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Der russische Machthaber Wladimir Putin lässt sich während eines Gesprächs fotografieren.

© Reuters/Sergei Bulkin

Putins zynisches Kalkül: Elite und Großstädter müssen nicht in der Ukraine kämpfen

Seit fast vier Jahren setzt der Kremlchef russische Soldaten gegen die Ukraine ein. 400.000 sollen allein 2025 getötet oder verwundet worden sein. Wie Moskau rekrutiert, um Protest zu vermeiden.

Stand:

Am 24. Februar 2022 gab der russische Machthaber Wladimir Putin den Angriffsbefehl, ließ seine Truppen ins Nachbarland einmarschieren. Sein Plan, die Ukraine in wenigen Tagen zu besiegen und zu unterwerfen, scheiterte. Seitdem gibt es auf beiden Seiten enorme Verluste, die Angaben über die Zahl der Toten und Verletzten variieren und lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Zahlreiche Berichte auch von ukrainischen Kommandeuren zeichnen dabei das Bild, dass der Kremlherrscher bei seinen Truppen keine Rücksicht auf Verluste nimmt. Putin scheint eine hohe Opferzahl bewusst in Kauf zu nehmen. Einem aktuellen Lagebericht des britischen Geheimdienstes zufolge sollen allein im Jahr 2025 mehr als 400.000 russische Soldaten im Ukrainekrieg getötet oder verwundet worden sein.

Der britische „Telegraph“ schreibt dazu, London habe die Gesamtzahl der Opfer in Putins Truppen seit Beginn der Invasion bereits im Oktober auf 1,12 Millionen beziffert, mehr als die Gesamtstärke der russischen Armee vor Kriegsbeginn. Die genaue Zahl der Verluste hält Moskau streng geheim.

Ethnische Russen aus den Großstädten tragen weiterhin einen unverhältnismäßig kleinen Anteil an Militärdienst und daraus resultierenden Verlusten im Vergleich zur übrigen Bevölkerung.

Britischer Militärgeheimdienst

„Bis zum Sommer 2025 wurden sie auf etwa das 15-fache der Verluste geschätzt, die die Sowjetunion in ihrem zehnjährigen Krieg in Afghanistan erlitten hatte“, schreibt die Zeitung.

Während die Hoffnungen zuletzt wieder gestiegen sind, dass auf diplomatischem Weg ein Friedensabkommen erreicht werden kann, warnen westliche Beobachter und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder, dass Putin den Krieg eigentlich nicht beenden will, bevor seine militärischen Ziele erreicht sind.

Angesichts ‍der staatlich finanzierten Kriegswirtschaft für die Angriffe auf die Ukraine und der westlichen Sanktionen kämpft ​Russland zwar mit hoher Inflation, im November belief sich die jährliche Teuerungsrate offiziellen Daten zufolge auf 6,64 Prozent nach 7,71 Prozent im Oktober.

Doch trotz der gestiegenen Preise scheint der Krieg im Leben vieler Russinnen und Russen noch nicht wirklich angekommen zu sein. Auch wenn sich ukrainische Angriffe durch Drohnenattacken sogar auf Moskau und Kommandoaktionen der Ukrainer wie aktuell in der russischen Hauptstadt in den vergangenen Monaten verstärkt haben.

Dass sich der Widerstand der Menschen in Russland gegen den Krieg in engen Grenzen hält, hat neben dem repressiven russischen System einen weiteren Grund: Es geht um die Art, wen und wie Putin für seinen verlustreichen Krieg rekrutieren lässt.

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Wie der britische Militärgeheimdienst in seinem Lagebericht schreibt, „tragen ethnische Russen aus den Großstädten weiterhin einen unverhältnismäßig kleinen Anteil an Militärdienst und daraus resultierenden Verlusten im Vergleich zur übrigen Bevölkerung“.

Putin lässt Männer aus ärmeren Regionen rekrutieren

Der Dienst bezieht sich dabei auch auf eine großangelegte Untersuchung des Medienunternehmens Proekt, wonach weniger als ein Prozent der russischen Staatsbeamten Verwandte haben, die in der russischen Armee an der Invasion teilgenommen haben.

„Indem Russland seine Rekrutierungsbemühungen überproportional auf verarmte Regionen konzentriert, die häufig überwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnt sind, kann der Staatsapparat finanzielle Anreize gezielter einsetzen und gleichzeitig die Auswirkungen auf die städtische Bevölkerung begrenzen, die über größeren politischen Einfluss verfügt“, heißt es in dem Lagebericht.

Die einmaligen Einstellungsprämien für Vertragssoldaten betragen dem „Telegraph“ zufolge ein Vielfaches des durchschnittlichen Jahresgehalts.

Putin und die russische Führungsspitze seien mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit, dauerhaft hohe Verluste hinzunehmen, solange dies die öffentliche oder elitäre Unterstützung für den Krieg nicht beeinträchtigt und diese Verluste ersetzt werden könnten, schlussfolgert der britische Geheimdienst.

Am 19. Dezember hatte Putin gesagt, Russland habe rund 700.000 Soldaten im Gebiet des Ukraine-Kriegs im Einsatz. Es handele sich dabei überwiegend um ziemlich junge Leute, darunter die Generationen der 1990-er Jahre, sagte er bei seiner Jahrespressekonferenz und Bürgersprechstunde in Moskau.

Angesprochen auf den Vorwurf, dass es sich bei dem Jahrgang um eine verlorene Generation handele, sagte er: „Nun, wir leben unter den Bedingungen der militärischen Spezialoperation.“ So nennt der Kreml im offiziellen Sprachgebrauch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

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