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Schwere Ausschreitungen in Indonesien: Präsident sagt China-Reise ab, TikTok setzt Live-Video aus
Brennende Regionalparlamente, Angriff auf Haus der Finanzministerin: Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt steht Indonesiens Präsident Prabowo Subianto unter massivem Druck.
Stand:
Nach tagelangen Protesten in Indonesien mit mindestens fünf Toten rudert die Regierung nun zurück – und hat eine Kürzung der umstrittenen Vergünstigungen für Abgeordnete verkündet.
Das Parlament habe angekündigt, „mehrere Maßnahmen“ zu streichen, sagte Präsident Prabowo Subianto am Sonntag in einer Rede in der Hauptstadt Jakarta. Zuvor hatten Demonstranten das Haus von Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati geplündert.
In Jakarta und mehreren anderen Städten in dem südostasiatischen Inselstaat war es seit Freitag zu heftigen Protesten und gewaltsamen Ausschreitungen gekommen. Auslöser waren Videoaufnahmen, die zeigten, wie ein Motorradfahrer bei einer Protestkundgebung am Donnerstag von einem Polizeiauto überfahren wurde.
Der 21-Jähriger war Medienberichten zufolge gerade dabei, eine Essenslieferung auszuliefern, als er in die Auseinandersetzungen geriet. Zeugen berichteten, das gepanzerte Fahrzeug der Sicherheitskräfte sei plötzlich durch die Menge gerast und habe ihn erfasst, ohne danach anzuhalten.
Darum geht es bei den Protesten
Die Demonstrationen hatten am Montag begonnen, nachdem bekannt geworden war, dass alle 580 Abgeordneten zusätzlich zu ihren Gehältern eine monatliche Wohnzulage von 50 Millionen Rupiah (rund 2600 Euro) erhalten – fast zehnmal so hoch wie der Mindestlohn in Jakarta. Für viele Indonesierinnen und Indonesier ist dies Ausdruck einer politischen Elite, die sich in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten von den Sorgen der Bevölkerung abkoppelt.
In den vergangenen Tagen waren daraufhin mehrere Häuser von Abgeordneten geplündert worden. In der Nacht zum Sonntag drangen auch Demonstranten in das Haus von Finanzministerin Mulyani ein, wie Soldaten und ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AFP mitteilten.
Um die Wut der Menschen zu besänftigen, kündigte Präsident Prabowo am Sonntag einen Parlamentsbeschluss an. Es gehe um „die Höhe der Zulagen für Abgeordnete“ und ein „Moratorium für Auslandsbesuche“. Um welche Zulagen es genau geht, sagte der Ex-General jedoch nicht.
Die Ausschreitungen verurteilte Präsident Prabowo in seiner Rede scharf. Auch wenn „das Recht auf friedliche Versammlung“ respektiert und geschützt werden müsse, tendierten einige Handlungen der Demonstranten „in Richtung Verrat und Terrorismus“, sagte der Präsident.

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„Wir können nicht leugnen, dass es Anzeichen für Handlungen gibt, die außerhalb des Gesetzes liegen“, erklärte Prabowo. Wenn bei den Protesten öffentliche Einrichtungen zerstört oder Privathäuser geplündert würden, müsse „der Staat eingreifen, um seine Bürger zu schützen“.

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Seine Teilnahme an der Militärparade in China am 3. September anlässlich des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs und Japans Kapitulation sagte der Präsident ab.
Regierung macht Druck Betreiber Sozialer Netzwerke
Auch im digitalen Raum spitzte sich die Lage zu: Die Kurzvideo-App TikTok, die dem chinesischen Unternehmen ByteDance gehört, teilte am Samstag mit, dass sie ihren Livestream in Indonesien für mehrere Tage aussetze. Hintergrund ist die Sorge, dass Videos der Proteste die Wut weiter anheizen könnten. Zuvor hatte die Regierung Vertreter und Vertreterinnen sozialer Netzwerke einbestellt und sie aufgefordert, ihre Moderation zu verschärfen. Jakarta wirft den Plattformen vor, Desinformation nicht ausreichend einzudämmen – Inhalte, die nach Darstellung der Regierung die Proteste zusätzlich befeuert hätten.

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Verteidigungsminister Sjafrie Sjamsoeddin kündigte an, Armee und Polizei würden „entschiedene Maßnahmen“ gegen „Randalierer und Plünderer“ ergreifen, die in Privathäuser oder öffentliche Gebäude eindringen.

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Bei einem Brandanschlag auf das Rathaus der Stadt Makassar auf der Insel Sulawesi waren zuvor mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Wie ein Vertreter der Katastrophenschutzbehörde am Sonntag mitteilte, wurde in Makassar zudem ein Mann zu Tode geprügelt, den Protestierende für einen Geheimdienstoffizier gehalten hatten.

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Auf der Insel Lombok brannte am Samstag zudem ein Verwaltungsgebäude ab. In Surabaya auf Java wurde ein Polizeipräsidium in Brand gesetzt.
Menschenrechtsorganisationen kritisierten Prabowos Rede und die Ankündigung des Parlaments als nicht weitreichend genug. Der Präsident sei auf die „Beschwerden und Hoffnungen“ der protestierenden Menschen gar nicht eingegangen, erklärte der Leiter von Amnesty International in Indonesien, Usman Hamid. Er forderte die Regierung auf, mit „umfassenden“ politischen Reformen auf die Proteste zu reagieren.
Die Proteste und Ausschreitungen in Indonesien sind die heftigsten seit dem Amtsantritt von Präsident Prabowo im vergangenen Oktober. Er hatte unter anderem kostenlose Mahlzeiten in Schulen eingeführt, um gegen die Mangelernährung bei Kindern vorzugehen. Um teure Programme wie die Schulspeisungen zu finanzieren, wurde allerdings in anderen Bereichen gekürzt, was schon zuvor zu Protesten geführt hatte.
Junge Generation im Aufruhr
Völlig neu ist der Widerstand gegen die Regierung also nicht. Bereits in den vergangenen Wochen hatten Medien über ein ungewöhnliches Symbol des Protests berichtet, das die Unzufriedenheit vor allem junger Menschen zum Ausdruck bringen sollte.

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An Häuserwänden in Jakarta tauchte immer häufiger die „Jolly-Roger“-Flagge aus der japanischen Anime-Serie One Piece auf. Unter dem Hashtag #IndonesiaGelap („dunkles Indonesien“) verbreiteten Jugendliche das Motiv in den sozialen Medien. Für viele war es Ausdruck tiefer Frustration.
„Luffy und seine Freunde sind Piraten, die gegen eine Regierung kämpfen, die sich über das Gesetz stellt“, erklärte der junge Künstler Radinal Muhtar gegenüber dem australischen Sender ABC. Und der Akademiker Oleh Ismail Khozen von der Universitas Indonesia schrieb: „Wenn Demonstrationen wie die von Indonesia Gelap ausbrechen, erinnern sie uns daran, dass Bürgerbeteiligung die letzte Verteidigungslinie gegen die oligarchische Kontrolle der Demokratie ist.“
(mit AFP)
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