truppenteile, aber zugleich auch einen eventuellen Rückzug massiv erschweren, argumentierte Matwejew. (Reuters/dpa/Tsp)

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