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UNHCR dokumentiert mehr als 123 Millionen: Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht
Die Zahl ist erschreckend: 2024 waren 123,2 Millionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Das zeigt der neue Jahresbericht des UN-Flüchtingshilfswerks. Kleine Lichtblicke gibt es trotzdem.
Stand:
Weltweit sind mehr Menschen denn je auf der Flucht. Der am Donnerstag veröffentlichte Jahresbericht des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) dokumentiert eine globale Krise. Laut den neuesten Erhebungen waren im Jahr 2024 insgesamt 123,2 Millionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen – sei es aufgrund von Krieg, Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen.
Die Zahlen markieren einen neuen Höchststand und stellen die Weltgemeinschaft vor wachsende Herausforderungen im Umgang mit Flucht, Migration und humanitärer Hilfe. Doch der Bericht birgt auch den ein oder anderen Lichtblick.
Weniger Flüchtlinge, mehr Binnenvertriebene
„Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren hat die Zahl der Vertriebenen keinen großen Sprung nach oben gemacht“, sagt hierzu UNHCR-Vertreterin in Deutschland, Katharina Thote, dem Tagesspiegel. Doch sie warnt vor voreiligen Schlüssen und spricht von einem inakzeptablen Niveau: „Wir sprechen von mehr als 123 Millionen Menschen, also eineinhalbmal die Einwohnerzahl von Deutschland.“

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Die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr um gut sechs Millionen gestiegen. „Wir müssen alles tun, dass diese Zahlen runtergehen und die Menschen im Idealfall wieder sicher und freiwillig nach Hause gehen können“, sagt die UNHCR-Vertreterin Thote.
Besonders ins Gewicht fällt der Anstieg der Binnenvertriebenen, also all jenen, die innerhalb ihres Heimatlandes fliehen. Sie machen mehr als die Hälfte, gut 60 Prozent, der vertriebenen Menschen weltweit aus. Ihr Anteil stieg 2024 um 6,3 Millionen im Vergleich zum Vorjahr, auf insgesamt 73,5 Millionen Menschen.
Wir sprechen von mehr als 123 Millionen Menschen, also eineinhalbmal die Einwohnerzahl von Deutschland.
Katharina Thote, UNHCR Vertreterin in Deutschland
Allein der Krieg im Sudan trug maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Dort ist die Zahl der Binnenvertriebenen fast doppelt so hoch wie die der internationalen Flüchtlinge, heißt es in der Pressemitteilung zu dem Bericht von UNHCR.
Das sind die Herkunftsländer
Im Gegensatz dazu sank die Zahl der Flüchtlinge, also derer, die bei ihrer Flucht eine internationale Grenze überschreiten, erstmals seit 2011 leicht um etwa eine halbe Million auf 42,7 Millionen im Jahr 2024. Dennoch bleibt die Belastung hoch.
Rund 70 Prozent dieser Menschen stammen aus fünf Hauptherkunftsländern: Venezuela, Syrien, Afghanistan, Ukraine, Südsudan und Sudan.

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Während die Zahlen aus Venezuela leicht stiegen, verzeichnete UNHCR Rückgänge bei Geflüchteten aus Syrien (minus 6 Prozent), Afghanistan (minus 10 Prozent) und der Ukraine (minus 17 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr. Laut dem Bericht ist dies unter anderem vermehrten Rückkehrbewegungen in diese Länder zuzuschreiben.
Anders verhielt es sich mit Flüchtlingen aus dem Sudan. Im Vergleich zu 2023 stieg die Anzahl der Flüchtlinge von dort um 40 Prozent. Die große Mehrheit der sudanesischen Flüchtlinge kamen in den Nachbarländern Tschad, Südsudan und Libyen unter.
Nach Europa kommt nur ein Bruchteil der Vertriebenen.
UNHCR-Pressemitteilung zum Jahresbericht
Generell lebten laut dem Bericht 67 Prozent aller geflüchteten Menschen nun in Staaten, die an ihr Herkunftsland angrenzen. „Nach Europa kommt nur ein Bruchteil der Vertriebenen“, heißt es in der Pressemitteilung.
Weniger Asylsuchende in Deutschland
Weltweit stellten 2024 insgesamt 4,8 Millionen Menschen einen Asylantrag. Ein Drittel davon entfiel auf Staatsbürger der Ukraine und des Sudans. Die Hälfte aller Asylanträge wurde in den USA, Ägypten, Deutschland und Kanada eingereicht.
In der Bundesrepublik gingen die Asylantragszahlen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registrierte für das Jahr 2024 insgesamt 250.945 Asylanträge, wovon 229.751 Erstanträge waren. Das waren rund 101.000 Anträge weniger als 2023.
Zahl der Rückkehrer höchste seit 2002
Das UNHCR nennt drei verschiedene nachhaltige Lösungen für geflüchtete oder vertriebene Menschen: die Rückkehr in ihr Heimatland, die Neuansiedlung oder Umsiedlung bestimmter Gruppen oder die Einbürgerung in ein sicheres Land.

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Die Rückkehr in das Heimatland macht laut Bericht dabei den bedeutendsten Posten aus. Im vergangenen Jahr kehrten insgesamt mehr als 1,6 Millionen Flüchtlinge aus insgesamt 78 Asylländern zurück in ihre Herkunftsländer. Dies ist die höchste Zahl von Flüchtlingsrückkehrern innerhalb eines Jahres seit 2002.
Zugleich aber mahnt das Flüchtlingshilfswerk: Die Rückkehr in Länder wie Syrien und die Ukraine sei nicht dauerhaft sicher. Zudem fänden Rückkehrungen teilweise aufgrund „widriger Umstände in dem ehemaligen Asylland“ statt.
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