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Jüdische Siedler beten im Außenposten Eviatar im israelisch besetzten Westjordanland während des Morgengebets und fordern die Legalisierung des Außenpostens.

© dpa/Ohad Zwigenberg

Neue Siedlungen im Westjordanland: Israel macht unbeirrt weiter – und der Aufschrei bleibt aus

Die Netanjahu-Regierung genehmigt den Bau von Wohnanlagen auf besetztem Gebiet und unternimmt wenig gegen die Siedlergewalt. Die Palästinenser sind machtlos, die Welt scheint das schulterzuckend hinzunehmen.

Christian Böhme
Ein Kommentar von Christian Böhme

Stand:

Das Vorgehen hat Methode und ein eindeutiges Ziel: Die Lebensgrundlagen der Palästinenser sollen mithilfe jüdischer Siedlungen zunichtegemacht werden. Kein Land, kein Zuhause, kein Einkommen – herbeigeführt im Westjordanland durch Macht und Gewalt.

Es ist eine gleichermaßen unrechtmäßige wie perfide Strategie. Aber die Welt scheint das schulterzuckend hinzunehmen. Der Aufschrei, er bleibt aus.

Dabei werden wieder einmal Menschen im ohnehin völkerrechtswidrig besetzten Westjordanland planmäßig verdrängt und vertrieben. Darauf setzen militante jüdische Siedler schon seit vielen Jahren.

Und Bezalel Smotrich ist so etwas wie der Wortführer dieser nationalistischen Eiferer. Einer, der politisch den Weg für die illegale Landnahme bereitet.

Bezalel Smotrich (l.) will einen eigenständigen Palästinenser-Staat verhindern.

© REUTERS/RONEN ZVULUN

Israels rechtsextremer Finanzminister hat denn auch am Sonntag voller Stolz mitgeteilt, das Kabinett habe den Bau von 19 neuen jüdischen Siedlungen genehmigt. Elf sollen erst noch errichtet, acht bestehende legalisiert werden. Das sind offenbar sogenannte Außenposten, die selbst nach israelischem Recht illegal sind.

Damit seien es insgesamt 69 Wohnanlagen auf palästinensischem Gebiet, die in den vergangenen drei Jahren von der Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu gebilligt wurden, brüstet sich Smotrich.

Schon heute leben dort 500.000 Siedler inmitten von drei Millionen Palästinensern – und Tausende kommen jetzt hinzu. Mit anderen Worten: Ein eigenständiges Palästina wird unter Mauern und Straßen begraben. Es ist der Versuch einer Annexion durch die Hintertür.

Auch Siedler-Außenposten, die selbst nach israelischem Recht bisher illegal waren, sollen legalisiert werden.

© dpa/Ohad Zwigenberg

Der Hardliner macht auch keinen Hehl daraus, dass dies so beabsichtigt ist. Im Gegenteil. „Wir stoppen vor Ort die Errichtung eines palästinensischen Terrorstaates“, tönt Smotrich. Und: „Wir werden weiterhin das Land unserer Väter entwickeln, bebauen und besiedeln – im festen Glauben an die Richtigkeit unseres Weges.“

Doch daran ist nichts richtig. Eine Zweistaatenlösung mag nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Gazakrieg, nach all dem Grauenhaften, unrealistischer denn je erscheinen. Aber diese Idee allein durch Faktenschaffen von vornherein zu konterkarieren, ist ein Affront.

Die Palästinenser werden systematisch drangsaliert und attackiert, Ernten vernichtet, Häuser zerstört. Oft im Beisein und geduldet von israelischen Sicherheitskräften.

Christian Böhme

Dazu passt die Gewalt, mit der Siedler im Westjordanland vorgehen. Die dort lebenden Palästinenser werden systematisch drangsaliert und attackiert, Ernten vernichtet, Häuser zerstört. Oft geduldet von israelischen Sicherheitskräften.

Im besetzten Westjordanland entstehen immer mehr Wohnanlagen für israelische Familien. Palästinenser werden vertrieben.

© AFP/John Wessels

Nach einer Zählung des Büros der Vereinten Nationen (UN) für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) gab es allein im Oktober mehr als 260 Angriffe durch Siedler.

700
Palästinenser wurden zwischen dem 1. Januar 2024 und dem 30. November 2025 im Westjordanland getötet.

Auch Menschenleben sind zu beklagen. Laut den UN wurden zwischen dem 1. Januar 2024 und dem 30. November 2025 mehr als 700 Palästinenser im Westjordanland getötet – die meisten von israelischen Soldaten, aber einige auch von militanten Siedlern. Nur in Ausnahmefällen kam es überhaupt zu einer Anklage.

Das muss die Staatengemeinschaft empören. Aber die Proteste wirken allzu verhalten, fast schon pflichtschuldig.

Ja, die Erfolgsaussichten sind gering, dass Israels Führung den Siedlern Einhalt gebietet. Nur entbindet das nicht davon, das Unrecht lautstark anzuprangern.

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