
© IMAGO/Yuri Gripas
Nicht mehr fit genug für den Wahlkampf: Muss Biden jetzt auch als Präsident zurücktreten?
Die Republikaner fordern immer offensiver, dass Joe Biden schon jetzt das Weiße Haus verlassen soll. Diese Debatte dürfte in den USA in den kommenden Tagen ins Zentrum rücken.
Stand:
Den Ton setzte unmittelbar nach dem Verzicht Joe Bidens auf die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei sein ärgster Rivale, Ex-Präsident Donald Trump: „Der korrupte Joe Biden war nicht in der Lage, für das Präsidentenamt zu kandidieren“, schrieb der Republikaner am Sonntag auf seinem eigenen Kurznachrichtendienst Truth Social.
„Und er ist sicherlich nicht in der Lage zu dienen – und war es auch nie!“, so Trump weiter. Den Posten des Präsidenten habe Biden nur „durch Lügen, Fake News und die Abschottung in seinem Keller“ erlangt.
Diesem Urteil schlossen sich umgehend diverse Republikaner an. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, schrieb auf X: „Wenn Joe Biden nicht fit genug ist, um für die Präsidentschaft zu kandidieren, ist er auch nicht fit, um als Präsident zu dienen. Er muss sofort sein Amt niederlegen.“
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Ebenfalls auf X schrieb die republikanische Abgeordnete Nancy Mace: „Er hat nicht die geistige Schärfe oder die kognitiven Fähigkeiten, eine politische Kampagne zu führen, kann aber noch sechs Monate als Präsident dienen? Er sollte zurücktreten.“
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Trump-Lager fordert: Harris soll Biden entmachten
Mace kündigte an, noch in dieser Woche eine Resolution in den Kongress einzubringen, in der Vizepräsidentin Kamala Harris aufgefordert wird, sich auf den 25. Verfassungszusatz zu berufen und Biden zu entmachten. Wenn der in Anspruch genommen wird, übernimmt automatisch die Vizepräsidentin das Amt des Präsidenten.
Der 25. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung ist seit dem 23. Februar 1967 gültig, kam aber noch nie zur Anwendung. Ihm zufolge darf der Präsident nicht unfähig sein, „die Befugnisse und Pflichten seines Amtes auszuüben“.
Im Absatz 4 wird in einem solchen Fall die Möglichkeit eröffnet, dass der Vizepräsident zusammen mit einer „Mehrheit der Hauptverantwortlichen der Exekutive oder eines anderen vom Kongress gesetzlich vorgesehenen Gremiums“ eine entsprechende schriftliche Erklärung abgibt. Das kann auch gegen den Willen des Präsidenten geschehen.
Trump wurde in seiner Amtszeit als Präsident ebenfalls mit Forderungen konfrontiert, ihn auf Basis des 25. Verfassungszusatzes abzusetzen. Nach dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verlangte der einflussreiche demokratische Senator Chuck Schumer, Trump für regierungsunfähig erklären zu lassen. „Dieser Präsident sollte nicht einen Tag länger im Amt bleiben.“
Auch die Republikaner meiden das Wort „Alter“ tunlichst
Allerdings ist es aus drei Gründen sehr unwahrscheinlich, dass in Bidens Fall der 25. Verfassungszusatz zur Anwendung kommt. Erstens müsste Vizepräsidentin Kamala Harris dem Aufruf der Republikaner folgen. Ohne ihre Zustimmung kann eine Amtsenthebung nicht stattfinden. Nichts deutet darauf hin, dass sie das tun würde. Biden selbst hat beteuert, im Amt bleiben zu wollen.
Der Druck auf Biden, auch als Präsident zurückzutreten, wird zunehmen.
Thomas Jäger, US-Fachmann von der Uni Köln
Zweitens wird sich wohl auch sonst kein Demokrat finden, der sich die Rücktrittsforderung zu eigen macht. Niemand wird nach Bidens Rückzug als Kandidat nun die Schraube weiterdrehen.
Die Entgegnung lautet: Biden könne durchaus fit genug sein, um noch ein halbes Jahr lang die Amtsgeschäfte zu führen, aber nicht sicher wissen, ob er dies auch weitere viereinhalb Jahre lang durchhalten würde.
Drittens ist unklar, ob die Debatte den Republikanern wirklich nützt. Interessant ist, dass das Wort „Alter“ in Bezug auf den 81-jährigen Biden von ihnen tunlichst vermieden wird. Die Rede ist von „fehlender Fitness“ und „eingeschränkten kognitiven Kapazitäten“. Die Erklärung dafür ist einfach: Nach dem Rückzug Bidens als Kandidat bleibt der 78-jährige Trump übrig. Dem dürfte wenig an einer fortgesetzten Altersdebatte gelegen sein.
Im Wahlkampf würde Harris das Präsidentenamt nützen
Außerdem wäre Harris im Falle eines Amtsverzichts von Biden oder seiner Enthebung automatisch Präsidentin und könnte Wahlkampf aus einer Position der Stärke heraus betreiben. Auch daran dürften republikanische Wahlkämpfer kein Interesse haben. Ein angeschlagener Präsident Biden nützt ihnen mehr.
„Der Druck auf Biden, auch als Präsident zurückzutreten, wird zunehmen“, meint der USA-Experte Thomas Jäger, der an der Universität Köln Internationale Politik und Außenpolitik lehrt. Ob der Präsident diesem Druck standhalten wird, hänge auch davon ab, wie er seinen Rückzug begründet.
„Gesundheit kann er nicht nennen, ohne dass der Druck auch aus der Demokratischen Partei wachsen würde.“ Doch um das Präsidentenamt werde Biden noch verbissener kämpfen als um die Kandidatur. „Ob es ihm gelingt, bleibt derzeit offen.“
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