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Russen sollen ganzes Bataillon verloren haben: Ukraine startet überraschend Gegenoffensive in Region Kursk
Kämpfen in der Grenzregion sind hunderte nordkoreanische Soldaten und russische Fallschirmjäger zum Opfer gefallen, heißt es aus Kiew. Nun gibt es dort zudem einen neuen Vorstoß der Ukraine.
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Überraschung in der russischen Grenzregion Kursk: Die unter Druck geratenen ukrainischen Streitkräfte haben in dem westrussischen Gebiet eine neue Offensive gestartet. „Gebiet Kursk, gute Nachrichten: Russland erhält das, was es verdient“, schrieb der Leiter des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Sonntag auf Telegram – und bestätigte damit indirekt den Vorstoß. Zuvor hatte Kiew am Samstagabend bereits massive Verluste der Russen in der Region in den vergangenen Tagen gemeldet.
Im Gebiet Kursk seien die Russen überrascht worden, ukrainische Angriffe liefen in mehrere Richtungen, sagte auch Andrij Kowalenko, der Leiter des Zentrums für die Bekämpfung von Desinformation beim Sicherheits- und Verteidigungsrat, der dem ukrainischen Präsidenten unterstellt ist. Das Militär in Kiew selbst machte zunächst keine Angaben, auch das russische Verteidigungsministerium schwieg zu der Offensive.
Russland will Vorstoß der Ukraine gestoppt haben
Moskau bestätigte den Vorstoß. „Der Feind hat einen Gegenangriff gestartet, um das Vorrücken der russischen Truppen in der Region Kursk zu stoppen“, hieß es am Sonntag in einer Erklärung der russischen Armee. Der Angriff erfolgte demnach am Morgen.„Die Angriffsgruppe der ukrainischen Armee wurde durch die Artillerie und die Luftwaffe besiegt“, hieß es in der Erklärung der russischen Armee weiter.

© Imago/SNA/Sergey Bobylev
Zuletzt waren die Russen im Gebiet Kursk wie auch im Osten der Ukraine auf dem Vormarsch. Von den im Sommer in Kursk eroberten knapp 1000 Quadratkilometern kontrolliert das ukrainische Militär zurzeit nur noch die Hälfte.
Auf Videos, die aus der Region stammen sollen, sind mehrere Kolonnen gepanzerter ukrainischer Fahrzeuge in hohem Marschtempo zu sehen. Minenräumfahrzeuge machen den Weg dabei frei. Den russischen Militärbloggern zufolge nutzt Kiew auch stark Funkstörungsmechanismen, um die russischen Drohnen auszuschalten. Als Hauptstoßrichtung gilt die Ausfallstraße nach Kursk nordöstlich der Kleinstadt Sudscha, die die Ukrainer bei ihrer überraschenden Sommeroffensive einnehmen konnten.
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Vor der Offensive soll der Armee der Ukraine ein schwerer Schlag gegen die russischen Invasionstruppen gelungen sein. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete von massiven Verlusten der Einheiten des russischen Machthabers Wladimir Putins beim Versuch der Rückeroberung des Gebiets Kursk berichtet.
„Bei Kämpfen heute und gestern allein im Umkreis der Ortschaft Machnowka im Gebiet Kursk hat die russische Armee ein Infanteriebataillon nordkoreanischer Soldaten und russischer Fallschirmjäger verloren“, sagte Selenskyj am Samstag in seiner abendlichen Videobotschaft.
Ein russisches Bataillon besteht aus bis zu 500 Soldaten
Unabhängig sind die Angaben nicht überprüfbar. Ein Bataillon der russischen Streitkräfte hat offiziellen Angaben nach eine Truppenstärke von bis zu 500 Mann. Die Ukraine hatte einen Teil der russischen Region Kursk im vergangenen Sommer besetzt.
In den vergangenen Wochen sind immer wieder Videos aufgetaucht, die Sturmversuche russischer Einheiten – teilweise verstärkt durch nordkoreanische Soldaten – im Gebiet Kursk zeigen sollen. Zu sehen sind dabei vielfach vernichtete russische gepanzerte Fahrzeuge und getötete Soldaten.
Militärexperten erklären die überhastet wirkenden Angriffsversuche mit dem Ziel Moskaus, noch vor der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump möglichst viel Boden gutzumachen, um in den erwarteten Verhandlungen eine gute Ausgangsposition zu haben.
Selenskyj bittet um Verstärkung der Flugabwehr
Neben Erfolgen berichtete Selenskyj aber auch über einen weiteren schweren Luftangriff auf die ukrainische Grenzregion Sumy. Dort hätten russische Bomben ein Mehrfamilienhaus zerstört. Unter den sieben Verletzten sei auch ein zweijähriges Mädchen, sagte Selenskyj. Die Aufräumarbeiten in Tschernihiw nach einem Raketenschlag am Vortag, bei dem 40 Wohnhäuser zerstört oder beschädigt wurden, seien beendet, sagte er zudem.
Angesichts der anhaltenden Angriffe auf zivile Ziele bat er die Partner der Ukraine erneut um eine Verstärkung der Flugabwehr. Darüber werde auf dem nächsten Treffen mit westlichen Verbündeten, das in der kommenden Woche auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz stattfinden soll, gesprochen, kündigte er an.
Die Lage auf dem Schlachtfeld bleibt dabei für die Ukraine schwierig. Russische Truppen greifen trotz der Verluste weiter an. Der Generalstab in Kiew sprach in seinem abendlichen Lagebericht von knapp 150 Gefechten im Tagesverlauf, davon allein 40 im Raum Pokrowsk. Dort ist der Schwerpunkt der Kämpfe, nachdem die Ukrainer vor Kurzem Berichten des Militärblogs „DeepState“ zufolge die Kontrolle über Kurachowe aufgeben mussten.

© dpa/Geert Vanden Wijngaert
Die Kämpfe um Pokrowsk selbst, das ebenfalls als strategisch wichtiger Knotenpunkt gilt, könnten ukrainischen Medienberichten zufolge bereits in der kommenden Woche beginnen, nachdem die russischen Einheiten bis kurz vor die Stadtgrenze vorgerückt sind.
Dass die Ukrainer sich knapp drei Jahre nach Kriegsbeginn immer noch auf dem Schlachtfeld behaupten, ist nach Angaben aus Washington auch der Voraussicht der US-Regierung zu verdanken. Angesichts eines befürchteten russischen Überfalls auf die Ukraine hatten die USA das Land bereits kurz vor Kriegsbeginn im Februar 2022 mit Waffen beliefert.
„Weil wir es haben kommen sehen, waren wir in der Lage, nicht nur sicherzustellen, dass nicht nur wir und Verbündete und Partner vorbereitet waren, sondern dass die Ukraine vorbereitet war“, sagte der scheidende US-Außenminister Antony Blinken der „New York Times“.
Moskau droht Kiew nach Raketenangriff
„Wir haben dafür gesorgt, dass wir weit bevor es zur russischen Aggression kam, ab September und dann wieder im Dezember, geräuschlos eine Menge Waffen in die Ukraine bekommen haben, um sicherzustellen, dass sie über das verfügten, was sie brauchten, um sich selbst zu verteidigen.“
Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa nutzte die Aussagen Blinkens zur Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs. Der Krieg, den sie „militärische Spezialoperation“ nannte, diene dazu, die jahrelang von den USA und Großbritannien aufgerüstete Ukraine zu demilitarisieren, behauptete sie.
Das russische Militär hat nach eigenen Angaben einen ukrainischen Angriff mit weitreichenden US-Raketen auf die Grenzregion Belgorod abgewehrt und droht mit einem Gegenschlag. Alle Raketen vom Typ ATACMS seien von der Luftabwehr abgeschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium auf seinem Telegramkanal mit. Auf diesen Angriff werde Moskau entsprechend reagieren. Die Angaben des Ministeriums ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die ATACMS-Raketen gelten als Waffen mit hoher Reichweite. In der Vergangenheit hatte Russland damit gedroht, auf solche Angriffe auf sein Territorium mit dem Beschuss von Zielen in der Ukraine mit Hyperschallraketen zu antworten. (dpa)
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