
© dpa/Jaroslav Slastan/Staatlicher Naturschutz der Slowakei
Slowakei ruft Bären-Notstand aus: „Können nicht in einem Land leben, in dem Waldbesucher Angst haben, als Futter zu enden“
Ein Wanderer wird tot in einem Wohngebiet gefunden, mutmaßlich von einem Bären zerfleischt: Nun will die Slowakei 350 der Tiere abschießen lassen. Umweltschützer laufen Sturm.
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Kaum ein Thema wird derzeit so kontrovers in der Slowakei diskutiert, wie der Tod eines Wanderers am vergangenen Sonntag. Der 59-Jährige war offenbar von einem Bären angegriffen worden; in einem Wohngebiet, nahe einem Wald fand man die zerfleischte Leiche.
Auch der linkspopulistische Ministerpräsident Robert Fico meldete sich in der emotionalen Debatte zu Wort – und rief den „Bären-Notstand“ aus. Rund ein Drittel der Tierpopulation des Karpatenstaats soll gejagt und erlegt werden. 350 Bären sind damit offiziell zum Abschuss freigegeben; nicht alle Slowaken sind begeistert.
„Ich stimme meinen Kabinettsmitgliedern zu“, sagte Fico zu seiner Entscheidung: „Wir können nicht in einem Land leben, in dem Menschen Angst davor haben, den Wald zu betreten und als Bärenfutter enden.“
Die Intensität der Bärenangriffe nimmt radikal zu, dabei befinden wir uns in einer Zeit, in der Bären eigentlich ruhen sollten.
Robert Fico, slowakischer Ministerpräsident
Die neue Notstandsregelung erstreckt sich über etliche Bezirke der Slowakei und schafft die rechtliche Grundlage für die Tötung der Tiere. „Die Intensität der Bärenangriffe nimmt radikal zu, dabei befinden wir uns in einer Zeit, in der Bären eigentlich ruhen sollten“, sagte Fico.
Slowakischen Medienberichten zufolge prophezeit der Regierungschef einen Sommer, in dem unwillkommene Begegnungen zwischen Mensch und Wildtier stark zunehmen könnten.
Der getötete Wanderer war am Wochenende in einem Wald unweit der zentral slowakischen Stadt Banská Bystrica unterwegs gewesen. Zu Wochenbeginn wurde seine Leiche in der Nähe eines Wohngebiets gefunden.
„Der Mann hatte sichtbare Verletzungen am Körper und der vorläufige medizinische Bericht hat bestätigt, dass er an den Verletzungen starb, die ihm durch den Angriff eines wilden Tieres zugefügt worden sind“, erklärte die Polizei am Mittwochabend.
Umweltschützer sind entsetzt
Der slowakische Umweltminister Tomáš Taraba hatte bereits am Montag angekündigt, 350 von rund 1200 Braunbären in der Slowakei zum Abschuss freigeben zu wollen. Eine Entscheidung, die Umweltschützer für überzogen und unverhältnismäßig halten.
Sie kritisieren, dass die Fico-Regierung Emotionen über Wissenschaft stelle und damit das ökologische Gleichgewicht im gesamten Karpatengebirge gefährde. Überhaupt gebe es Methoden zur Abschreckung, die einen Abschuss in den meisten Fällen überflüssig machten – von speziell trainierten Wachhunden bis zur chemischen Abwehr, argumentieren die Abschussgegner.

© dpa/Milan Kapusta
Das Problem sei nicht vorrangig das Verhalten der Bären, sondern die schwindende Distanz zum Menschen, betont Greenpeace-Sprecherin Miroslava Abelová: „Konflikte entstehen oft aufgrund nicht verschlossener Mülleimer, Essensreste und Futterstationen – alles Faktoren, die das Land sofort angemessen angehen muss.“
Auf Stimmenjagd bei Jägern und Landwirten?
Die Freigabe zur Bärenjagd ist nicht der erste politische Eingriff in die Natur, der die Slowaken polarisiert. Bereits zu Jahresbeginn stritten Regierung, Opposition und Umweltschützer über den Abschuss von Wölfen.
Die Massentötung von Bären ist übertrieben.
Marián Čaučík, slowakischer Politiker bei den Christdemokraten
Der vorübergehenden Aufhebung des Jagdverbots könnte ein Viertel der Wolfspopulation des osteuropäischen Landes zum Opfer fallen, warnte der WWF. „Eine derart deutliche Reduzierung könnte nicht nur den Wölfen in der Slowakei, sondern auch den damit verbundenen Populationen in den Nachbarländern irreparablen Schaden zufügen.“ Die Umweltschützer sehen die Jagdfreigabe als politisch motivierte Annäherung an Jäger und Landwirte.
Auch der Opposition bietet der Vorstoß der Fico-Regierung neue Angriffsfläche. „Wir sind überzeugt, dass eine Massentötung von Bären übertrieben ist und die Situation nicht lösen wird“, sagte der Parlamentsabgeordnete Marián Čaučík von den Christdemokraten.
Ihm zufolge wollten die Verantwortlichen in Bratislava einzig von ihrem Versagen bei der Eindämmung der Maulen- und Klauenseuche ablenken. Diese hochansteckende Seuche tauchte zuletzt in Ungarn und mehreren Landesteilen der Slowakei auf und versetzte auch Nachbarstaaten wie Österreich oder Tschechien in Alarmbereitschaft.
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