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Schlingerkurs des US-Präsidenten: Was europäische Offizielle hinter den Kulissen über Trumps Ukraine-Politik sagen
Aus den USA kommen zunehmend russland-kritische Signale. Doch in Europa mag man dem möglichen Sinneswandel in Washington nicht glauben. Zu erratisch war der Kurs im Ukraine-Krieg bisher.
Stand:
Donald Trump hat in den vergangenen Tagen die Rhetorik gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin deutlich verschärft. „Bullshit“, würde der Kremlherrscher reden, schimpfte Trump. Die Telefonate seien immer nett, aber am Ende würde dabei nichts herauskommen. Trump scheint so ärgerlich auf Putin wie seit Beginn seiner Amtszeit nicht. Immerhin haben die beiden in den vergangenen Monaten mehr als ein halbes Dutzend Mal miteinander telefoniert.
Dazu passt: Trump denkt darüber nach, der Ukraine das erste Mal in seiner Amtszeit extra Waffen zu liefern, um sich gegen die russischen Luftschläge auch weiterhin verteidigen zu können. Auch ein harsches Sanktionspaket gegen Moskau, das im US-Kongress erarbeitet wurde, könnte der Präsident demnächst abnicken.
Hinzu kommt: US-Außenminister Marco Rubio forderte nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow am Donnerstag einen Fahrplan zur Beendigung des Ukraine-Krieges. Er sprach von einem „offenen und wichtigen Gespräch“, in dem er die Enttäuschung von US-Präsident Donald Trump über die mangelnde Flexibilität Russlands übermittelt habe, sagt Rubio in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Die USA seien frustriert darüber, dass bislang kein größerer Fortschritt erzielt worden sei.
Alles gute Nachrichten eigentlich. Nur: EU-Offizielle trauen dem Braten aus Washington nicht. Wie die US-Nachrichtenseite „Politico“ berichtet, werden in Europas Hauptstädten derzeit drei Szenarien vorbereitet: Dass Trump die Ukraine weiter unterstützt, sogar stärker als bisher. Dass er die Waffenlieferungen wieder stoppen lässt. Oder gar, dass er sich ganz aus Europa zurückzieht und den Konflikt sich selbst überlässt.
Es ist schwer, überhaupt zu wissen, was in der US-Regierung gerade los ist.
EU-Offizieller über die Ukraine-Politik der USA
„Uns überrascht nichts mehr; wir müssen auf alles vorbereitet sein“, sagt ein Diplomat aus einem Nato-Land gegenüber „Politico“.
Dabei scheint das größte Problem für die Europäer, dass die Kommunikation mit den Amerikanern völlig erratisch ist. „Politico“ zufolge hat der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow noch immer nicht mit seinem US-Amtskollegen Pete Hegseth über den Waffenstopp sprechen können. Trump selbst hatte erklärt, nichts von dem Waffenstopp gewusst zu haben.
Dass das Verteidigungsministerium offensichtlich auf eigene Faust handelt, verwirrt die Europäer nur noch mehr. „Es ist schwer, überhaupt zu wissen, was in der US-Regierung gerade los ist“, sagt ein EU-Offizieller.
Ein zweiter europäischer Beamter erklärte gegenüber „Politico“, der allgemeine Eindruck in Europa sei, dass die US-Regierung in Bezug auf die Ukraine ziemlich unkoordiniert unterwegs ist, und viele in den Nato-Hauptstädten einfach versuchten, mit den wechselnden Stimmungen in Washington Schritt zu halten.
Auch was mit den US-Truppen in Europa passiert, ist den Europäern völlig unklar. Bis zum August soll das US-Verteidigungsministerium Empfehlungen für Trump erarbeiten, wie es mit ihnen weitergeht. Vorbereitung sieht anders aus.
Im Fokus der Zweifel der Europäer steht Hegseth. Bei ihm sei völlig unklar, ob er die Politik mache oder seine Mitarbeiter, erklärt einer der EU-Offiziellen gegenüber „Politico“. Dazu passt, dass offensichtlich einer der Mitarbeiter Hegseths weitgehend auf eigene Faust den Waffenstopp für die Ukraine angeordnet hat, ohne Präsident Trump zu informieren, wie „CNN“ berichtet.
„Es gibt eine Menge Unvorhersehbarkeit in Bezug auf die Politik der US-Regierung“, sagt einer der EU-Offiziellen. „Es herrscht großes Chaos, und ehrlich gesagt mangelt es an einem angemessenen Management in der Spitze.“
Ein Rezept dagegen? Den Mann an der Spitze, soweit es geht, auf seine Seite zu ziehen. Die europäischen Staatschefs versuchen das schon länger bei Trump. Zuletzt auch wieder der deutsche Kanzler Friedrich Merz, wie die „New York Times“ berichtet. Er habe Trumps entschiedenes Vorgehen im Iran gelobt und vorgeschlagen, etwas Ähnliches in der Ukraine zu machen, schreibt die US-Zeitung. Nicht mit Bomben, sondern mit Sanktionen gegen Russland. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob das dem Chaos in der US-Ukrainepolitik etwas mehr Stetigkeit verleihen kann.
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