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Noch gibt es etwas Unterstützung durch US-Nothilfe, wie hier in Burundi. Doch Trump hat deren faktisches Ende eingeleitet.

© AFP/LUIS TATO

Weltweite Krise der humanitären Hilfe: Was Europa leisten könnte – und warum es scheitert

Die USA wollen kein Helfer in der Not mehr sein. Europa könnte diese Lücke schließen. Doch es fehlt an Konzepten und Engagement. Das hat Folgen.

Ein Gastbeitrag von Ralf Südhoff

Stand:

Die Krisen der Welt eskalieren – nun sind auch noch die Krisenhelfer selbst in der wohl größten Krise ihrer Geschichte und rufen händeringend nach Führung.

Seitdem die USA sich mit dem faktischen Ende ihrer Nothilfe selbst als Helfer in der Not abgeschafft hat, richten sich alle Augen auf Europa und Deutschland. Zu Recht.

Die humanitären Herausforderungen sind gerade vor den Toren Europas mit den Händen zu greifen: Die Lage in Gaza hat die nächste Eskalationsstufe erreicht; in der Ukraine zerstieben alle Hoffnungen auf Frieden; im „neuen“ Syrien entscheidet sich jetzt, ob Boom oder Pleite folgen; im Sudan herrscht die weltweit schlimmste Hungersnot.

Zeitgleich hat US-Präsident Trump mit dem Ende von USAID kurzerhand fast 40 Prozent der globalen humanitären Hilfe abgeschafft.

Es vergeht keine Woche, in der nicht das Welternährungsprogramm oder das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sowie internationale oder lokale Nichtregierungsorganisationen die Entlassung von Tausenden Mitarbeitenden ankündigen.

Nie stand Europa im Hilfssektor so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit, und es hat alle Möglichkeiten, sich mit seinen propagierten Werten zu profilieren.

Gezielt streichen die USA zahllose dieser Programme zusammen, die Europa mit wenig Geld und neuer Priorisierung retten könnte.

Ralf Südhoff

Nur wenige außereuropäische Länder setzen in Zeiten eines neuen „Transaktionalismus“ und militärischer „hard power“ noch auf „soft power“, also Werte wie Verlässlichkeit, Humanität und verlässliche Spielregeln. Europa könnte deshalb schon mit drei einfachen Mitteln viel bewegen.

Erstens könnte es die Voraussetzungen für eine effiziente, wirksame Hilfe retten, die in den USA gerade zunichtegemacht wird. Moderne Satellitendaten ermöglichen es zum Beispiel, zielgenaue Prognosen für Dürren und Fluten zu erstellen.

Doch just diese Jobs sind gefährdet. Webseiten wurden schon abgeschaltet, dabei geht es um Minibeträge. 

Zweitens könnte Europa gerade bei der humanitären Hilfe beweisen, dass es real und nicht nur verbal Trumps Kampagnen gegen Klima und Gender, Inklusion und Familienplanung etwas entgegensetzt.

Geld muss klug eingesetzt werden

Gezielt streichen die USA zahllose dieser Programme zusammen, die Europa mit wenig Geld und neuer Priorisierung retten könnte – und so den Respekt vor den Themen gleich mit. Spendenabteilungen großer Hilfsorganisationen löschen derartige Hinweise bereits, um potenzielle Financiers gewogen zu machen.

Auch hier spielt nicht unbedingt mehr Geld die zentrale Rolle. Es geht aus europäischer Sicht darum, die Mittel strategischer einzusetzen statt ausgefallene nationale Lieblingsprojekte zu finanzieren. Das gab sogar ein europäischer Regierungsvertreter vor Kurzem auf einem jährlichen Treffen zum Thema humanitäre Hilfe in Brüssel zu.

Schätzungen zufolge könnte eine lokalisierte humanitäre Hilfe mehr als 30 Milliarden US-Dollar günstiger sein – pro Jahr.

Ralf Südhoff

Drittens bietet sich Europa die historische Chance, ein Hilfssystem aus kolonialen Zeiten vom Kopf auf die Füße zu stellen, das bis heute lokale Helfer ignoriert.

Weit mehr als 95 Prozent der finanziellen Unterstützung werden an große internationale Hilfsorganisationen gezahlt. Schätzungen zufolge könnte eine lokalisierte humanitäre Hilfe mehr als 30 Milliarden US-Dollar günstiger sein – pro Jahr.

Chinas Staatschef Xi Jinping verfolgt mit seiner Hilfe immer auch geopolitische Interessen.

© AFP/TINGSHU WANG

Es gibt viele Chancen für Europa. Aber wie sieht die Realität aus? „Wir diskutieren seit Monaten über das Ende von USAID, während täglich alle Regierungen einzeln erratisch Programme kürzen“, beklagt ein europäischer Diplomat.

Hilfsetats werden zusammengestrichen

Europa müsste seine humanitären Budgets gemeinsam klug priorisieren. Stattdessen schwappt eine einmalige Kürzungswelle über den Kontinent: Ob Schweden, Finnland, Frankreich, Niederlande oder Belgien – die Einsparungen bei Hilfsetats sind milliardenschwer.

Großbritannien plant sogar, seine Erhöhung der Verteidigungsausgaben eins zu ein aus den Hilfsetats zu finanzieren. Und Deutschland? Plant die humanitäre Hilfe gleich um 52 Prozent zu kürzen.

Andere Länder haben die durch die USA entstandene Lücke erkannt. China, in Corona-Zeiten größter Widersacher einer unabhängigen Weltgesundheitsorganisation, hat sich zu deren größten Geber aufgeschwungen.

Geld sparen, kann einen hohen Preis fordern

Das viel gescholtene Katar leistet im Vergleich zu seiner Wirtschaftskraft viermal mehr humanitäre Hilfe als Deutschland es für 2025 vorsieht. Lässt Europa das so geschehen, wird es zwar ein paar Euro sparen – aber einen hohen Preis bezahlen.

China beweist seit Jahren, wie es mit jeder Art der Hilfe seine geopolitischen Interessen an Rohstoffen und Einfluss verfolgt; arabische Staaten verschleiern systematisch, wofür und für wen sie ihre Hilfe einsetzen.

Europa hat sich den humanitären Prinzipien einer neutralen Hilfe für Menschen in größter Not verpflichtet. Es kann sich außenpolitisch und humanitär profilieren, indem es diese Werte verteidigt – oder sie dem Untergang weiht.

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