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Studenten sitzen an der Universität in Russlands Region Samara an ihren Tischen.

© IMAGO/dreamstime

Er schrieb Songs wie „Mein Kampf“: Russlands Studenten müssen in der Uni Lieder von Propaganda-Sänger analysieren

Der Popsänger „Shaman“ gilt auch in Russland als umstritten. Martialische Songs wie „Mein Kampf“ sollen russische Teenager erreichen. Nun werden seine Songtexte wohl auch in Hörsälen analysiert.

Stand:

Russischen Studierenden der Staatlichen Universität Südural in Tscheljabinsk werden bei Lehrveranstaltungen offenbar propagandistische Popsongs zur Interpretation und Analyse vorgelegt. Das geht aus einem Video hervor, das der ehemalige Ministerberater und ukrainische Aktivist Anton Gerashchenko am Dienstag via BlueSky veröffentlichte. Unabhängig überprüfen ließ sich das Material bislang nicht.

In dem Video ist ein junges Mädchen zu sehen, das mit dem Handy den Unterricht mitfilmt. Eine Frau – mutmaßlich die Lehrbeauftragte – fragt darin, wie man einige Textstellen interpretieren könnte. „Welche Schlüsselbegriffe funktionieren hier wirklich?“, fragt die Frau.

Nacheinander fragt sie Liedtexte ab: „‚Um der ganzen Welt zu trotzen.‘ Warum der ganzen Welt trotzen?“ Eine weitere zu analysierende Belegstelle lautet: „Ich gehe bis zum Ende.“ Die Frau fragt in die Runde: „Was könnte dieser Satz bedeuten? Wie können wir ihn interpretieren?“

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Gerashenko zufolge sollen die Aufnahmen aus der Tscheljabinsker Universität stammen. Am Ende des Videos ist ein TV-Gerät zu sehen, auf dem den Studierenden ein Musikvideo des russischen Sängers „Shaman“ gezeigt wird. Der Songtitel lautet „Ya russkiy“ – zu Deutsch: „Ich bin Russe“.

Wer steckt hinter Russlands Pop-Ikone „Shaman“?

„Shaman“ heißt mit bürgerlichem Namen Jaroslaw Jurjewitsch Dronow. Mit seinen patriotischen Liedtexten gewann der heute 33-Jährige vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor allem bei jungen Hörerinnen und Hörern zunehmend an Popularität. Neben „Ya russkiy“ („Ich bin Russe“) brachte der Sänger und Musikproduzent solche Songs wie „Vstanem“ („Wir stehen auf“) oder „Moy boy“ („Mein Kampf“) heraus.

Der Song „Vstanem“ wurde in Russland am 23. Februar 2022 veröffentlicht, dem Vorabend der russischen Invasion auf die Ukraine und gleichermaßen „Tag des Verteidigers des Vaterlandes“. „Shaman“ widmete das Lied allen gefallenen russischen Soldaten.

Der im Juli 2023 veröffentlichte Song „Moy boy“ fand in russischen Staatsmedien großen Anklang; von kritischen Medien und Journalisten wurde er allerdings wegen seiner Ähnlichkeit mit Hitlers „Mein Kampf“ weitestgehend verrissen. Das Musikvideo zu „Moy boy“ zeigt „Shaman“, wie er mit einem Patronengürtel um die Hüften geschnallt vor Militärangehörigen auftritt. Daneben wurden Kriegsszenen in das Video geschnitten – so sind unter anderem schießende und Panzer fahrende Soldaten, zerstörte Häuser sowie sichtlich mitgenommene Menschen zu sehen, die wohl Bewohner darstellen sollen, die durch Russland „befreit“ worden sind.

Der Song „Ya russkiy“ schließlich, der von Studierenden der Uni Tscheljabinsk analysiert werden sollte, besticht durch einen eindeutig als patriotisch zu klassifizierenden Songtext. Im Text heißt es zum Beispiel: „Ich bin Russe, ich gehe bis zum Ende“ , „Ich brauche nichts anderes“ oder „Ich bin Russe, mein Blut stammt von meinem Vater“.

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„Shaman“ selbst sieht das offenbar nicht so. Auf die Äußerungen seitens russischer Kritiker angesprochen, die dem Song eine „Anstachelung zu interethnischer Zwietracht“ („Meduza“, 2023) oder eine „Genehmigung vom russischen Außenministerium“ („Intermedia“, 2022) nachsagen, reagiert „Shaman“ gelassen. „Für mich ist es kein patriotisches Lied, sondern ein Song, der den natürlichen Zustand meiner Seele seit meiner Geburt widerspiegelt“, sagte er in einem Interview mit „Moskowski Komsomolez“.

Shamans „Ich bin Russe“ soll wohl die Welt erobern

Im Musikvideo zeigt sich „Shaman“ als nahbarer Popstar, der heroisch auf der Bühne performt, sich aber gleichermaßen auch von seinem Publikum auf Händen tragen lässt. Zwischendurch sieht man den Sänger mit seinen weißblonden Dreadlocks und einer Kreuz-Kette um den Hals gebunden über ein weites Weizenfeld laufen. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenseite „Moskowski Komsomolez“ auf seine Frisur angesprochen, sagte „Shaman“, dass er sich in seinem Look „völlig natürlich“ fühle. „Ich sage oft, dass meine Dreadlocks eine russische Volksfrisur sind, weil sie Weizenähren ähneln.“

Das Musikvideo geht nach der großen Bühnenperformance des selbsternannten Schamanen noch weiter. In einer Überblende ist zu lesen „Irgendwo in Amerika...“ - daran anschließend sieht man Aufnahmen der Hollywood Hills in Los Angeles und ein junges Pärchen, das im Cabrio laut zu „Ya russkiy“ singend über die Hügelkette donnert. Nach einer weiteren Überblende mit den Worten „Irgendwo am Rande des Universums...“ sind schließlich zu „Ya russkiy“ tanzende Aliens zu sehen.

„Shamans“ Musikvideo folgend sollte der Song „Ich bin Russe“ also künftig nicht nur von Landsleuten geschmettert werden, sondern (nach den „befreiten“ Ukrainern) womöglich auch schon bald von US-Amerikanern und übermorgen vom ganzen Universum.

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