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Streit in Israel über Krieg gegen Hamas: Premier Netanjahu entlässt Verteidigungsminister Gallant – Tausende protestieren
Zwischen Gallant und dem Ministerpräsidenten gab es seit geraumer Zeit Differenzen. Neuer Verteidigungsminister soll Außenminister Katz werden.
Stand:
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (oben links) hat Verteidigungsminister Joaw Gallant (rechts) entlassen. Grund seien zu viele Differenzen zwischen den beiden Politikern über Israels Kriegsführung gewesen, teilte Netanjahus Büro am Dienstagabend mit. Außerdem habe Netanjahu das Vertrauen in Gallant verloren.
Zwischen Gallant und Netanjahu knirschte es schon seit geraumer Zeit. Der Verteidigungsminister hatte Netanjahu wegen dessen Kriegsführung gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen kritisiert und auf einen Geiseldeal gedrängt. Auf X schrieb Gallant, dass die Sicherheit des Staates Israel die Mission seines Lebens war und immer bleiben werde.
Tausende in Israel protestieren gegen Entlassung
Neuer Verteidigungsminister soll Außenminister Israel Katz werden. Auf den Posten des Außenministers soll Netanjahus ehemaliger Rivale Gideon Saar aufrücken.
In den vergangenen Monaten hatte es bereits Medienberichte gegeben, wonach Netanjahu auf Druck seiner ultrarechten Koalitionspartner erwäge, Gallant durch Saar zu ersetzen. Dieser steht für einen schärferen Kurs gegenüber der Hamas, die am 7. Oktober 2023 Israel überfiel.
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Tausende Menschen protestierten gegen die Entlassung von Gallant. In Tel Aviv blockierten Demonstranten in der Nacht zu Mittwoch stundenlang die wichtigste Stadtautobahn, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Auch in Jerusalem und Haifa protestierten Israelis gegen Netanjahus Entscheidung, den beliebten Verteidigungsminister mitten im andauernden Mehrfrontenkrieg gegen ihr Land durch den bisherigen militärisch weniger erfahrenen Katz zu ersetzen.
In Tel Aviv skandierten die Demonstranten gegen Netanjahu und seine Regierung gerichtete Slogans und schwenkten Israel-Flaggen. Viele trugen Schilder mit Aufschriften wie „Wir verdienen bessere Führer“ und „Wir lassen niemanden zurück“.
Gallant galt als vehementer Befürworter eines Abkommens mit der Hamas, um die im Gazastreifen noch immer festgehaltenen Geiseln freizubekommen. Der frühere General, Marinekommandeur und langjährige Militärberater des früheren Regierungschefs Ariel Scharon hat die Kriegsführung gegen die Hamas entscheidend mitgeprägt.
Er geriet aber zuletzt wegen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen immer wieder mit Netanjahu aneinander. Aus Gallants Sicht hätte sich Israel schon weitaus früher stärker auf die nördliche Grenze zum Libanon konzentrieren sollen.
Ein weiterer Streitpunkt betraf die Einberufung wehrfähiger ultraorthodoxer Männer zum Armeedienst. Noch am Tag vor seiner Entlassung hatte Gallant die Empfehlung der israelischen Armee genehmigt, zusätzliche 7000 Einberufungsbefehle für ultraorthodoxe Juden auszustellen.
Nach mehr als einem Jahr des Mehrfrontenkrieges ist die israelische Armee dringend auf neue Soldaten angewiesen, auch um die seit einem Jahr im Einsatz befindlichen hunderttausenden Reservisten zu entlasten. Doch die ultraorthodoxen Parteien drohten Netanjahu mit Koalitionsbruch, sollte ein geplantes Gesetz zur Freistellung Ultraorthodoxer vom Wehrdienst im israelischen Parlament scheitern.
Nach seiner Entlassung wiederholte Gallant seine Kritik an der Regierung mit scharfen Worten: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein korruptes und fehlerhaftes Gesetz in der Knesset verabschiedet wird, das Zehntausende von Bürgern von der Last befreit“, sagte er.
Zudem forderte er die Regierung auf, die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln lebendig nach Hause zu bringen. Dies sei Israels „moralische und ethische Verpflichtung“. Andernfalls gebe es „keine Versöhnung“ in der Gesellschaft. „Die Sicherheit des Staates Israels war stets die Mission meines Lebens und wird dies auch immer bleiben“, erklärte Gallant. (Reuters, AFP)
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