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Präsidentschaftswahl in Côte d’Ivoire : Warum der Generationenkonflikt noch nicht ausbricht
Der 83 Jahre alte Amtsinhaber Ouattara wird wohl weiterregieren. Aber bei der Parlamentswahl im Dezember könnte die Jugend ihren Einfluss geltend machen.
Stand:
Afrika hat weltweit die jüngste Bevölkerung. Dennoch werden viele Länder von uralten Männern regiert. So war in Kamerun erst vor zwei Wochen der 92-jährige Paul Biya als Präsident wiedergewählt worden – allerdings erkennt das Oppositionsbündnis das Wahlergebnis nicht an und spricht von „flagranten Fälschungen“.
An diesem Samstag stellt sich nun in Côte d’Ivoire (früher in Deutschland als Elfenbeinkünste bekannt) der 83-jährige Alassane Dramane Ouattara zur Wiederwahl – und wird wahrscheinlich zum vierten Mal Präsident. Jung ist an ihm nur sein Spitzname Ado, ein Akronym seines Namens, was auf Französisch ironischerweise die Abkürzung für Jugendlicher (adolescent) ist.
Auf den ersten Blick scheint alles unter Kontrolle. Missliebige Kandidaten wurden ausgeschlossen und eine vierte Amtszeit ist dank einer umstrittenen Entscheidung des Verfassungsgerichts möglich.
Die Generation Z
Und doch, die vergangenen Wochen haben gezeigt: Afrika wird zunehmend Schauplatz eines Generationenkonflikts zwischen alterndem Polit-Establishment und einer jungen Generation, der „Gen Z“, die aufbegehrt.

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Sie hat es in Madagaskar zuletzt geschafft, die Regierung zu stürzen. In Marokko fordert die Jugend seit Wochen ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem statt neuer Fußballstadien für die Weltmeisterschaft 2030.
Nach relativ ruhigen Vorwahlmonaten rührt sich die junge Generation in Côte d’Ivoire erst seit einigen Tagen. Die ehemalige französische Kolonie, ein aufstrebendes Land an der Westküste Afrikas, ist in Deutschland vor allem bekannt für seinen Kaffee-, Kakao- und Holzexport.
Dank eines modernen Hafens, mit der wichtigen strategischen Brückenfunktion zwischen dem Atlantik und den Binnenstaaten Niger, Mali und Burkina Faso, sowie seiner engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Frankreich, steht das Land im regionalen Vergleich ökonomisch recht gut dar.
Dabei waren die vergangenen 20 Jahre politisch schwierig. Bürgerkriegsähnliche Zustände führten zu ethnischen und religiösen Verwerfungen mit etwa 3000 Toten in den Jahren 2010/2011 und 85 Toten und über 400 Verletzten im Jahr 2020. Diese Ereignisse spalteten die ivorische Gesellschaft tief, seither ist die Angst vor Unruhen groß.

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Wirtschaftlich ging es indes stets aufwärts: Weltbank und Internationaler Währungsfonds bestätigen seit 2012 ein um sechs bis sieben Prozent steigendes Bruttosozialprodukt. Die Mittelschicht wächst.
Das Manhattan Westafrikas
Das wirtschaftliche Zentrum des Landes, die Stadt Abidjan, wird auch als Manhattan Westafrikas bezeichnet: Neue Brücken, Sportstadien und Hochhäuser prägen die Skyline, die Stadt zieht Banken und Investoren an. Deutschland hat seit 2023 eine Handelskammer vor Ort, die einzige im französischsprachigen Westafrika.

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Parallel dazu lebt eine sehr junge Bevölkerung (der Altersdurchschnitt liegt bei 18 Jahren) von prekären Jobs und ohne wirkliche Perspektive, Bildung und gesundheitliche Versorgung.
Politischer Nachwuchs tritt nicht an
Dennoch scheinen sich viele ivorische Wähler, geprägt durch das Trauma des Bürgerkriegs, mit diesem politischen Stillstand abzufinden. Zumal Ouattara sich um eine ethnische Einigung des Landes bemüht. Eine Verjüngung und Diversifizierung des politischen Personals, wie ihn die Côte d’Ivoire bräuchte, steht daher wohl noch nicht an.

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Dabei ist der Politnachwuchs bereit. Dazu tragen auch die deutschen politischen Stiftungen vor Ort bei, mit Bildungsangeboten in Sachen Demokratie, guter Regierungsführung und liberaler Werteordnung.
Viele bedauern die verpasste Chance, den Wahlkampf nicht wirklich für einen politischen Wettstreit zu nutzen. Einige werfen Präsident Ouattara den Einsatz undemokratischer Mittel vor: Der ruppige Umgang mit den Demonstranten, die sich trotz Verboten auf die Straße wagen, willkürliche Verhaftungen und der Umgang mit den oppositionellen Parteien werden lautstark angeprangert.

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Andere zweifeln am Willen der Opposition, sich tatsächlich gegen den Amtsinhaber zu stellen. So hätte Tidjan Thiam, Kandidat der Partei PDCI, zu einem ernsthaften Konkurrenten werden können, wenn seine Staatsangehörigkeitsfrage rechtzeitig geklärt worden wäre.

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In Côte d’Ivoire darf ein Präsident keine zweite, ausländische Staatsbürgerschaft besitzen. Das lange Zögern Thiams, seine französische Staatsangehörigkeit aufzugeben, hat zu seiner Streichung aus der Liste der zugelassenen Kandidaten geführt.
Der Westen schätzt Ouattara
Im Westen wird Präsident Ouattara als Verfechter der westafrikanischen Wirtschaftsunion Ecowas und Bekämpfer des Islamismus, welcher sein Land zunehmend bedroht, geschätzt. Auch gilt er als Stabilisator in einer Region, wo sich in den vergangenen Jahren in drei Ländern Militärs an die Macht geputscht haben.

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Im Land gibt es allerdings unterschiedliche Ansichten darüber, ob Ouattara eine vierte Amtszeit anstreben darf.
In der neuen Verfassung, die das Parlament 2016 unter Ouattaras Ägide abnickte, wurden die zwei möglichen Mandate für Präsidenten zeitlich verkürzt; gleichzeitig wurde bei der Zählung der Mandate bei null angefangen. Demnach strebt Ouattara das Amt erst zum zweiten Mal an und verhält sich verfassungskonform. Das sieht die Jugend anders. Diese vierte Amtszeit, so die andere Zählung, ist eine zu viel.
Hoffnungen auf Parlamentswahlen
Es regt sich Unmut, der sich aber eher bei den im Dezember geplanten Parlamentswahlen entladen könnte. Diese Wahl der parlamentarischen Volksvertreter mit ihren regionalen und religiösen Komponenten prägt die afrikanische Demokratie.
Und hier wird spürbar werden, dass der Altersdurchschnitt der Bevölkerung bei 18 Jahren liegt und damit massenhaft neue Wähler hinzukommen.
Und damit eine Generation ohne Trauma, aber mit Träumen. Sie ist digital bestens vernetzt, fordernd im Ton und im Auftreten und wünscht Veränderung sowie politische und wirtschaftliche Teilhabe.
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