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Putin spricht live zur Nation: Viel Eigenlob, alte Narrative und Drohungen
Ausgewählte Journalisten und Bürger können Kremlchef Putin an diesem Freitag wieder ihre Fragen stellen. Für den 73‑Jährigen ist die Show ein Forum zur Selbstdarstellung – und zur Rechtfertigung des Ukraine-Kriegs.
Stand:
Russlands Präsident Wladimir Putin hält an diesem Freitag wieder seine traditionelle große Jahrespressekonferenz ab. Wie in der Vergangenheit wird das Format mit der Bürgersendung „Der direkte Draht“ kombiniert, in der Menschen aus ganz Russland dem Kremlchef live ihre Sorgen schildern und Fragen stellen können.
Nach Angaben des russischen Staatsfernsehens gingen mehr als zwei Millionen Fragen im Vorfeld ein, was einen neuen Rekord darstelle.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung geht es mit dem Krieg in der Ukraine los. Putin wird von dem Moderatoren-Team gefragt, ob Russland seine Ziele in der Ukraine mit militärischen oder diplomatischen Mitteln erreichen wolle und wie er als Oberbefehlshaber die Lage an der Front einschätze.
Russland will den Krieg angeblich „friedlich beenden“
Der Kreml-Chef antwortet wenig überraschend, dass Russland den „Konflikt friedlich beenden“ wolle und behauptet, die Ukraine zeige wenig Bereitschaft für eine friedliche Lösung. Allerdings gebe es inzwischen Signale, dass Kiew offen für einen Dialog sein könnte. Doch vorher müsse sich die Ukraine aus dem Donbass – den Gebieten Donezk und Luhansk – zurückziehen.
Was das heißt: Putins Friedensrhetorik ist an Bedingungen geknüpft. Mit dem Rückzug der Ukraine aus dem Donbass fordert Moskau faktisch die Anerkennung russischer Gebietsansprüche – eine Position, die Kiew bislang kategorisch ablehnt.
Putin besteht auch darauf, dass die „Grundursachen“ des Konflikts angegangen werden müssen, und verweist auf eine Rede vom Juni, in der es um prinzipielle Grundsätze geht.
Zur Erinnerung: Bei einem öffentlichen Auftritt drohte er der Ukraine damals mit weiteren Eroberungen – und bestritt erneut die Souveränität des Landes. Daran hat sich also nichts geändert.
Was ebenfalls gleich bleibt: das Narrativ, mit dem Putin die Invasion der Ukraine im Februar 2022 rechtfertigt. Bei seiner Jahrespressekonferenz spricht er von einem „Staatsstreich“ durch das „Kiewer Regime“ und schiebt der Ukraine die Verantwortung für den Krieg zu.
Optimistisches Bild von der Front
Danach geht es um die Lage an der Front. Putin zählt eine Reihe angeblicher russischer Erfolge auf dem Schlachtfeld auf. „Die russische Armee rückt entlang der gesamten Frontlinie vor“, lobte er. Der „Feind“ ziehe sich in alle Richtungen zurück, so Putin. Und behauptet etwa, die Stadt Kupjansk, die Russland wieder verloren hat, sei zurückerobert worden.
Was sich dazu sagen lässt: Die Ukrainer haben Rückeroberungen gemeldet und auch der armee-nahe ukrainische Blog „DeepState“ verzeichnet Rückeroberungen, greift Russland weiter in Richtung der Stadt an – von einer Wiedereroberung kann dennoch nicht die Rede sein.
Er macht sich zudem über ein Video lustig, auf dem sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem Eingang der Stadt Kupjansk zeigt, dessen Echtheit Putin anzweifelt, obwohl er es nach eigenen Angaben nicht gesehen hat.
Er nennt Selenskyj einen „talentierten Schauspieler“ – die persönliche Herabsetzung des ukrainischen Staatschefs gehört mittlerweile zu Putins Standardrepertoire.
Russische Verluste wie ein U-Boot im Hafen von Noworossijsk oder andere Einrichtungen durch ukrainische Drohnenangriffe kommen nicht zur Sprache. Kurz: Aus Putins Sicht läuft alles sehr gut.
An Freiwilligen, die in den Krieg ziehen wollten, mangelt es dem Kreml-Chef zufolge auch nicht: 400.000 Russen hätten sich in diesem Jahr angeblich für den Einsatz in der Ukraine gemeldet. Besonders viele wollten laut Putin Drohnen steuern.
Was Putin nicht sagt: Mit welchen Methoden und Mitteln die Männer rekrutiert werden. So wird etwa weiterhin Straffreiheit angeboten, wenn Menschen einen Militärvertrag unterschreiben. Außerdem würden „Vermittler“ Prämien erhalten, wenn sie neue Vertragsunterzeichner anwerben. Zudem gibt es auch keine Generalmobilmachung.
Auch der EU-Gipfel, bei dem es um die Nutzung eingefrorenen russischen Vermögens für die Ukraine ging, sei offenbar im Sinne des Kremls verlaufen: Putin spricht von einem gescheiterten Vorhaben, weil es „schwerwiegende Konsequenzen für die Räuber“ gegeben hätte. Er kündigte an, dass Russland seine Interessen vor Gericht verteidigen werde.
So ganz rund läuft die Putin-Show dann aber doch nicht ab: Während er spricht, bringen die auf der Leinwand eingehenden SMS im TV-Studio die Inszenierung etwas durcheinander. Denn immer wieder erscheinen auch kritische, verärgerte oder spöttische Kommentare. (mit dpa)
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