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Ein Abbild Erdogans bei einer AKP-Veranstaltung

© AFP/Yasin Akgul

„An die Macht, an die Macht“: Wer kann Erdoğan bei der Wahl in der Türkei gefährlich werden?

Die türkische Opposition macht sich Hoffnungen auf eine Mehrheit im Parlament und eine Ablösung von Präsident Erdoğan. Doch sie muss erst einmal einen Kandidaten finden.

„An die Macht, an die Macht“, skandierten die Zuhörer, als der türkische Oppositionschef Kemal Kılıçdaroğlu sein Wahlprogramm vorstellte. Die Türkei wählt im ersten Halbjahr 2023 das Parlament und den Präsidenten neu – doch ob die Opposition eine Chance hat, die Mehrheit zu erobern und Recep Tayyip Erdoğan als Staatspräsidenten abzulösen, ist noch völlig offen.

Turnusgemäß müssten die Wahlen zu Parlament und Präsidentenamt am 18. Juni stattfinden, doch Erdoğans AKP will sie vorziehen. Nach Presseberichten erwägt die Regierungspartei den 30. April als Wahltag; am 14. Mai könnte dann, falls nötig, die Stichwahl ums Präsidentenamt stattfinden.

Ob wirklich an diesen Tagen gewählt wird, ist ungewiss, denn die AKP braucht im Parlament die Stimmen der Opposition, um die Wahlen vorzuverlegen.

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Erdoğan sieht İmamoğlu als gefährlichen Gegner

Wer bei der Präsidentenwahl im Frühling gegen den Staatschef antritt, ist noch nicht entschieden. Die Entscheidung soll in einem Bündnis von sechs Oppositionsparteien fallen, das von Kılıçdaroğlus Partei CHP angeführt wird.

Ob das Bündnis aber den aktuellen Oppositionschef nominiert oder einen anderen Kandidaten aufstellt, etwa Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu oder den Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavaş, will die Opposition erst nach Festlegung des Wahltermins bekannt geben.

İmamoğlu war 2019 von Erdoğan-Gegnern umjubelt worden, als er die AKP bei der Kommunalwahl in Istanbul besiegte. Seitdem ist sein Stern zwar wieder gesunken, doch Erdoğan betrachtet ihn offenbar immer noch als gefährlichen Gegner.

Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu
Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu

© Imago/Zuma Wire/Tolga Ildun

In der vergangenen Woche wurde İmamoğlu wegen angeblicher Beleidigung der Wahlkommission zu zweieinhalb Jahren Haft mit Politikverbot verurteilt. Der Präsident und andere Regierungspolitiker versichern mit Unschuldsmiene, sie hätten nichts mit dem Richterspruch zu tun,.

Die endgültige Entscheidung über İmamoğlus Schicksal fällt wohl erst im Berufungsverfahren. Normalerweise dauern diese länger als ein Jahr, aber der Berufungsrichter Hamdi Yaver Aktan sagte der Zeitung „Sözcü“, die jetzt angerufenen Gerichte könnten İmamoğlus Fall beschleunigen. Wenn das Urteil gegen den Bürgermeister vor den Wahlen bestätigt wird, darf er nicht mehr Präsident werden.

Sollte İmamoğlu gestoppt werden, könnte Hauptstadt-Bürgermeister Yavaş einspringen, der laut Umfragen ähnlich wie İmamoğlu im Direktvergleich mit Erdoğan gute Siegchancen hätte. Als İmamoğlus Ersatzkandidat müsste er allerdings spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag angemeldet werden.

Die größte Unbekannte sind aber die Wähler selbst. In den Umfragen liefern sich Opposition und Regierung aus AKP und der Nationalistenpartei MHP ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Trotz galoppierender Inflation, Verfall der türkischen Lira und sinkenden Lebensstandards.

Die Wähler trauen der Opposition nicht unbedingt zu, es besser zu machen, sagen Demoskopen. Ausschlaggebend könnten die Stimmen der Kurden werden, die einen Wählerstamm von rund zehn Prozent haben.

Weil Parlament und Präsident gleichzeitig gewählt werden, sind für den Wahlausgang drei Szenarien wahrscheinlich. Erdoğan könnte wieder die Präsidentenwahl gewinnen und die AKP die Mehrheit im Parlament behalten. Eine zweite Möglichkeit ist, dass die Opposition sowohl das Präsidentenamt als auch die Mehrheit im Parlament gewinnt.

Und im dritten Szenario gewinnt Erdoğan zwar die Präsidentenwahl, aber die Opposition gewinnt die Mehrheit im Parlament. In diesem Fall würden sich Präsident und Parlament gegenseitig blockieren – und dann müsste es voraussichtlich bald wieder Neuwahlen geben.

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