zum Hauptinhalt
Finnlands stellvertretende Ministerpräsidentin, Riikka Purra.

© dpa/Roni Rekomaa

Streit um rassistische Hetze: Zerbricht Finnlands Koalition an den Rechten?

Sie sei „voller Hass“: Finnlands Vize-Ministerpräsidentin fällt durch rechte Kommentare auf. Koalitionspartner gehen auf Distanz – die Opposition fordert eine Sondersitzung des Parlaments.

Finnlands neue rechtskonservative Vier-Parteien-Regierung steht weniger als einen Monat nach Amtsantritt vor einer schweren Krise. Die Vorsitzende der mitregierenden liberalen „Schwedischen Volkspartei“, Anna-Maja Henriksson, ging erneut auf Distanz zu ihrem Koalitionspartner, den rechten „Wahren Finnen“.

Hintergrund sind wiederholte rassistische Ausfälle von einigen ihrer Kabinettskolleginnen.

Henriksson hatte ihre Fraktion zu einer Krisensitzung zusammengerufen. „Wir werden die Gesamtlage aus verschiedenen Perspektiven besprechen“, sagte sie der Tageszeitung „Hufvudstadsbladet“. „Ich blicke sehr ernst auf diese Situation.“

„Ich bin voller Hass“

Gemeint sind damit finnische Medienberichte, denen zufolge die stellvertretende Ministerpräsidentin Riikka Purra im Jahr 2008 auf einem rechten Blog unter dem Pseudonym „riikka“ mehrere rassistische Kommentare verfasst haben soll.

20,1
Prozent der Wählerstimmen bekamen die „Wahren Finnen“ bei der Wahl im April – über 2,5 Prozent mehr als 2019.

Dabei soll sie nicht nur das N-Wort genutzt, sondern etwa über „türkische Affen“ geschrieben haben. In weiteren Kommentaren soll sie gefragt habe, ob „jemand Lust hätte, auf Bettler zu spucken“. Zudem soll sie zur Gewalt gegen somalische Jugendliche und Schwarze aufgerufen haben. Sie sei „voller Hass“, hieß es an anderer Stelle.

Als Reaktion auf die Berichte fordert die Opposition eine Unterbrechung der parlamentarischen Sommerpause und will, dass sich Purra, die auch Vorsitzende der „Wahren Finnen“ ist, einem Misstrauensvotum stellt.

Die Regierung ist funktionsfähig, unsere Arbeit funktioniert.

Petteri Orpo, Finnlands Ministerpräsident

„Finnlands Somalischer Verbund“, eine Selbstorganisation von Einwanderern, hat Purra am Donnerstag wegen ihrer Äußerungen bei der Justizkanzlei gemeldet. Eine Petition mit über 50.000 Unterschriften fordert zudem ihren Rücktritt. Diesen hat Purra bereits ausgeschlossen. Sie werde ihren Posten „unter keinen Umständen“ verlassen, sagte sie am Mittwoch.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch entschuldigte sich Purra für ihre „dummen Kommentare“, betonte aber, dass sie diese als Privatperson getroffen habe. Finnlands konservativer Regierungschef Petteri Orpo sprach ihr daraufhin sein Vertrauen aus.

Regierungsparteien sind sich uneins

„Die Regierung ist funktionsfähig, unsere Arbeit funktioniert“, sagte er dem öffentlich-rechtlichen Sender Yle am Donnerstag. „Anstehende Gesetzesvorhaben, die im Einklang mit dem Regierungsprogramm stehen, werden planmäßig auf den Weg gebracht.“

Auch Parlamentssprecher Jussi Halla-aho stützt seine Parteikollegin Purra. Es war sein Blog, auf dem sich Finnlands stellvertretende Regierungschefin vor 15 Jahren äußerte. Wegen ähnlicher Kommentare ist Halla-aho selbst bereits verurteilt worden.

46
der 109 Sitze der Koalition entfallen im Parlament auf „Wahren Finnen“.

Die Forderung aus der Opposition, die Sommerpause für einen Misstrauensantrag gegen seine Parteifreundin Purra zu unterbrechen, lehnt auch er ab. Auf Twitter schrieb Halla-aho, dass für ein erfolgreiches Votum eine parlamentarische Mehrheit erforderlich sei und einzelne Stimmen aus der Opposition dafür nicht ausreichen würden.

Doch die vier Regierungsparteien sind sich uneins. Insbesondere die liberale Schwedische Volkspartei hadert mit dem rechten Koalitionspartner.

Die rassistischen Äußerungen der stellvertretenden Ministerpräsidentin sind bereits der dritte Skandal der finnischen Regierung, die erst am 20. Juni vereidigt worden ist.

Wirtschaftsminister Vilhelm Junilla räumte nur zehn Tage nach Amtsantritt wegen früherer Verbindungen in die Neonazi-Szene und rechten Äußerungen seinen Posten. Anfang Juli zogen die Finanz-, Innen- sowie Justizministerinnen wegen Sympathien rechter Verschwörungstheorien scharfe Kritik von Opposition und Zivilgesellschaft auf sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false