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„Pfad des Populismus verlassen“: Grüne kritisieren Afghanistan-Politik der Koalition
Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, in Pakistan gestrandete Afghanen im Stich zu lassen. Zwei Hilfsorganisationen verklagen die Minister Wadephul und Dobrindt auf unterlassene Hilfeleistung.
Stand:
Ein „in höchstem Maße fragwürdiges Rechtsverständnis“ hat Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der neuen Bundesregierung in Bezug auf die in Pakistan gestrandeten und teils inhaftierten Afghaninnen und Afghanen attestiert, wie er dem Tagesspiegel sagte: „Trotz rechtlich bindender Versprechen ist das Bundesaufnahmeprogramm seit Monaten blockiert. Die Menschen haben ihre Heimat im Vertrauen auf deutsche Zusagen verlassen.“
Er äußerte damit Verständnis für die Organisationen Pro Asyl und das Hilfsnetzwerk für afghanische Ortskräfte, die Strafanzeige gegen Außenminister Johann Wadephul (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) gestellt hatten. „Vor allem die Union muss den Pfad des Populismus endlich verlassen“, so von Notz weiter: Wir stehen im Wort.“ Die Bundesregierung solle „den Weg für die Betroffenen endlich frei machen, nicht erst, nachdem sie ihr Recht eingeklagt haben“.
Am Freitag wurde bekannt, dass die Regierung einer Afghanin mit Aufnahmezusage und deren Familie nun Einreisevisa erteilen muss. Ein entsprechender Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin sei rechtskräftig geworden, denn die Regierung habe ihre Beschwerde vor der nächsten Instanz zurückgezogen, sagte ein Sprecher des Gerichts auf Anfrage.

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Pakistanische Behörden hatten schutzsuchende Afghanen trotz deutscher Aufnahmezusagen in deren Heimatland abgeschoben. Da Deutschland dort keine diplomatische Vertretung hat, laufen die Verfahren über Pakistan. Wadephul sicherte daraufhin Hilfe in Pakistan zu. Das Auswärtige Amt stehe mit der pakistanischen Regierung „hochrangig in Kontakt, um den Schutz dieser Menschen zu gewährleisten und denjenigen, die in den letzten Tagen entweder abgeschoben oder verhaftet wurden, schnell zu helfen“, erklärte er am Freitag.

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Unterlassene Hilfeleistung?
Die Hilfsorganisationen Pro Asyl und das Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte werfen Wadephul und Dobrindt vor, sich unter anderem der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht zu haben, „weil sie zugelassen haben, dass Afghaninnen und Afghanen von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben wurden, obwohl sie eine Aufnahmezusage für Deutschland haben“, erklärten die Organisationen am Freitag in Berlin. Die Strafanzeige wurde am Freitagmorgen bei der Staatsanwaltschaft Berlin eingereicht.
Nach der Taliban-Machtübernahme 2021 hatte Deutschland mehrere Charterflüge über Pakistan organisiert, auch für ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen. Die Bundesregierung aus Union und SPD will die Aufnahmeprogramme jedoch „soweit wie möglich“ beenden und hat die Einreisen derzeit ausgesetzt. Das Innenministerium kündigte am Mittwoch eine „zeitnahe“ Entscheidung über die Aufnahmen der noch Wartenden an.
Queeren Menschen droht Abschiebung und Ermordung
Alexander Fröhlich vom Patenschaftsnetzwerk wies auf die besondere Gefährdung der ehemaligen afghanischen Ortskräfte hin. „Die Taliban betrachten sie als Feinde, an denen sie sich rächen wollen“, erklärte er. Fröhlich zufolge befinden sich derzeit 300 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen des Ortskräfteverfahrens der Bundesregierung aktuell in Pakistan, viele von ihnen bereits seit mehr als acht Monaten. „Die Abschiebung in die Hände der Taliban wäre für viele von ihnen der Tod“, sagte Fröhlich.
Außerdem drohe rund vierhundert queeren Menschen die Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan und dort ihre grausame Ermordung, teilt der Verband Queere Vielfalt mit. Dabei habe die Bundesregierung ihre Rettung versprochen.
In Afghanistan verfolgen, vergewaltigen und ermorden die Taliban systematisch queere Menschen. Die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte ein humanitäres Aufnahmeprogramm für queere Geflüchtete aus Afghanistan eingeführt. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung von CDU, CSU und SPD hieß es dann: „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen.“ (epd, Tsp)
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