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Moderiert aus dem Exil. Tichon Dsjadko ist Chefredakteur des TV-Senders Doschd. Vergangene Woche war er zum ersten Mal mit „Hier und jetzt“ auf Sendung.

© Denis Kaminev

Sendelizenz entzogen: Lettland verbietet russischen Oppositionssender

Die Mitarbeiter des TV-Senders „Doschd“ gingen nach Lettland ins Exil, um frei arbeiten zu können. Jetzt ist der Sender auch dort verboten – mit einer merkwürdigen Begründung.

Stand:

Tichon Dsjadko ist außer sich. Die Entscheidung sei eine Farce, absurd und fern vom gesunden Menschenverstand, erregt sich der Chefredakteur des oppositionellen russischen Fernsehkanals „Doschd“ in seiner letzten Sendung. Die zuständige lettische Behörde für elektronische Medien hat Doschd gerade die Sendelizenz entzogen und die Station damit faktisch verboten.

„Doschd war eine der letzten kritischen Stimmen gegen den russischen Krieg in der Ukraine, die noch in Russland zu hören waren. Deshalb musste die Station aus dem benachbarten Lettland senden.

Das ist im Kabelnetz zumindest vorübergehend vorbei, was Dsjadko zu seinem Zornesausbruch veranlasste. Vor einem halben Jahr erst waren er und seine Kolleginnen und Kollegen wegen der Repressionen gegen Medien ins Exil gegangen. In der Hoffnung, frei arbeiten zu können.

Fadenscheiniger Vorwand

Jetzt macht Ivars Abolins, Chef der lettischen Behörde, geltend, Doschd werde „im Zusammenhang mit der Bedrohung der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung“ die Sendelizenz entzogen. Das Land fährt einen konsequenten Kurs gegen den Einfluss russischer Propaganda. Das Parlament in Riga hat im Frühjahr ein entsprechendes Gesetz verschärft.

Dass dieses jetzt ausgerechnet gegen Doschd exekutiert wird, ist tatsächlich absurd, wenn man die Begründung für das Verbot ansieht, die Abolins vorbringt. Er hatte den Sender bereits mit einer 10.000-Euro-Strafe belegt, weil Doschd eine Wetterkarte gezeigt haben soll, auf der angeblich die Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet gekennzeichnet war.

Dann bezeichnete einer der Doschd-Moderatoren die russischen Militärs in der Ukraine als „unsere Armee“. Dsjadko entschuldigte sich und trennte sich von dem Mitarbeiter. Es nützte nichts. Abolins erklärte, Doschd verstehe einfach nicht, wie ernst die Sache sei, und verbot den Sender.

Es gibt bei uns ein geflügeltes Wort: Ein Paragraf findet sich immer.

Natalja Sindejewa, Besitzerin des Senders Doschd, 2017 in einem Interview für den Tagesspiegel

Lettland hat mehr als 200 russischen Journalisten von 23 Medien Zuflucht gewährt, die wegen der Repressionen gegen kremlferne russische Medien nicht mehr in ihrem Heimatland arbeiten können. Im Juli erklärte der lettische Geheimdienst, er sehe in dieser Fluchtwelle ein Risiko, „weil die Massenmedien traditionell in die Interessensphäre der russischen Geheimdienste fallen“. Das bezog Abolins nun offensichtlich auf Doschd.

Oppositionelle Online-Plattformen wie „Medusa“ und „The Insider“ erklärten sich sofort solidarisch mit dem TV-Sender. Die investigativen Journalisten von „The Insider“ starteten eine Recherche: Wer ist Ivars Abolins?

Sie fanden Tweets von 2014, dem Jahr, als Russland die Krim annektierte, und begann, die Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Dort hatte Abolins rühmende Worte für die Entschiedenheit des russischen Präsidenten. Zuvor schon hatte er während des Euromaidan in Kiew einen für einen lettischen Offiziellen mindestens skurrilen Tweet abgesetzt: „Generell sollte Lettland Janukowitsch (dem damaligen ukrainischen Präsidenten – die Red.) Geld geben und zu Gott beten, dass die Ukraine der EU nicht näherkommt.“ Mit diesen Einlassungen konfrontiert erklärte Abolins, er bedauere sie, das seien nicht mehr seine Ansichten.

Für den Kreml war die Entscheidung in Riga eine Steilvorlage. Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte ihn hämisch: „Einige glauben, die Freiheit sei anderswo und in Russland sei Unfreiheit. Das ist eine Illusion.“ Die Mitarbeiter von Doschd geben jedoch nicht auf. Auf Youtube wird weitergesendet, damit werden nach eigenen Angaben immerhin 13 Millionen Menschen erreicht. Gegen die Entscheidung der Behörde will der Sender klagen, deutete Dsjadko an.

Doch sein Vertrauen in den Rechtsstaat in Lettland hat in den letzten Tagen gelitten. „Ich habe damit gerechnet, dass die beschuldigte Seite ihre Argumente vortragen kann.“ Zur Sitzung der Lizenzbehörde seien Vertreter von Doschd nicht eingeladen gewesen. Ein solches Vorgehen habe er im Westen nicht erwartet, sagte Dsjako in seiner letzten Sendung befremdet.

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