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Matthias Platzeck in seiner Zeit als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. (Archivbild von 2018).

© imago images/Eventpress

Platzecks Reisen nach Moskau: Das ist kein Dialog, das ist Anbiederung

Mehrfach reiste der frühere SPD-Chef Platzeck mitten im Krieg nach Russland – und begründet die Schattendiplomatie mit der Notwendigkeit von Gesprächen. Doch so einfach ist das nicht.

Hannah Wagner
Ein Kommentar von Hannah Wagner

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Matthias Platzeck verteidigt seine Moskau-Connection. Ganze neun Reisen soll der frühere SPD-Chef und ehemalige Brandenburger Ministerpräsident dorthin seit Beginn des Ukraine-Kriegs unternommen haben. Außerdem einen Trip in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku, wo er Vertreter aus dem Kreml-Umfeld traf.

All das, während Russland Tag für Tag ukrainische Städte zerbombt, fremde Gebiete besetzt und Zivilisten foltert. Doch schlechtes Gewissen? Fehlanzeige. Er wolle bestehende Kontakte nicht abreißen lassen, sagte Platzeck dem Tagesspiegel am Wochenende.

Man wundert sich ja zuweilen kaum noch über Irrlichter aus der SPD, die ernsthaft zu glauben scheinen, man könne in Zeiten eines brutalen Angriffskriegs dieselbe Annäherung an Moskau wagen wie einst unter Bundeskanzler Willy Brandt, als die Zeichen auf Entspannung standen.

Erst vor kurzem machte Platzecks Parteifreund Ralf Stegner Schlagzeilen, weil er ebenfalls in Baku mit dabei war und weil er außerdem ein sogenanntes „Friedensmanifest“ unterzeichnete, das mehr Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin fordert.

Wie schon damals kommen Vorwürfe auch dieses Mal sogar aus den eigenen Reihen. Platzeck stelle „der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik permanent ein Bein“, empörte sich etwa der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth.

Kritisiert wird außerdem, dass Reisen ins Land des Aggressors den Bemühungen um ein Kriegsende mehr schaden als nützen und dass Politiker wie Platzeck sich vom Kreml vor den Karren spannen lassen. All diese Anschuldigungen sind berechtigt.

Kremlnähe ist nicht neu

Die Argumentation ist stets dieselbe: Man brauche Dialog, dürfe die Gesprächskanäle nach Moskau nicht abreißen lassen. Wer weiß, wann man die noch gebrauchen könne. Klingt erstmal vernünftig.

Dass Platzeck und Co dabei vor allem auf Nähe zum repressiven russischen Machtapparat setzen, ist derweil längst bekannt.

Viele Jahre lang war der SPD-Mann Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. Ein Verein, der eng mit der von Putin und seinem Freund, dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder, gegründeten und mittlerweile aufgelösten Organisation „Petersburger Dialog“ verbunden war. All das angeblich im Zeichen der gegenseitigen Verständigung.

Gründeten einst zusammen den „Petersburger Dialog“: Putin und sein Freund Schröder. (Archivbild)

© dpa/Peer Grimm

Nur: Was brachte es 2014, als Putin die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektierte und seine Soldaten verdeckt in den Donbass einmarschieren ließ? Und was brachte es im Februar 2022, als der Kremlchef das Nachbarland großflächig angreifen ließ?

Es gab nie zu wenig Gespräche

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich ist Kontakt nach Russland wichtig, in Kriegszeiten mindestens genauso sehr wie im Frieden. Doch der Eindruck, es gebe ihn seit Februar 2022 nicht mehr, ist schlicht falsch.

Das Problem ist nicht, dass es zu wenige Gesprächsangebote an Putin gab. Das Problem ist, dass der Kremlchef gar nicht reden will.

Hannah Wagner, Tagesspiegel-Redakteurin

Im Gegenteil. Zu nennen wären etwa die vielen mühsamen Verhandlungen, infolge derer bereits Tausende Kriegsgefangene ausgetauscht wurden.

Zu nennen wären die wiederholten Treffen von ukrainischen und russischen Delegationen in den vergangenen Wochen. Außerdem die beiden Telefonate von Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz mit Putin und nicht zuletzt die monatelange Charmeoffensive von US-Präsident Donald Trump gegenüber seinem russischen Amtskollegen. Eine Waffenruhe, der Kiew bereits zugestimmt hat, ist trotzdem nicht in Sicht.

Putin hat kein Interesse an Frieden

Das Problem ist nicht, dass es zu wenige Gesprächsangebote an Putin gab. Das Problem ist, dass der Kremlchef gar nicht reden will.

Gespräche gibt es bereits: Eine russische und eine ukrainische Delegation im Mai in Istanbul.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Alexander Ryumin

Ernsthafter Dialog ist nämlich nur möglich, wenn beide Seiten daran interessiert sind, das zeigt die Friedens- und Konfliktforschung ganz klar. Putin aber hat dieses Interesse derzeit nicht – und er wird es sicher nicht entwickeln, wenn man ihm noch mehr nette Worte entgegenbringt.

Indem sie auf eigene Faust handeln, untergraben Platzeck, Stegner und andere die offiziellen Verhandlungsbemühungen. Putin, der auf die Spaltung westlicher Gesellschaften setzt, spielt das in die Karten.

Dialog ist wichtig. Aber nur wenn er koordiniert stattfindet und zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Dosierung eingesetzt wird. Wenn er begleitet wird von ausreichend militärischem und wirtschaftlichem Druck, ohne den der Kreml nie klein beigeben wird.

Alles andere ist eine Anbiederung an Putins verbrecherischen Machtapparat. Und davon haben wir in der Vergangenheit wahrlich schon genug gesehen.

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