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„Schnupperbesuche“ und zollfreier Umzug: Wie die Türkei syrische Flüchtlinge zur Rückkehr ermuntern will
Drei Millionen Syrer leben in der Türkei. Nach dem Fall des Assad-Regimes will die Regierung in Ankara die Rückkehr unterstützen – und setzt dabei auf innovative Ansätze.
Stand:
„Tesekkürler Türkiye“, riefen Ahmet El Ahmet und seine drei Kinder in eine türkische Fernsehkamera: Danke, Türkei!
Dann schulterten sie ihre Reisetaschen und liefen über die syrische Grenze – zurück in die alte Heimat des 37-jährigen Bauarbeiters, vorwärts in ein neues Leben für die Kinder.
Solche Szenen gibt es an den sechs Grenzübergängen zwischen der Türkei und Syrien täglich hundertfach zu sehen: Mehr als 35.000 syrische Flüchtlinge sind seit dem Sturz des Assad-Regimes vor vier Wochen aus der Türkei nach Syrien zurückgekehrt.
Das dürfte nur der Anfang sein, denn die Türkei unterstützt die freiwillige Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Land mit praktischen Hilfen und bürokratischen Erleichterungen – von kostenlosen Gepäckwagen an den Grenzübergängen bis hin zum Angebot von Schnupperbesuchen in Syrien.
Per Mausklick zum Termin mit der Einwanderungsbehörde
Die türkische Migrationsbehörde nahm bereits ein System für die Rückkehrer in Betrieb. Per Mausklick können sich Syrer in allen 81 Provinzen der Türkei einen Termin bei der örtlichen Einwanderungsbehörde holen, um die Formalitäten für die Ausreise zu erledigen.

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Den Termin bekämen sie noch am selben Tag, sagte Innenminister Ali Yerlikaya der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Auf dem Amt überprüfen die Behörden ihre Identität und ob im Strafregister nichts gegen sie vorliegt; vor einem Zeugen vom UN-Flüchtlingshilfswerk oder dem Roten Halbmond müssen sie bestätigen, dass sie freiwillig zurückkehren wollen.
Daraufhin erhalten sie einen Passierschein, mit dem sie von ihrem Wohnort zur syrischen Grenze reisen können; innerhalb von 15 Tagen müssen sie dann ausreisen.
Um den Syrern die Entscheidung zu erleichtern, bietet die Türkei ihnen jetzt „Schnupperbesuche“ in der alten Heimat an: Bis zu drei Mal darf ein Angehöriger pro Familie nach Syrien reisen, ohne seinen Aufenthaltsstatus in der Türkei zu verlieren.
Die syrische Heimat auskundschaften
Bisher mussten Rückkehrer ihren türkischen Ausweis bei der Ausreise an der Grenze abgeben und konnten dann nicht mehr zurück. Das Probier-Angebot soll es den Flüchtlingen nun erlauben, die Lage in ihrer alten Heimat auszukundschaften, bevor sie mit ihren Familien den Sprung zurück wagen. Ein zeitlicher Anreiz ist auch dabei: Das Angebot gilt nur bis zum 1. Juli.
Ermuntern will die Türkei die Rückkehrer auch mit anderen praktischen und bürokratischen Erleichterungen: Ihren Hausrat dürfen sie zollfrei mitnehmen, ebenso ihre Autos – insgesamt besitzen Syrer in der Türkei 200.000 Fahrzeuge. Geschäfte sollen unbürokratisch nach Syrien umgemeldet werden können.
Diejenigen unserer Gäste, die Wohnungen, Arbeitsplätze oder Landbesitz in Syrien haben, kehren nun langsam in ihr Land zurück.
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräsident
Ankara will möglichst rasch Konsulate in Damaskus und Aleppo eröffnen, wo syrische Rückkehrer ihre Geburtsurkunden und Eheeintragungen aus der Türkei abrufen können. In Damaskus will die Türkei zudem ein Migrationsbüro eröffnen, um die Rückkehrer zu beraten.
An den Grenzübergängen nach Syrien haben die türkischen Behörden das Personal aufgestockt und den Betrieb auf 24 Stunden ausgeweitet, um Wartezeiten zu verkürzen.
Die große Welle werde im Frühsommer kommen, meint Yerlikaya, wenn das türkische Schuljahr endet. Dass alle Syrer aus der Türkei zurückkehren werden, erwartet aber niemand.
Von den drei Millionen Syrern im Land würden maximal eine Million irgendwann nach Syrien zurückkehren, sagte der Migrationsexperte Murat Erdogan dem Tagesspiegel, und die meisten von ihnen auch erst, wenn sich die Lage in Syrien stabilisiert habe.
Abschiebungen oder erzwungene Rückkehr soll es in der Türkei jedenfalls nicht geben. „Diejenigen unserer Gäste, die Wohnungen, Arbeitsplätze oder Landbesitz in Syrien haben, kehren nun langsam in ihr Land zurück“, sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kürzlich. „Aber wer hier in der Türkei bleiben will, der ist uns willkommen.“
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